Ludwigshafen „Feuerwehrleute sind Idealisten“

Herr Bruck, was muss ein Feuerwehrchef in Ludwigshafen als wichtigste Charaktereigenschaften mitbringen?

Fach-, Sozial- und Führungskompetenz. Es ist ganz wichtig, ein gutes Händchen zu haben, um Personal führen zu können. Wir sind hier sehr teamorientiert. Der Chef kann nur so gut sein wie sein Team. Und in Ludwigshafen braucht man ein großes Fachwissen – denn die Aufgaben der Feuerwehr reichen hier von der normalen Brandbekämpfung bis hin zum Chemieunfall. Was macht denn Ludwigshafen zu so einem besonderen Einsatzort? Wir haben im Stadtgebiet rund 16.000 Gefahrguttransporte pro Tag. Wir haben hier neben dem Warentransport auf Schiene und Straße auch noch den Wasserweg. Es gibt zudem viele Hafenanlagen. Aufgrund der chemischen Industrie in der Stadt brauchen wir sehr gute Grundkenntnisse im Katastrophenschutz, um im Schadensfall dementsprechend reagieren zu können. Ludwigshafen ist deshalb nicht eins zu eins mit anderen Städten vergleichbar. Ist die Ludwigshafener Feuerwehr deshalb als Ratgeber geschätzt? Wir übernehmen in Rheinland-Pfalz besondere Aufgaben. Hier in Ludwigshafen haben wir spezielle Messgeräte. Wir können als einzige Feuerwehreinheit im Land damit Schadstoffe aus Luftproben analysieren. Gerade vor ein paar Tagen gab es einen Schadstoffaustritt in einer Berufsschule in Lahnstein. Die Feuerwehr vor Ort hat Luftproben genommen, die dann per Hubschrauber zu uns nach Ludwigshafen zur Analyse geflogen wurden. Wir haben dann eine sogenannte Gefährdungsabschätzung vorgenommen. Das kann außer uns niemand in Rheinland-Pfalz. Der bisherige Feuerwehrchef Peter Friedrich ist seit Freitag in Ruhestand. Sie als sein „Vize“ übernehmen jetzt die Leitung. Das sorgt einerseits für Kontinuität, fehlt andererseits nicht der Blick von außen? Das könnte man meinen. Aber Peter Friedrich und ich sind bundesweit in verschiedenen Feuerwehrarbeitskreisen aktiv. Ich habe mich dabei seit Jahren mit technischen Fragen beim Brandschutz befasst. Man sieht dabei viel über den Tellerrand. Es findet ein reger Austausch statt. Und Peter Friedrich hat das im Bereich Katastrophenschutz gemacht – das werde ich von ihm übernehmen. Wir schauen dabei, wie läuft es woanders, wo müssen wir nachsteuern, und wo können wir besser werden. Den Blick von außen wird ein neuer stellvertretender Leiter einbringen. Was erwarten Sie von Jan Deubel? Er wird ab März mein Stellvertreter sein und mit Sicherheit den Blick von außen einbringen. Er war zuletzt an der Landesfeuerwehrschule in Koblenz tätig. Er ist mit Mitte 30, ein junger und dynamischer Typ. Als Team werden wir gemeinsam einiges positiv bewegen können. Es stehen in diesem Jahr einige große Projekte an: Die neue Integrierte Leitstelle soll fertig gebaut werden und in den Probebetrieb gehen. Was bringt diese Zentrale den Bürgern? Eine effektivere und schnellere Alarmierung im Notfall. Mit dabei sind Ludwigshafen, Speyer, Frankenthal, Neustadt sowie die Landkreise Bad Dürkheim und der Rhein-Pfalz-Kreis. Für die Vorderpfalz wird es künftig nur noch eine Notrufannahmestelle geben. Von hier aus werden dann Feuerwehren und Rettungsdienste alarmiert. Wir ersparen uns künftig die Schnittstellenproblematik mit der Weiterleitung von Notrufen. Können Sie dafür ein Beispiel nennen? Wenn ich momentan in Speyer oder Ludwigshafen die 112 wähle, lande ich vor Ort bei der Feuerwehr. Von dort aus wird der Notruf an die bestehende Rettungsleitstelle in Ludwigshafen geschickt, und von dort wird dann ein Rettungsdienst alarmiert. Diese Weitervermittlung entfällt. Das wird künftig professioneller und schneller. Ein anderes Projekt ist der Umzug der Freiwilligen Feuerwehr Mitte, die ihr Domizil auf der Parkinsel aufgibt und ins Maudacher Gewerbegebiet umziehen wird. Wie ist der Sachstand? Wir sind in der Feinplanung mit den Architekten, die Zuschusszusage vom Land steht. In der Mitte des Jahres soll der Baubeginn sein. Wir rechnen damit, dass der Neubau im Herbst 2018 bezogen werden kann. Doch aufgrund des baulichen Zustands des Gebäudes auf der Parkinsel soll es eine Zwischenlösung geben. Genau. Momentan wird in Maudach eine Katastrophenschutzhalle gebaut. Dort werden wir als Zwischenlösung die 40 Mann starke Freiwillige Feuerwehr Mitte stationieren müssen, weil im Gebäudebestand auf der Parkinsel inakzeptable Zustände herrschen. Eine Sanierung wäre so teuer gewesen, dass ein Neubau die wirtschaftlichere Lösung ist. Maudach ist auch der verkehrstechnisch bessere Standort. Außerdem sind dort Katastrophenschutz und Technisches Hilfswerk stationiert. Das ist ein großer Vorteil für die Zusammenarbeit bei großen Schadensfällen. Auch die Jugendfeuerwehr soll in Maudach unterkommen. Wie ist es um den Nachwuchs bestellt? Die Jugendfeuerwehr hat eine ganz wichtige Aufgabe. Jede Einheit der Freiwilligen Feuerwehr hat eine Jugendfeuerwehr. Es gibt also welche in Mitte, Oppau und Ruchheim. Das sind insgesamt so zwischen 30 und 45 junge Leute. Ab zehn Jahren kann man Jugendfeuerwehrmann werden. In anderen deutschen Städten gibt es schon eine Bambini-Feuerwehr ab sechs Jahren. In Ludwigshafen überlegen wir gerade, ob wir auch eine Bambini-Feuerwehr gründen. Ist das nicht ein bisschen jung? Bisher haben wir das nicht gemacht wegen versicherungsrechtlicher Fragen. Aber wir müssen das wohl machen. Mit zehn Jahren ist man eigentlich schon recht spät dran. Kinder sind in dem Alter schon auf etwas festgelegt. Sportvereine haben eine ähnliche Problematik wie die Feuerwehr. Wir müssen die Kinder früh abholen und für diese besondere Feuerwehrwelt faszinieren. Und wir hoffen natürlich, dass wir sie mit 16 Jahren dann übernehmen können in die Freiwillige Feuerwehr. Wie schwer ist es, hauptberufliche Feuerwehrleute zu finden? Noch bekommen wir auf dem Arbeitsmarkt die Einsatzkräfte für den mittleren Dienst, die wir brauchen. Aber die Frage ist: Wie lange noch? Der Markt an Facharbeitern ist ziemlich leer gefegt. Und der öffentliche Dienst hat mittlerweile weniger zu bieten als die Privatwirtschaft. Wie lange dauert es, Feuerwehrmann zu werden? Man braucht eine abgeschlossene Berufsausbildung, die in der Regel drei Jahre dauert. Dann kommt noch die zweijährige Feuerwehrausbildung hinzu. Das sind insgesamt fünf bis fünfeinhalb Jahre. Und in der Lehrzeit verdient man nicht unbedingt viel. Das ist ein Problem. Deswegen wird bundesweit überlegt, den Beruf Feuerwehrmann als Lehre anzubieten – ohne vorher eine Handwerkslehre gemacht zu haben. Bewerber können nach der Mittleren Reife verschiedene handwerkliche Grundmodule machen und dann das Feuerwehrgeschäft erlernen. Nach dreieinhalb Jahren erfolgt dann der Berufsabschluss, und man kann direkt als Berufsfeuerwehrmann arbeiten. Wann soll die Reform kommen? Es gibt Pilotprojekte in anderen Bundesländern. Ich bin sehr optimistisch, dass wir nächstes Jahr in Rheinland-Pfalz damit beginnen können. Es wäre sehr gut, wenn wir ein duales System aufbauen könnten: Weiterhin mit Leuten, die einen Handwerksberuf haben und dann zur Feuerwehr kommen. Und zusätzlich jüngeren Nachwuchs nach dem Schulabschluss rekrutieren. Ähnlich wie bei der Stadtverwaltung wird es in Zukunft auch bei der Feuerwehr zu einer Pensionierungswelle kommen. Sind Sie dafür gerüstet? Ab 2022 gehen bei uns 50 Prozent aller Führungskräfte in Ruhestand. Wir steuern jetzt schon dagegen mit Personalentwicklungskonzepten. Wir wollen vorübergehend zusätzliche Stellen schaffen, die nach der Pensionierung wegfallen. Dann können wir den Wissenstransfer gewährleisten. Ludwigshafen hat so viele Besonderheiten. Da kann man nicht einfach einen Feuerwehrmann aus Frankfurt zu einer Führungskraft in Ludwigshafen machen. Das würde nicht funktionieren. Warum nicht? Wegen der Besonderheiten der chemischen Industrie. Man muss hier wissen, welche Gefahrschwerpunkte vorhanden sind. Wir haben hier auch ganz andere Konzepte bei der Löschwasserversorgung. Bei den letzten Großbränden haben wir pro Minute zwischen 30.000 und 40.000 Litern Wasser eingesetzt. Das sind Mengen, davon sind auch große Feuerwehren wie in Hamburg beeindruckt. Wir haben das Wissen, die Technik und die Logistik dafür. Das muss man erst einmal lernen. Ein Feuerwehrmann in Ludwigshafen braucht ein Wissensspektrum, das in anderen Städten nicht erforderlich ist. Die Bezahlung eines städtischen Berufsfeuerwehrmanns ist schlechter als die eines Werkfeuerwehrmanns? Ja. Wir haben im Verhältnis zur Industrie kaum Anreize. Wegen des Gelds geht niemand zur Berufsfeuerwehr einer Stadt. Feuerwehrleute sind Idealisten. Man muss Menschen helfen wollen. Das treibt auch mich an. Und mein Job ist nicht langweilig, man weiß jeden Tag nicht, was einen erwartet. Gehen Sie noch mit raus als Feuerwehrchef? Generell ist jeder bei uns Feuerwehreinsatzbeamter. Das heißt, der Chef und auch sein Stellvertreter haben regelmäßig 24-Stunden-Dienst. Bei größeren Schadenslagen fahren wir vor Ort. Ich war zum Beispiel beim Lagerhallenbrand auf der Parkinsel oder bei der BASF-Explosion im Nordhafen vor Ort im Einsatz. Wir wollen den Kontakt zu unseren Leuten vor Ort haben – und natürlich sind wir immer noch Feuerwehrmänner und wollen raus und helfen. Sie spielen in Ihrer Freizeit Keyboard in einer Pop-Schlagerband, gehört da auch der Schlager „Feuer“ von Ireen Sheer in Ihr Repertoire? Nein. Das ist nicht so unsere Musik. Wir spielen Gaudi-Musik bei Festen. Unser Motto ist: immer Volldampf. Wir haben so 15 Auftritte im Jahr. Im April machen wir beim Ball der Iggelheimer Sängervereinigung Tanzmusik. Und bei der Kerwe im Sommer spielen wir immer bei der Böhler Feuerwehr. Das macht Spaß und ist ein Ausgleich zur Arbeit.

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