Ludwigshafen „Damit hätte ich nicht gerechnet“

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„Auch der Rhein ist vor Freude über die Ufer getreten und wir auch!“ hat Jan Schomburg bei seinem Besuch auf der Parkinsel gesagt. Der Regisseur und Lebensgefährte von Maria Schrader hat mit ihr das Drehbuch zu „Vor der Morgenröte“ verfasst. Umso größer dürfte jetzt die Freude sein, da Schraders Regiedebüt mit dem Filmkunstpreis des zwölften Festivals des deutschen Films ausgezeichnet worden ist. Froh ist auch Festivaldirektor Michael Kötz über den erneuten Anstieg der Besucherzahl auf 112.000 Gäste.

„Vor der Morgenröte“ erzählt vier Episoden aus dem Leben des jüdischen Schriftstellers Stefan Zweig („Die Schachnovelle“), der 1934 seine Heimat Österreich verließ, um nach Amerika zu fliehen. Der damals renommierte Autor, im Film gespielt von Josef Hader, lebte in den USA und Brasilien. Maria Schraders Film erzählt vier Episoden aus Zweigs Leben im Exil. Die Jury, bestehend aus Schauspielerin Caroline Eichhorn, Filmproduzent Ralf Schwingel und Francine Brücher, die ehemalige Repräsentantin des Schweizer Films bei „Swiss Films Zürich“, lobten „Vor der Morgenröte“ als eine kraftvolle Erzählung, „die uns die Fülle des historischen Augenblicks, seinen Schmerz und seine Wahrheit zugänglich macht.“ Maria Schrader, die nur wenige Tage zuvor auf der Parkinsel gewesen war, wurde über Skype zugeschaltet: „Ich bin so aufgeregt, damit hätte ich nicht gerechnet“, sagte sie freudestrahlend. Gerne wäre sie erneut nach Ludwigshafen gekommen, betonte sie, aber es gebe einen guten Grund, weshalb sie nicht da sein könne: Ihre Tochter hat gerade Abitur gemacht, und zur Feier dieses Anlasses war Maria Schraders Freundin, die Schauspielerin Juliane Köhler, mit ihrer Tochter angereist. Beide Frauen mieteten ein Kino, um ihren Töchtern erstmals den Film zu zeigen, der beide im Jahr 1999 berühmt gemacht hat: „Aimee & Jaguar“. „Das konnte ich nicht absagen. Ich bedanke mich aber ganz herzlich.“ Der Filmkunstpreis ist mit 50.000 Euro dotiert. Das Preisgeld wird aufgeteilt: 10.000 Euro gehen an die Regie und weitere 10.000 Euro an den Hauptproduzenten. Der Gewinner des Filmkunstpreises hat ein Anrecht auf die Verleihförderung in Höhe von 30.000 Euro, um den Film in die Kinos zu bringen. Dies ist bei „Vor der Morgenröte“ jedoch bereits der Fall. Der Publikumspreis ging dieses Jahr an zwei Filme. „Es gab einen Unterschied von 0,02 Prozent“, erklärte Festivaldirektor Michael Kötz. „Deshalb haben wir beschlossen, dass beide Filme gewinnen.“ Publikumslieblinge des Festivals sind „Jonathan“ von Piotr J. Lewandowski und „Der Äthiopier“ von Tim Trageser. Das Preisgeld von 10.000 Euro, gestiftet vom Förderverein des Filmfestivals, wird unter den beiden Regisseuren aufgeteilt. „Ich bin sprachlos, und ich zittere“, sagte Piotr J. Lewandowski, als er seinen Preis entgegennahm. „Vielen Dank, dass ich hier sein durfte, Ihr seid ein phänomenales Publikum.“ Im Oktober kommt sein Film über einen jungen Bauernsohn, der seinen krebskranken Vater pflegen muss und herausfindet, dass dieser zeitlebens seine Homosexualität geheim gehalten hat, in die Kinos. Tim Trageser, in dessen Film Jürgen Vogel einen Bankräuber spielt, der in Äthiopien ein neues Leben beginnt, dankte ebenfalls dem Publikum: „Es ist der schönste Preis, weil es der ehrlichste ist. Ich bin froh, dass ich die Herzen der Menschen erreicht habe.“ Dann verriet er, wie er sein Preisgeld ausgeben will: „Ich fliege nach Addis Abeba zu meiner Frau, ich habe sie schon viel zu lange nicht gesehen. Dort werde ich mit dem Geld eine Filmpremiere organisieren, damit all die wunderbaren Menschen, die in Äthiopien an dem Film mitgewirkt haben, ihn auch sehen können.“ Michael Kötz’ Bilanz zum Festival fiel positiv aus, denn weder Kälte, noch Regen, noch Hochwasser hatten es geschafft, die Menschen von der Parkinsel fernzuhalten. 112.000 Gäste kamen zum zwölften Festival des deutschen Films – eine weitere Steigerung. „Trotz bescheidenem Wetter und Fußball-EM hatten wir volle Kinozelte.“ Auch der Glamour-Faktor ist angestiegen: 50 Schauspieler und 50 Regisseure wurden – zum Teil unter großem Medienrummel – am roten Teppich empfangen. Kultur

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