Ludwigshafen „Es geht mir um die melodische Seite des Groove“

Er ist bei Peter Gabriels „Sledgehammer“ und Stings „Englishman in New York“ zu hören, aber auch auf feinsten Jazzproduktionen. Manu Katché ist einer der meistgefragten Schlagzeuger der Gegenwart – jetzt ist er wieder mit eigener Band und eigener Musik unterwegs. Am Freitag spielt er mit seiner Band beim Festival Enjoy Jazz im Ludwigshafener Kulturzentrum Das Haus.

Manu Katché, Sie haben mit Peter Gabriel und Sting gespielt, mit Gloria Estefan und Jeff Beck, mit Jan Garbarek und Herbie Hancock. Spielen Sie so viele Stile oder wie geht das?

Das kann ich nicht erklären. Ich habe eine klassische Ausbildung und danach in Frankreich mit Mainstream-Rock und -Pop angefangen. Dann hat in den 1980er Jahren Peter Gabriel bei mir angerufen für sein Album „So“. Und dann haben alle anderen nach mir gefragt. Vermutlich habe ich einen Stil, der sehr anpassungsfähig ist – aber natürlich bringe ich auch immer etwas von mir mit. So bin ich halt. Wie ich bin und wie ich spiele, das hängt ganz eng zusammen. Das muss etwas Besonderes sein, denn diese Größen hätten auch jeden anderen Schlagzeuger bekommen. Klar – so Stars hätten auch Schlagzeuger bekommen, die besser spielen als ich. Aber diese Drummer gehen anders an Musik heran als ich. Ich versuche, in der Musik und für die Musik zu spielen – mir geht es nicht darum zu zeigen, was ich alles kann. Wenn Sie sich so in Musik hineindenken, muss wohl vor allem die Kommunikation und „die Chemie“ stimmen? Mit Peter (Gabriel) spiele ich immer wieder zusammen. Das letzte Mal waren wir auf Tour zum Jubiläum des „So“-Albums. Wir haben uns getroffen und sofort war der richtige Sound da. Was ich gespielt habe, war nicht mal besonders schwer – aber es war genau das, was zu seiner Musik passt. Und beeinflusst Ihr Spiel auch die Stars, die Sie holen? Ich glaube schon. Es ist gerade diese Wechselwirkung, die es interessant macht. Mit Joe Satriani habe ich ein Album gemacht, und es klingt anders, als das, was er sonst macht. Es klingt organischer, bluesiger – die anderen Aufnahmen macht er mit viel Studioarbeit und Overdubs, das klingt viel technischer. Die Aufnahmen unter Ihrem eigenen Namen sind eindeutig Jazz. Ist Jazz Leidenschaft und Pop/Rock Geschäft? Nein, auf keinen Fall! Und die Bezeichnung „Jazz“ mag ich auch nicht. Das klingt so abgestanden, obwohl Jazz eigentlich eine sich ständig entwickelnde Musik ist. Wenn ich meine eigene Musik mache, kommt eben eine andere Seite von mir zum Vorschein. Als Sideman habe ich andere Aufgaben – aber das heißt nicht, dass mir das weniger Spaß macht. Ich spiele auch heute sehr gern Rock und Pop. Ich finde die Übergänge fließend. Viele Sachen von Sting klingen sehr jazzig und werden als Pop verkauft. Sie haben mit Klavier angefangen. Hilft das heute beim Komponieren? Klavier war mein erstes Instrument und als Kind von zehn Jahren hatte ich damit meinen ersten Auftritt. Später als Schlagzeuger am Konservatorium hatte ich auch noch Unterricht, das gehört zur Ausbildung. Ich war zwar nicht der Klassenbeste in Harmonielehre und Kontrapunkt, aber ich habe viel gelernt. Und das hilft natürlich. Als Schlagzeuger kann man unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Groove, Präzision, Power – was ist für Sie am wichtigsten? Das Melodische – klingt jetzt komisch für einen Drummer, aber ich meine das wirklich. Anfangs war mir das noch nicht klar und da habe ich zuerst auf Groove und Puls der Musik geachtet. Aber mit der Zeit und mit den vielen Musikern, mit denen ich gespielt habe, hat sich das geändert. Ich wollte expressiver werden und melodischer klingen. Das geht auch, wenn man Toms und Becken auf unterschiedliche Art anschlägt. Ich glaube, das kommt auch von meiner klassischen Ausbildung als Schlagwerker mit melodischen Instrumenten wie Vibraphon. Heute versuche ich, innerhalb des Grooves seine melodische Seite zu entdecken. Das hört man bei Ihrem neuen Live-Album. Da sind viele Stücke mit dem Schwerpunkt Sound. Genau. Deshalb habe ich auch keinen Bassisten dabei. Aber eigentlich müssen doch Drummer und Bassisten ganz eng zusammenspielen, um den Groove zu machen? Es ist nicht so, dass ich Bassisten nicht mag – im Gegenteil! Aber ich wollte etwas ausprobieren, das mir mehr Freiraum lässt. Einem Bassisten muss ich immer folgen, und ein Bass nimmt auch viel Raum ein. Jetzt spielt Jim (Watson) das auf der Orgel mit, so dass ein Basssound da ist, aber viel Raum offen bleibt. Ich kann Sachen spielen, die sonst hinter einem Bassisten verschwinden würden. Schreiben Sie ihre eigenen Stücke am Klavier? Ja, da kann man genauer hören, als mit Keyboard oder Synthesizer. Meist habe ich eine Melodie im Kopf und arbeite das aus. Wenn ich Melodie und Harmonien habe, mache ich eine Version am Computer, fürs Schlagzeug nehme ich dann irgendwelche Loops. Die Version schicke ich an die anderen und die üben das. Abläufe und Form sind genau festgelegt. Ich mag übersichtliche Formen mit Intro, Verse, Bridge und so weiter. Vermutlich kommt das aus meiner Arbeit im Rock. Im Studio nehmen wir das relativ schnell auf, alle zusammen – ganz wie im Jazz eben. Und live? Das ist was anderes. Da muss ein Chorus für das Solo nicht nur aus 16 Takten bestehen. Da wird auch an den Stücken etwas geändert, etwa wenn wir beim Spielen merken, dass wir in andere Richtungen gehen können. Mit 130 Konzerten pro Jahr können wir das zusammen machen. Die Band klingt live natürlich immer besser. Da kommt auch noch die Reaktion der Zuhörer dazu, die auch inspiriert. Mir ist aufgefallen, dass Sie bei Ihren Konzerten die ganze Zeit strahlend lächeln. Sieht aus, als hätten Sie unglaublichen Spaß. Ja, den habe ich. Ich liebe es einfach, zu spielen. Für einen Musiker gibt es nichts Besseres, als vor Publikum zu spielen. Du spürst, dass die Leute die Musik aufnehmen und reagieren. Du spürst das, und es macht dich stärker und du spielst noch besser.

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