Ludwigshafen Mannheimer Höhenflüge

Am Nationaltheater in Mannheim hat man ja durchaus hochfliegende Pläne. Ob es nun wie in der Vergangenheit um eine ambitionierte „Ring“-Inszenierung geht oder ganz aktuell um die 240 Millionen teure Sanierung des Hauses. Man spürt hier so etwas wie eine Verpflichtung zu Höherem. Immerhin besitzt die Mannheimer Bürgerschaft das älteste kommunale Theater Deutschlands und kann Friedrich Schiller als ersten Hausautor vorweisen. Da stört es die Mannheimer nur wenig, dass die anderen großen Bühnen Baden-Württembergs in Stuttgart und Karlsruhe sich Staatstheater nennen dürfen und mehr Landeszuschuss bekommen. Weil die Theatermentalität in der pottebenen Quadratestadt also eher nach Höherem strebt, ist diese Nachricht natürlich Balsam für die Mannheimer Seele. Die Produktion „Vespertine“, eine natürlich hochambitionierte und überaus erfolgreiche Opernadaption von Björks gleichnamigem Popalbum, hat es ganz nach oben geschafft. Die Musik erklingt in nächster Zeit zehntausend Meter hoch über den Wolken in den Jets der Lufthansa. Dort erhält der von Langeweile oder Flugangst geplagte Reisende allerlei Angebote der Ablenkung. Dazu gehören aktuell Blockbusterfilme wie „About a Boy“ mit Hugh Grant, „Carol“ mit Cate Blanchett oder die Freddie-Mercury-Story „Bohemian Rhapsody“. Im Audio-Bereich finden sich neben Beethoven, Mozart und Uriah Heep auch „Kollywood Hits“ für Reisende aus Südindien. Auch mit Startenor Christoph Pregardien kann man „auf den Flügeln des Gesanges“ romantisch durch die Lüfte schweben. Und neuerdings eben auch das Nationaltheater mit seiner Björk-Oper genießen. Das Musikangebot der größten deutschen Fluggesellschaft ist also breitgefächert und niedrigschwellig ausgerichtet, spricht eher den Romantiker an als den Avantgardisten. Da passen die Björk-Songs, die im Original einen trancehaften Sog aus Naturmystik und Elektronik entwickeln und nun als Opernarien in sphärischem Wohlklang dahinschweben, ganz gut ins Programm. Die großartige Inszenierung der dänischen Künstlergruppe Hotel Pro Forma, die wesentlich zum Erfolg der Mannheimer Opernproduktion beitrug, kann man im Flugzeug leider nicht sehen. Man kann aber eine gute Flugstunde die Augen schließen oder der Wolkendecke draußen beim Vorbeigleiten zuschauen. Wer entspannte Ablenkung sucht, ist hier richtig, wer es gern etwas lebhafter möchte, sollte vielleicht eher zu Mozart greifen, zu Uriah Heep oder tamilischen Lovesongs. Ein regionales Alleinstellungsmerkmal hat das Nationaltheater mit seinem Lufthansa-Upgrade allerdings nicht erlangt. Zuvor hatte es auch schon eine Musikauswahl des Festivals „Enjoy Jazz“ bis in den Airbus geschafft, und das gleich mehrfach. Aber Deutschlands größtes Jazzfestival ist ja schließlich auch in Mannheim zu Hause – und ein bisschen auch in Heidelberg und in Ludwigshafen.

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