Ludwigshafen „Gewaltiger Schlusspunkt“

Mit einem 4000 Jahre alten Epos verabschiedet sich Hansgünther Heyme vom Theater im Pfalzbau. Der zum Jahresende scheidende Ludwigshafener Intendant bringt die Geschichte von König Gilgamesch mit einem Laienensemble auf die große Bühne. Seit Januar wird an dem Projekt gearbeitet, Premiere ist am kommenden Donnerstag.

Hansgünther Heyme hat sich modisch verändert. Statt Rollkragenpulli trägt er jetzt ein edel-weinrotes T-Shirt, auf dem in goldenen Buchstaben „Gilgamesch“ steht. Natürlich tut ein gewiefter Theatermann wie Heyme so etwas mit Bedacht. Das Shirt mit den goldenen Lettern ist ein Statement für ein Projekt, das aus vielerlei Gründen schwierig ist und natürlich ein Wagnis. Aber ein Wagnis war ja auch Heymes Idee, an einem Gastspielhaus ohne Sänger, ohne Orchester und ohne Werkstätten Wagners kompletten „Ring“ auf die Bühne zu bringen. An solchen Unzulänglichkeiten hat sich nichts geändert. Bühnenbild und Kostüme kommen diesmal vom Pfalztheater in Kaiserslautern, die Mitwirkenden aus der halben Metropolregion. 40 Darsteller hat Heyme im Januar aus 150 Bewerbern ausgesucht. Einige haben schon etwas Erfahrung mit Theaterarbeit, etwa bei der Bürgerbühne des Mannheimer Nationaltheaters. Die meisten aber haben noch nie auf einer Bühne gestanden. „Das ist nicht einfach“, meint Heyme, bei den Proben sei das Ensemble noch nie komplett gewesen. Die Darsteller haben schließlich einen Beruf, haben Familie, müssen aus der Vorderpfalz oder von der Bergstraße anreisen. „Wir können noch nicht einmal die Fahrtkosten ersetzen“, jammert der Regisseur. Heyme hat fast überall, wo er in seiner seit den 1960er Jahren währenden Theaterlaufbahn große Häuser geleitet hat, auch mit Laienensembles gearbeitet. In Köln hat er 1979 das antike Drama des Prometheus mit 400 Darstellern inszeniert. „Das ist für mich nichts Neues, ich knüpfe da an etwas an, das ich schon sehr lange mache“, stellt Heyme fest. Aber warum musste es gleich das vermutlich älteste literarische Zeugnis der Menschheitsgeschichte sein, ein 3000 Verse umfassendes Heldenepos, das auf zerbrochenen Tontafeln in den Ruinen der Stadt Ninive im heutigen Irak entdeckt worden war und das erst nach dem Entziffern der mesopotamischen Keilschrift im ausgehenden 19. Jahrhundert übersetzt werden konnte? „Wie soll man den Ring toppen?“ ist Heymes Gegenfrage. „Ich wollte meine Theaterarbeit in Ludwigshafen mit einem gewaltigen Schlusspunkt beenden“. Von einem „gewaltigen Versuch“ spricht er später, vom Gelingen des Unterfangens noch nicht ganz überzeugt. Auch Heyme musste die Geschichte von Gilgamesch erst wieder neu entdecken. Als Student in Heidelberg hatte er den Text gelesen, später dann reichlich antike Dramen inszeniert, das viel ältere Epos aber wieder vergessen. In der neuen Übersetzung des Heidelberger Assyriologen Stefan M. Maul hat er sich das umfangreiche Werk erneut vorgenommen und dort vieles entdeckt, was später auch in anderen großen Menschheitsschriften wie der Bibel oder der „Ilias“ erzählt wird. Sogar Motive aus dem „Faust“ sind zu finden. Es gibt Heldengeschichten und Liebesaffären, die Menschen streben nach ewigem Leben oder wenigstens ewiger Jugend, und die Götter bestrafen solchen Hochmut mit einer Sintflut . „Da werden viele Themen angesprochen, die uns auch heute angehen“, findet Heyme. „Es geht um Naturzerstörung und Volksverführung und den ganzen Zivilisationsdruck, der auf den Menschen lastet.“ Aus dem mehr als 100 Buchseiten umfassenden Epos haben Heyme und Christoph Klimke, Buchautor, Dramatiker und langjähriger Librettist von Johann Kresnik, eine stark gekürzte Spielfassung destilliert. Es gibt aber immer noch über zwei Dutzend Rollen, allein die Titelfigur ist dreimal vertreten. Dass die Mehrzahl der Figuren von Frauen gespielt wird, ist den Umständen geschuldet: Männer sind im Ensemble deutlich in der Minderheit. Heyme sieht auch dies positiv, schließlich seien ja zur Shakespeare-Zeit auch Frauenrollen von Männern gespielt worden, hier mache man es halt umgekehrt. Die Proben laufen in der entscheidenden Phase, in der die einzeln einstudierten Teile der Inszenierung nun zusammengesetzt werden. Im Mittelpunkt von Heymes Regiearbeit stehen dabei die Götter, aus leicht erhöhter Position betrachten sie sich das Treiben der Menschen und greifen ein, wenn ihnen nicht gefällt, was sie da sehen.

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