Ludwigshafen Der „Bundes-Erich“

Ludwigshafen. Die sensationelle Nachricht las Erik Schmidt auf dem Parkplatz. Es war Anfang September. Der 22 Jahre alte Kreisläufer des Handball-Bundesligisten TSG Ludwigshafen-Friesenheim schlenderte nach dem Mannschaftstraining zu seinem Auto. Er rief dabei auf seinem Mobiltelefon seine E-Mails ab. Eine davon kam vom Deutschen Handballbund (DHB). Der Inhalt der Mail haute den 2,02 Meter langen Schmidt beinahe um. Es war eine Einladung zum sechstägigen Lehrgang der deutschen Nationalmannschaft nach Heilbronn. Der neue Bundestrainer Dagur Sigurdsson will Schmidt dabei haben. Denn er will dem Nationalteam ein neues Gesicht geben, die Mannschaft verjüngen – einen Neubeginn. Schmidt überzeugte. Er gehört nun dem 19-köpfigen Aufgebot für die Handball-Weltmeisterschaft in Katar an (15. Januar bis 1. Februar). Das bereitet sich seit 28. Dezember, just seit jenem Tag, an dem Schmidt 22 Jahre alt wurde, auf die WM vor. Vom 28. bis 30. Dezember hatte Bundestrainer Sigurdsson seinen Kader in Frankfurt/Main zusammen. Da legte er viel Wert auf Athletiktraining. Gestern flog das Team nach Island, wo es zwei Länderspiele bestreitet. Herr Sigurdsson, wie hat sich Erik Schmidt bislang im Kreis der Nationalmannschaft verkauft? Ganz gut. Er war zweimal für eine kurze Zeit bei uns. Wir halten sehr viel von ihm. Er hat großes Potenzial. Es liegt in seiner Hand, den nächsten Schritt zu machen. Er muss noch in allen Bereichen an sich arbeiten, aber jedes Bundesliga-Spiel tut ihm gut. Sie sagen es selbst, dass Erik Schmidt jedes Bundesliga-Spiel gut tun würde. Was wäre, wenn die TSG Friesenheim wieder in die zweite Liga absteigt? Müsste dann Schmidt zu einem Bundesligisten wechseln, um im Kreis der Nationalmannschaft zu bleiben? Die Liga wäre für mich kein Faktor der Entscheidung. Ich habe früher selbst in der zweiten Liga beim Bergischen HC gespielt und in der isländischen Nationalmannschaft. In der zweiten Liga gibt es gute Spieler. Sie haben Erik Schmidt schon vorige Saison in der zweiten Liga beobachten lassen. Warum? Ich war auf der Suche nach jungen Spielern mit Abwehrerfahrung. Da gab es ein paar Namen, auch der von Erik Schmidt. Wie stehen seine Chancen, bei der WM in Katar dabei zu sein? Das ist schwer zu sagen. Wir haben einige angeschlagene Spieler. Wir haben bis zur WM noch viele Testspiele. Erik hat gut trainiert. Die ganze Mannschaft hat bislang sehr gut mitgezogen. Wir haben keinen Stress bei der Nominierung des endgültigen Kaders. Alles ist offen. Für Erik Schmidt wäre es der Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn. Drei Spieler werden bis zum 15. Januar aus dem Aufgebot noch gestrichen. 2012 kam er vom Drittligisten TV Groß-Umstadt zur TSG Friesenheim. Der Durchbruch bei der TSG gelang dem Studenten der Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim vorige Saison. Kreisläufer Christian Klimek fiel für längere Zeit verletzt aus. Schmidt ersetzte ihn – und wie. Schmidt stieg mit der TSG in die Bundesliga auf. Erstmals spielt er in dieser Liga. Er gehört zu den Stammspielern im Team von TSG-Trainer Thomas König. Herr Schmidt, was hat sich für Sie verändert seit Sie Nationalspieler sind? Ich stehe stärker im Fokus. Andere Vereine und Spieler werden auf einen aufmerksam. Aber das was zählt, ist die Leistung auf dem Platz. Das ist gleich geblieben. Wenn Sie sagen, Sie sind in den Fokus anderer Vereine gerückt. Gibt es denn schon Anfragen? Es kommen Leute auf mich zu, die gerne mein Berater sein wollen. Ich bin aber froh, dass ich meinen Berater seit vielen Jahren schon habe. Er kennt mich, als ich in der dritten Liga geradeso geradeaus laufen konnte. Als Nationalspieler will man aber nicht unbedingt zweite Liga spielen. Sie haben aber noch einen Vertrag bis 2016 in Friesenheim. Wie sieht Ihre Zukunft aus? Klar will ich Bundesliga spielen. Aber ich zerbreche mir jetzt nicht den Kopf, was in ein bis zwei Jahren passiert. Wenn alles nach Plan läuft, bin ich 2016 mit meinem Studium fertig und dann endet ja auch mein Vertrag in Friesenheim. Wie waren die Reaktionen? In der Mannschaft musste ich mir den ein oder anderen Spruch anhören. Mein neuer Spitzname lautet jetzt Bundes-Erich. Aber bin der Mannschaft sehr dankbar, denn ohne sie wäre ich nicht berufen worden. In der Familie war jeder begeistert. Erik Schmidt kommt aus einer Familie, in der Sport immer eine große Rolle spielte. Seine Eltern gingen in Potsdam auf die Sportschule, sein Vater war erfolgreicher Ruderer und nahm an Welt- sowie Europameisterschaften teil. Er wäre auch 1988 zu den Olympischen Sommerspielen nach Seoul gefahren. Doch eine Rückenverletzung ließ es nicht zu. Erik Schmidt hat es also hautnah mitbekommen, was es bedeutet, Leistungssport und Beruf aufeinander abzustimmen. Denn vom Handball können nur ganz wenige Spieler gut leben. Überhaupt hat der deutsche Handball in einigen Punkten noch Aufholbedarf. Erik Schmidt hat nicht einmal Autogrammkarten bekommen vom DHB – bislang.

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