Ludwigshafen Maudach: Helga Kehl hat ein Parteibuch mit Brandt-Autogramm

Hat für ihr Engagement viele Auszeichnungen bekommen: Helga Kehl.
Hat für ihr Engagement viele Auszeichnungen bekommen: Helga Kehl.

Als 1992 die Seniorenresidenz Änne Rumetsch eingeweiht worden ist, war Helga Kehl gerade Ortsvorsteherin von Maudach geworden. Damals hätte sie sich nicht träumen lassen, selbst einmal in der Wohnanlage am Neustadter Ring zu leben. Vor drei Jahren hat die langjährige Kommunalpolitikerin dort ein neues Zuhause gefunden. Durch „ihr“ Maudach radelt sie auch mit 76 noch gerne.

Ihr neues Domizil hat sich Helga Kehl gemütlich eingerichtet. Postkarten und viele gesammelte Eulen zieren eine kleine Schrankwand im Wohnzimmer, Fotos erinnern an alte Zeiten. „Das ist meine Ahnengalerie“, sagt sie lächelnd und zeigt auf die Aufnahmen ihrer Familie. Helga Kehl ist vom Schicksal schwer getroffen worden. Ihr Mann und zwei ihrer drei Söhne sind innerhalb kurzer Zeit verstorben. Als sie selbst an Diabetes erkrankte, riet ihr der Hausarzt zum Umzug in die Seniorenresidenz. Hier lebt sie selbstbestimmt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, meldet sich aber wie alle anderen Bewohner jeden Morgen. Zur Sicherheit. Was man in den Regalen und an den Wänden vergeblich sucht, das sind all die Auszeichnungen, die Helga Kehl für ihr langjähriges Engagement bekommen hat. Den Ehrenring der Stadt Ludwigshafen, die Freiherr-vom-Stein-Plakette des Landes Rheinland-Pfalz, bald wird noch eine Auszeichnung für 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD hinzukommen. „Ich habe das alles in irgendwelchen Kisten vergraben“, sagt Kehl und tippt sich an die Stirn. „Wichtig ist doch, dass ich hier drin habe, was ich gemacht habe.“ Was sie auf Anhieb findet, ist ihr Parteibuch, ausgestellt am 1. September 1957 und auf der ersten Seite mit Autogrammen versehen von Willy Brandt, Malu Dreyer – und dazwischen? Könnte das die Unterschrift von Kurt Beck sein? „Ja, stimmt. Die ist von Beck.“

Parteibuch nicht abgegeben

Nicht nur einmal hat Helga Kehl ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, das dunkle Büchlein zurückzugeben und sich von ihren Genossen zu verabschieden. „Aber bei uns zu Hause hieß es immer: Wer rausgeht, kann nichts mehr verändern. Also bin ich geblieben.“ Und hat vor Ort gearbeitet, gestritten, gekämpft. Wenn jemand – wie einst Oberbürgermeister Werner Ludwig – sie nervtötend und anstrengend fand: Das nahm sie als Kompliment. Helga Kehl wurde im Sommer des Kriegsjahres 1941 in Hettenleidelheim geboren. Ja, auch dort, in der pfälzischen Provinz, habe man hin und wieder in den Luftschutzkeller gemusst. Ihre praktisch veranlagte Großmutter habe bei diesen Gelegenheiten gesagt, da könne im Keller gleich „de Quetschelatwerch fertigkoche“. Später durfte Helga bei der Oma die vom Vater als „Negermusik“ verunglimpften Schlager von Camillo Felgen hören. Mit 16 Jahren trat sie den Falken bei, der sozialistischen Jugend Deutschlands, und der SPD. „Bist du jetzt bei den Kommunisten?“, hätten die „Hettrumer“ sie gefragt, und später, als sie ihren Heiner heiratete: „Muss es ein Hemshöfer sein?“ Seine Familie kam aus der Ludwigshafener Innenstadt.

Seit 1965 in Maudach

Helga Kehl war gelernte Laborgehilfin und arbeitete bis zur Geburt der Söhne in den Jahren 1964, 1965 und 1967 bei einer Grünstadter Konservenfabrik. Später war sie bei Esbella/Real in Mutterstadt tätig und dort viele Jahre lang Betriebsratsvorsitzende. Nach einer kurzen Zeit in Frankenthal lebte die Familie ab 1965 in Maudach. „Hier bin ich verwurzelt, hier will nicht mehr weg“, sagt Helga Kehl und erinnert sich mit einem Strahlen in den Augen an rauschende Feste, die früher im Freundeskreis gefeiert worden sind. Das Engagement in der Kommunalpolitik, das habe sich „einfach so ergeben“, sagt Helga Kehl. Ende der 1970er-Jahre kam sie das erste Mal in den Ortsbeirat. Als Günther Ramsauer 1991 städtischer Kulturdezernent geworden war, folgte sie ihm als Ortsvorsteherin. Das Amt sollte sie 18 Jahre lang ausüben, 15 Jahre lang saß sie für die Sozialdemokraten im Stadtrat. Zudem war sie viele Jahre Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen und ehrenamtliche Arbeitsrichterin. 2009 kam der Abschied von sämtlichen Ämtern. „Ich wollte das Privatleben genießen“, sagt sie und fügt verschmitzt hinzu: „Und ich wollte nicht abgewählt werden.“ Nach schweren Jahren kann Helga Kehl das jetzt tatsächlich ein Stückweit wieder – das Leben genießen. Sie freut sich an schönen Dingen wie dem Rosenstock auf ihrem Balkon, an dem Kontakt zu ihrem Sohn und ihren drei Enkeln und an Begegnungen mit alten Kollegen, „Schwarzen und Roten“. Sie helfe auch gerne, wenn es irgendwo ein Problem gebe, sagt sie. Aber nur, wenn sie gefragt werde: „Aufdrängen möchte ich mich nicht.“

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