Ludwigshafen Musik zum Eintauchen

Haben eine wunderbare Atmosphäre geschaffen: die „QUINT:essenz“-Streicher und Tänzerin Petra Müller.
Haben eine wunderbare Atmosphäre geschaffen: die »QUINT:essenz«-Streicher und Tänzerin Petra Müller.

Ist die Kunst baden gegangen? Nein. Im Gegenteil. Aber Künstler und Publikum haben beim fulminanten Konzert „Tanz!“ einander tatsächlich mal wieder im Schwimmbad gegenüber gesessen. Spiegelglatt lag das Wasser im Becken des ehemaligen Hallenbad Nord in Ludwigshafen vor einem.

«»Immer wieder überrascht von der Örtlichkeit, platzierte man sich auf der kalten Steinbank am Beckenrand und entdeckte, wie sich das Wasser an einer Stelle ringförmig nach außen kräuselte. Hob man den Blick, bescherte einem die bodenlange Fensterwand mit den schwarzen Vogelaufklebern ein großartiges Bild. Der angekündigte Abendsturm ließ Bäume und Blätter wehen, wie er wollte. Mehr Tanz brauchte es an diesem Abend, der einem so unerwartet eines der schönsten Kunsterlebnisse in diesem Spätsommer bescheren sollte, fast nicht mehr. Musik und nur noch eine Tänzerin, Petra Müller vom Flamenco-Ensemble Cana de Azúcar, genügten, um an diesem für Kunst perfekten Ort jenen Zustand zu ermöglichen, der einen hinter die konkrete Wirklichkeit schauen ließ. Das Baudenkmal wird seit einiger Zeit als Löschwasser-Reservoir genutzt – und hin und wieder als Ort für die Kunst. Das erst im vergangenen Jahr gegründete und schon als Shootingstar gehandelte Streichensemle „QUINT:essenz“ füllte mit seinem akkuraten Spiel die nach Chlor riechende Schwimmhalle. Sein Programm unter dem Motto „Tänze“ war so übersichtlich und stimmig zusammengestellt, dass es eine Freude war, ihrer Kunst gerade an diesem Ort zu begegnen. In jedem anderen Konzertsaal hätte man angesichts des hohen Bekanntheitsgrads der ausgesuchten Kompositionen irgendwann damit begonnen, mit den Augen die Innenwände abzuwandern. Anstatt Kacheln zu zählen, tauchte man nun im wahrsten Sinne des Wortes ein in die Musik. Die Weite des wie in der Zeit stehen geblieben Raumes und die frische Luft machten es möglich. Das Thema des „Tanzes“ machte dieses Unterfangen noch leichter. Das Ensemble, in einer Reihe am Beckenrand aufgestellt, schön schwarz gekleidet und damit im Kontrast zur funktionellen Architektur, spielte die „St. Paul’s Suite“ von Gustav Theodore Holst, die „Rumänischen Volkstänze“ von Béla Bartók, mehrere Walzer von Antonín Dvorak und den berühmten „Ungarischen Tanz“ von Johannes Brahms. Die „Five Tango Sensations für Bandoneon und Streichorchester“ des Argentiniers Astor Pantaleón Piazolla bildeten hierbei sowohl musikalisch als auch atmosphärisch den fulminanten Höhepunkt. Parallel zur Abenddämmerung, die den Neonröhren das Recht gaben, visuell die Herrschaft über das Raumbild übernehmen, konzentrierte sich die Wahrnehmung auf das Entfalten der verschiedenen emotionalen Zustände von Liebe bis Verzweiflung und Angst, die Piazolla 1989 in ein zwingendes musikalisches, dem Tango gehorchendes Konzept gebracht hatte. Ensemble-Leiter Michael Teichert dirigierte zurückhaltend. Auch wenn er jeder Komposition erlaubte, sich in ihren besonderen Charakteristika, ihren Timbres, Tempiwechsel und hauptmotivischen Leitlinien zu zeigen, lag ihm jede Äußerung, die stark in die Emotion oder in den Überschwang gegangen wäre, fern. Dies traf auch auf Petra Müller und ihren Tanz zu. Zwei Mal bereicherte sie mit dem Gitarristen Christian Kiefer das musikalische Spektrum. Gerade indem sie den Raum mit ihrem herausfordernden Tanz nicht zu übertrumpfen suchte, kreierte sie einen spannungsvollen Ort im Ort.

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