Ludwigshafen „Nur noch Ein-Euro-Läden und Bäckereien“

Treffpunkt in der Stadt: die Sommerredaktion.
Treffpunkt in der Stadt: die Sommerredaktion.
Bürgerforum gefordert Rudi Röller

wohnt auf der Parkinsel. Ihn haben die Pläne der Pfalzwerke überrascht, ihren Hauptsitz vom Musikerviertel im Stadtteil Süd auf die durch einen Lagerhallenbrand freigewordene Fläche am Luitpoldhafen zu verlegen (wir berichteten). „Da kommen dann jeden Tag 500 Beschäftigte, und die brauchen Parkraum. Das wird doch ein gewaltiger Brocken, der dort gebaut wird. Darüber muss man mit uns Anwohnern doch reden“, fordert der 66-Jährige ein Bürgerforum von der Stadt und der Politik – ähnlich wie bei dem Projekt City West. Röller nutzt die Gelegenheit, bei der Sommerredaktion die OB-Kandidaten darauf anzusprechen. Thorsten Portisch (unabhängig), der ebenfalls auf der Insel wohnt, kann nicht verstehen, warum die Stadt dort nicht weiter Wohnbebauung voranbringt, sondern sich den Hafenbetrieben fügt. Peter Uebel (CDU) verweist auf die Rechtslage und führt ins Feld, dass durch das freiwerdende Pfalzwerke-Areal in Süd Platz für eine Kita und 250 Wohnungen entstehen. Jutta Steinruck (SPD) hält ein Bürgerforum für eine gute Sache, „wenn’s dafür nicht schon zu spät ist“. Aufgemotzte Autos lärmen Erst seit acht Wochen wohnt Jennifer Emberger in der Innenstadt. Vorher lebte sie in Friesenheim. „Uns ist hier die Poser-Szene aufgefallen. Autos mit sehr lauten Motoren, die mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die Kaiser-Wilhelm-Straße rasen“, berichtet die 35-Jährige. Sie hat sich deshalb an die Polizei gewandt, die aber ihr gegenüber wenig Problembewusstsein gezeigt habe. Angeblich habe es im vergangenen Jahr nur einen Poser-Fall in Ludwigshafen gegeben. „Das kann doch gar nicht sein“, meint Emberger. Sie hat den Verdacht, dass sich die Szene wegen des größeren Kontrolldrucks von Mannheim nach Ludwigshafen verlagere. Auch ihre Nachbarin Barbara Teschendorf-Mindach (64) berichtet von „aufgemotzten Autos“ mit MA-Kennzeichen, die lärmend durch die Innenstadt fahren. Auch sie habe die Polizei informiert, sagt sie. Unsicheres Gefühl Ulrike Griebe (42) treibt generell die Frage nach der Sicherheit in der Innenstadt um. „Ich traue mich als Frau nicht mehr, Veranstaltungen in der Musikschule oder in der Volkshochschule zu besuchen.“ Alleine die Wege aus dem Parkhaus oder über den Berliner Platz verursachen ein Unsicherheitsgefühl bei ihr. Sie wünscht sich deshalb eine stärkere Polizeipräsenz, schlägt eine kleine Wache in einem der leer stehenden Ladenlokale in der City vor. Leerstände stören „Ich wohne gerne in Ludwigshafen“, sagt Lothar Korin, und seine Frau Karola nickt zustimmend. Die beiden Gartenstädter haben sich auf dem Lutherplatz ein Plätzchen im Schatten ausgesucht, um über „ihre“ Stadt zu sprechen. So wohl sich die beiden in Ludwigshafen auch fühlen, „am Stadtbild stört uns sehr der Leerstand“, erzählt Karola Korin. „Es gibt ja nur Ein-Euro-Läden und Bäckereien.“ Nachdem nun auch das Bekleidungsgeschäft C&A am Berliner Platz zugemacht wird, gehe sie nun zum Einkaufen immer öfter nach Mannheim. „Denn in der Rhein-Galerie ist die Fläche des C&A zu klein“, findet die 63-Jährige. An der Metropol-Baustelle am Berliner Platz kritisiert das Ehepaar die fehlenden Informationen über den Sachstand: „Der kleine Mann weiß nicht, wie es dort weitergeht“, sagt Lothar Korin. Ein großes Bekleidungsgeschäft und ein nettes Lokal in der Fußgängerzone, das wünschen sich er und seine Frau für Ludwigshafen. Zu wenig Einzelhandel Manfred (71) und Hannelore (69) Böser, die am Ortsrand von Oggersheim wohnen, lassen an der Innenstadt kein gutes Haar. „Es gibt kaum Einzelhandel und keine Entwicklung. Stattdessen Leerstände und viele Ein-Euro-Läden. Die Sozialstruktur ist übel“, klagt Böser. Und die Rhein-Galerie? „Das ist was für junge Leute. Wir waren nur einmal dort“, erklärt seine Frau. „Jeder Bürgermeister hat sich ein Denkmal gebaut. Die Rhein-Galerie ist das von Frau Lohse“, ergänzt Böser. Statt den Einkaufstempel zu bauen, hätte man besser die Innenstadt beleben sollen. „Es ist wichtig, dort mehr Fachgeschäfte anzusiedeln“, fordert der Oggersheimer. Die Bösers fahren nach Frankenthal oder Neustadt zum Einkaufen. „Der Abriss der Hochstraße ist eine Horrorvorstellung“, betont Hannelore Böser. Ladenlokale umbauen „Ich finde die Idee gut, leer stehende Ladenlokale in der Innenstadt zu Wohnraum umzubauen“, sagte Leserin Dietlinde Eder-Lehfeldt (65) aus West. „Allerdings muss das, gerade in den kleineren Straßen der Innenstadt, auch bezahlbarer Wohnraum sein. Ich glaube nicht, dass mehr als sechs Euro für den Quadratmeter realistisch sind.“ Generell findet Eder-Lehfeldt, dass in Ludwigshafen zu viel Geld für auswärtige Gutachter bezahlt wird. „Ich glaube, es gibt auch bei der Verwaltung selbst Ingenieure und Architekten, oder auch Landschaftsplaner, die das ebenfalls könnten.“ Zu viele Wohnungen? Den Maudacher Benno Griebe treibt um, wieso in Ludwigshafen 3000 Wohnungen fehlen sollen, wie das von der SPD-Kandidatin Jutta Steinruck behauptet werde. „Das wären, bei zwei Personen pro Haushalt, 6000 Neubürger. Woher sollen die kommen? Und vor allem: Wer soll das bezahlen? Nach meiner Rechnung wäre das eine Investition von bis zu 500 Millionen Euro. Das kann man doch nicht über Sozialmieten refinanzieren.“ Für den von der GAG geplanten Neubau am Eingang zum Bürgerhof mahnte er „eine gute Durchmischung der Mieter“ an. „Das würde auch den Geschäften in der Innenstadt zugute kommen. Bild von OB-Kandidaten machen Neslinan Erel absolviert gerade ein duales Studium zur Verwaltungswirtin in der Stadtverwaltung. Da ist Stadterneuerung ein wichtiges Thema für die 34-Jährige: „Mich interessiert, was die einzelnen Akteure dazu zu sagen haben, deshalb bin ich zur Sommerredaktion gekommen.“ Zudem will die Ludwigshafenerin die Gelegenheit nutzen, sich ein Bild über die vier OB-Kandidaten zu machen, denn einer oder eine von ihnen könnte ja ihr neuer Chef werden. Ein Garten für alle Anneliese Meyer-Lender und Klaus E. Meyer wünschen sich auf dem Berliner Platz statt des geplanten Wohn- und Geschäftshauses „Metropol“ eine Begegnungsstätte für die Ludwigshafener. Zum Beispiel einen Garten für alle. „Es war nicht richtig, dass die ,Tortenschachtel’ abgerissen wurde, obwohl der Investor nicht einmal einen Bauantrag gestellt hatte“, kritisiert das Ehepaar. Im Sommer kümmern sich die leidenschaftlichen Gärtner täglich um ihre 375 Quadratmeter große Parzelle in Süd-Schöngewann in Mundenheim. Auch im Hack-Museumsgarten ist das Paar aktiv. Im Winter zieht es die Gärtner dafür umso länger in den Süden. Dann geht es für sechs Wochen nach Lanzarote oder wie zuletzt auf Kreuzfahrt. Flüchtlingshelfer unterstützen Hans-Georg Werner sucht das Gespräch mit den OB-Kandidaten. Er kommt gut vorbereitet aus Mundenheim. Der 76-Jährige engagiert sich ehrenamtlich für Flüchtlinge, fühlt sich dabei aber alleingelassen. „Ich habe schon eine Menge Mails und Briefe, unter anderem an Oberbürgermeisterin Eva Lohse, geschrieben. Antwort erhalte ich selten. Dabei kann ihr doch gar nichts Besseres passieren, als Nachrichten direkt von der Basis. Ich würde mir einen festen Ansprechpartner bei der Stadt wünschen.“ Entmutigt ist er nicht. „Ich bin ein praktizierender Christ und eine Kämpfernatur“, sagt er. Gesamtkonzept angemahnt Auch einige Kommunalpolitiker kamen bei der Sommerredaktion auf einen Plausch vorbei: „Es passiert einiges in der Innenstadt, aber es fehlt ein Masterplan“, sagt Jens Brückner. Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Ortsbeirat Südliche Innenstadt fragt sich: „Was will die Stadt? Einzelhandel, Wohnbebauung oder etwas Drittes?“. Einzelhandel könne eine Zukunft haben, wenn er eine bestimmte Ausrichtung bekomme, zum Beispiel Nachhaltigkeit. Seiner Meinung nach müsse die Stadt den Händlern mehr unter die Arme greifen, etwa beim Aufbau eines Internethandels. Er glaubt nicht, dass die Öffnung der mittleren Bismarckstraße für den Verkehr zu einer Belebung der dortigen Geschäftswelt führt. „Das hat vor Jahren bei der Ludwigstraße nicht funktioniert, warum sollte es jetzt funktionieren?“ Der Mundenheimer Andreas Kühner sitzt für die Liberal-Konservativen Reformer im Stadtrat und sagt: „Die Zeiten des inhabergeführten Einzelhandels sind in Ludwigshafen vorbei.“ Auch ihm fehlt ein Gesamtkonzept für die Entwicklung der Innenstadt. Den Fokus auf Dienstleistungen in der Bismarckstraße zu legen, halte er nur teilweise für eine gute Lösung, weil es in der Innenstadt zu wenige Parkplätze für mögliche Kunden gebe. Sein Vorschlag lautet deshalb, Innenstadt-Flächen für studentisches Wohnen zu nutzen.

Engagiert sich für Flüchtlinge: Hans Georg Werner.
Engagiert sich für Flüchtlinge: Hans Georg Werner.
Manfred und Hannelore Böser halten nichts von der City.
Manfred und Hannelore Böser halten nichts von der City.
Fordert ein Gesamtkonzept für die Innenstadt: Jens Brückner.
Fordert ein Gesamtkonzept für die Innenstadt: Jens Brückner.
Neslinan Erel will die OB-Kandidaten kennenlernen.
Neslinan Erel will die OB-Kandidaten kennenlernen.
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