Ludwigshafen Mit Volldampf durch die Bandgeschichte

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Weit über drei Stunden hat Wolfgang Niedeckens BAP den ausverkauften Mannheimer Rosengarten gerockt. Neben den vielen BAP-Klassikern aus 40 Jahren Bandgeschichte gab es auf der „Jubiläums“-Tournee auch Stücke vom aktuellen Album „Lebenslänglich“ zu hören. Gut aufgelegt und voller Energie hat die Band in Mannheim sich und ihre Fans gefeiert.

Eine Menge Leute im Alter von 50 plus steuert auf den Eingang des Rosengartens zu. Dazwischen, in der Gegenrichtung, zwei junge Frauen, geschätztes Alter Anfang 20. „Entschuldigung, was wird hier gespielt?“, fragt die eine. „BAP!“, kommt die Antwort eines vor freudiger Erwartung strahlenden Fans. Große fragende Augen bei der jungen Frau. Sagt die andere: „Das ist alte Musik. So von früher...“ Tatsächlich ist es 40 Jahre her, dass ein paar Jungs sich in der Kölner Südstadt trafen, um Musik ihrer musikalischen Helden nachzuspielen. Das waren die Rolling Stones und die Kinks, und Sänger Wolfgang Niedecken war zudem ein riesiger Bob-Dylan-Fan. Niedecken schrieb dann Songtexte auf Kölsch, hatte den Ruf als „Dylan von der Südstadt“, und die Band spielte immer mehr eigene Stücke. Der erste Auftritt der bis dahin noch namenlosen Band war auch passenderweise auf einer Protestveranstaltung gegen eine Stadtautobahn. Heute, nach 17 Studioalben und sechs Live-Veröffentlichungen, ist von der alten Band nur noch Sänger Wolfgang Niedecken übrig. Schlagzeuger Sönke Reich, ein Absolvent der Popakademie und seit 2014 dabei, ist jünger als die ältesten BAP-Hits. Der dienstälteste auf der Bühne des Rosengartens ist, neben Niedecken, der Bassist Werner Kopal, der seit 1996 für die tiefen Töne zuständig ist. Gitarrist Ulrich Rohde spielt seit zwei Jahren die Lead-Gitarre, vor ihm war das Helmut Krumminga und vor ihm noch Klaus „Major“ Heuser, der in der Zeit des Durchbruchs Anfang der 80er Jahre die Band ganz wesentlich geprägt hat. Sein Weggang 1999 war ein Verlust. Aber die BAP-Lokomotive stampft bis heute mit Volldampf weiter, wie im Rosengarten deutlich zu spüren war. Auch die aktuelle Besetzung ist bestens aufeinander eingespielt und rockt mitreißend. Einzig Anne de Wolff, die Cello, Geige, Gitarre, Lapsteel-Guitar und noch einige Instrumente spielt, geht manchmal im ziemlich druckvollen Rocksound etwas unter. Nun hat BAP den Kölsch-Rock nicht erfunden und steht auch sonst nicht unbedingt für innovative Musik, aber was Niedecken und seine Band seit vier Jahrzehnten tun, ist grundsolides Handwerk. Die Songs haben ganz oft Mitsing-, ja auch Mitgröhl-Qualität. Vermutlich jede Schulband der Republik hat in den achtziger Jahren „Verdamp lang her“ gespielt, und bis heute ist das Stück für jede Partyband Pflicht. Wer die kölschen Texte versteht, oder sie sich auf Deutsch übersetzen lässt, stellt da auch einigen substantiellen Inhalt fest. „Kristallnaach“ hat schon 1982 eine diffus fremdenfeindliche Stimmung und latent faschistische Tendenzen aufgezeigt. Die Zeile „Wenn die Volksseele wütet und schreit“ ist inzwischen von der Wirklichkeit eingeholt. Da hilft nur „Arsch huh, Zäng ussenanner“, was beim Konzert gleich im Anschluss als nächstes Stück kam. Ein kleines Set von Balladen, etwa in der Hälfte des Konzerts, gab Band und Zuhörern ein wenig Verschnaufpause. Da setzten sich die Fans im Parkett auch auf die ansonsten selten genutzten Stühle. Zu „Songs sinn Dräume“ kam als Überraschungsgast Xavier Naidoo auf die Bühne, der das „pälzisch Kölsch“ der mitsingenden Fans „goldisch“ fand. Naidoo und Niedecken kennen sich seit vielen Jahren und haben bei einer „Tauschkonzert“-Sendung zusammengearbeitet. Offenbar nimmt der früher politisch so geradlinige Niedecken keinen Anstoß an Naidoos umstrittenen Äußerungen zum Status der Republik. Der alte BAP-Recke ist fit wie ein Turnschuh. Ohne Pause zieht er ein riesiges Programm durch, das selbst jugendlichen Rockern alles abverlangt. Vor kurzem wurde Niedecken 65 Jahre alt, 2011 hatte er einen Schlaganfall und war in Lebensgefahr. In Mannheim bewies er, dass sein Rock `n` Roll-Herz kräftig weiterschlägt.

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