Ludwigshafen Der Mann für die Atmosphäre

Oliver Roggisch ist in der Handball-Nationalmannschaft sehr beliebt – nicht nur wegen seiner Tollpatschigkeit.
Oliver Roggisch ist in der Handball-Nationalmannschaft sehr beliebt – nicht nur wegen seiner Tollpatschigkeit.

«Hamburg.» Es war eine der ersten Kernbotschaften, die Christian Prokop versendete, nachdem klar war, dass er trotz der missratenen Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Kroatien im Amt bleiben würde. Der Handball-Bundestrainer „beförderte“ Oliver Roggisch. „Oli wird fortan auf der Bank sitzen, weil ich ihn gerne in meiner Nähe haben will. Außerdem hat er ein gutes Standing bei den Offiziellen und Schiedsrichtern und kann uns deshalb helfen“, sagte Prokop. Der Weltmeister von 2007, der seit ein paar Jahren als Team-Manager rund um die deutsche Nationalmannschaft fungiert, rückt seither auch nach außen hin sichtbar näher an die Mannschaft und das Trainerteam heran. Bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land fiebert auch er dem heutigen Halbfinale gegen Norwegen (20.30 Uhr/ARD) entgegen. Wenn sich die ganz große Erregung gelegt hat, kommt meist Oliver Roggisch ins Bild. In den Halbzeitpausen ist der 40-Jährige in den Interviews des übertragenden TV-Senders gefragt, muss eine Analyse abgeben und dem Zuschauer erklären, warum die deutschen Handballer bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land das gerade laufende Match gewinnen werden. „Oliver nimmt uns viel Arbeit ab, damit wir uns auf die wichtigen sportlichen Sachen fokussieren können“, sagte Prokop. Ein Teil dieser Arbeit sind eben die Halbzeit-Interviews, durch die Roggisch einem Millionen-Publikum ins Gedächtnis gerufen wird. Roggisch war ein Teil des Wintermärchens vor zwölf Jahren, als Deutschland im eigenen Land Weltmeister wurde. In einer anderen Rolle möchte er diesen Triumph gerne noch einmal erleben. Dafür wirkt er mit Interviews nach außen, viel mehr aber noch nach innen. Der einstige beinharte Abwehrspezialist ist innerhalb der deutschen Mannschaft für die gute Atmosphäre verantwortlich. Roggisch kümmert sich um die Akteure, die vielleicht gerade ein kleines mentales Tief haben. Aus dem Mannschaftskreis dringt immer wieder nach außen, welch wichtige Rolle Roggisch einnimmt. In sportlicher Hinsicht geben die Trainer den Ton an, im medizinischen Bereich sind die Physiotherapeuten und Ärzte da, aber in Sachen Stimmung ist der Team-Manager der Taktgeber. „Darum geht es nicht in erster Linie, denn ich muss mich auch um organisatorische Dinge kümmern“, sagt Roggisch. Manchmal lockert er die Atmosphäre aber auch einfach dadurch auf, weil er Kleinigkeiten vergisst – Roggisch ist intern für seine Tollpatschigkeit bekannt. Roggisch hat nicht überrascht, wie überwältigend der Empfang der deutschen Mannschaft in der Lanxess-Arena in Köln war. Beim 24:19-Erfolg zum Auftakt der Hauptrunde über Island genoss er die orkanartigen Jubelstürme, die über dem Team hereinbrachen. Er weiß, wie sich die Spieler gefühlt haben mussten, denn er stand vor zwölf Jahren selbst noch auf der „Platte“, als in Köln deutsche Handball-Geschichte geschrieben wurde. Beim WM-Erfolg 2007 war Roggisch der Abwehrchef, der „The Rogg“ genannt wurde, weil die Gegner nur schwerlich an ihm vorbeikamen, oder es nur unter Schmerzen schafften. „Das war der Höhepunkt meiner Karriere“, hat Roggisch mal gesagt, sich mit ähnlichen Aussagen im Vorfeld der Weltmeisterschaft aber zurückgehalten. Er wollte vermeiden, dass zu viele Vergleiche der aktuellen Mannschaft mit der gezogen werden, die vor zwölf Jahren Gold gewann. „Die Jungs hier sollen ihre eigene Geschichte schreiben“, erklärte er stattdessen. Der Fokus liegt auf der Gegenwart, in der die Akteure, das Trainerteam und Roggisch genug zu tun haben, um den Traum von einem neuen Siegeszug mit Leben zu füllen. Möglichst bis zum kommenden Montag, bis einen Tag nach dem WM-Finale, wird sich der Team-Manager noch mit voller Hingabe um die Belange der Nationalmannschaft kümmern, ehe er wieder in seine zweite Welt eintaucht. Bei Handball-Bundesligist Rhein-Neckar Löwen fungiert er seit dem Ende seiner aktiven Karriere zunächst als Co-Trainer und inzwischen als Sportlicher Leiter. In diesem Job war Roggisch zuletzt sehr erfolgreich und erlebte zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg mit. Diese Ausbeute soll möglichst ausgebaut werden, aber erst einmal steht die Heim-WM mit der DHB-Auswahl auf dem Programm. Als Spieler wurde Oliver Roggisch schon Weltmeister, jetzt würde er die Emotionen gerne noch einmal in seiner Rolle als Team-Manager des Nationalteams erleben. „Ich werde in jedem Fall alles dafür tun“, sagt er. Dazu gehört auch, TV-Interviews in den Halbzeitpausen geben.

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