Ludwigshafen Blick in die Künstlerseele

Es ist die weltweit allererste Ausstellung des Fotografen Norman Seeff und schlichtweg eine Sensation. Zu sehen sind Porträts von Musikern und Künstlern der 1960er bis 1980er Jahre, die Popstars dieser bewegten Zeit von Andy Warhol und Frank Zappa bis Ray Charles und den Rolling Stones. Wie kaum ein anderer Fotograf ist Norman Seeff dabei den Menschen vor seiner Kamera nah gekommen.

Seine Fotos haben wir alle schon gesehen, sie waren auf Plattencovers und den Titelseiten von Musikmagazinen abgedruckt, einige sind zu Ikonen der Popmusik geworden. Aber der Fotograf selbst blieb in der Öffentlichkeit unsichtbar, legte keinen Wert auf Ausstellungen, gab sich zufrieden mit der Freundschaft der Stars, die sich bei seinen Fotosessions wohlfühlten und in ihrem Wesen erkannt. Der heute 75-Jährige ist in Südafrika geboren, war ein erfolgreicher Footballspieler, studierte Medizin und arbeitete in einem Krankenhaus. Nebenbei war er auch künstlerisch aktiv und bewegte sich nächtelang in der Boheme von Johannesburg. Als die Repressalien des Apartheidstaates zunahmen, verließ er 1968 seine Heimat, gelangte über London nach New York. 29 Jahre war damals alt und hatte für seinen Neuanfang nur eine mickrige Künstlermappe und eine Kleinbildkamera. Dann hatte Norman Seeff Glück. Bei seinen Streifzügen bekam er Kontakt zur jungen Kunstszene, zu Patti Smith und Robert Mapplethorpe, die er in der Küche eines befreundeten Paares fotografierte, zu Andy Warhol, der mit seiner Factory-Clique auf einem Plüschsofa posierte. Immer versuchte Seeff die Menschen an den Orten zu fotografieren, wo sie lebten oder arbeiteten, er wollte sie kennenlernen, ihnen näher kommen. So war das auch bei seinem ersten bezahlten Job, den er fast vermasselt hätte, weil er drei Stunden zu spät zum Fototermin nach Woodstock kam. The Band wartete da auf ihn, schon reichlich prominent damals und entsprechend angepisst. Die Session lief nicht besonders, erinnert sich Seeff, nur ein Foto entsprach halbwegs seinen Vorstellungen. Die fünf Musiker sitzen und stehen im Raum verteilt, blicken recht grimmig in die Kamera und strahlen eine geheimnisumwitterte Lässigkeit aus. Den Musikern gefiel das Foto so gut, dass sie es nicht bloß auf dem Cover der Platte verwendeten, sondern dieser auch noch als Poster beilegten. Danach waren die Porträts von Norman Seeff gefragt und der stieg innerhalb von zwei Jahren zum Art Director von United Artists auf. Dann wollten ihn die Rolling Stones für ihr Album „Exile on Main St.“, die waren aber bei Atlantic Records unter Vertrag. Seeff ließ sich die Session genehmigen, fotografierte Mick Jagger und Co. auf einem eigens gebauten Set, der so etwas wie eine Schiffsanlegestelle sein sollte. In der Ausstellung kann man drei Dutzend Abzüge bewundern, das am Ende ausgewählte Foto zeigt Jagger erschöpft auf einer nebelumwaberten Kiste, einen Gitarrenkoffer und ein Foto mit Hund zwischen den Beinen. Seeff machte nun auf eigene Rechnung weiter, richtete auf dem Sunset Strip in Los Angeles ein Studio ein. Wenn er die Musiker nicht in ihrer eigenen Umgebung fotografierte wie Van Morrison (mit Hund), Chaka Khan (im Bett) oder Joni Mitchell (im Auto), dann holte er sie in dieses Studio, wo ein vom Fotografen inszeniertes Spiel begann. Das hatte nur das eine Ziel, nämlich die Besucher locker zu bekommen und einen Kamerablick in ihre Seele zu erhaschen. „Fotografie hat nichts mit Technik zu tun, sondern mit Intimität“, sagt Seeff, „mit der Beziehung des Fotografen zu den Fotografierten“. Dies ist die besondere Kunst dieses schmächtigen Mannes mit dem freundlichen Blick und den zotteligen Haaren, der zu seinen Bildern so wunderbare Geschichten erzählen kann. Alle hat er sie locker gemacht: Den eitlen Macho Frank Zappa, der mit Fluppe, offenem Jeanshemd und von einem Ventilator verwirbelter Haarmähne den coolen Spaßvogel spielt. John Belushi und Dan Aykroyd, die ohne Band und ohne Publikum eine wilde Blues-Brothers-Show hinlegen. Oder Ike Turner mit modischem Anzug und fetter Krawatte, der den blasierten Stenz gibt und sexy Tina schön im Hintergrund hält. Aber nicht nur Musiker aus Pop, Rock, Jazz und Blues hat Seeff fotografiert. Filmregisseur John Huston hat seinen Charakterschädel in Denkerpose zwischen die klobigen Hände gezwängt, Hugh Hefner hat sich zum Seidenpyjama eine Pfeife ins entschlossene Gesicht gesteckt, und Steve Jobs sitzt in seiner großen leeren Wohnung auf dem Fußboden und hat seinen ersten Apple-Computer wie ein Baby auf dem Schoß. 1984 ist die Aufnahme entstanden, Jobs sieht sehr glücklich aus. Zur Bildästhetik von Norman Seeff gehört unbedingt, dass man immer auch ein bisschen sieht, wie hier gearbeitet wurde. Da stehen Ventilatoren herum, Sprühflaschen sind im Einsatz, Mikrofone ragen ins Bild. Irgendwann hat Seeff seine Sessions mit einer Filmkamera aufnehmen lassen, hat damit ganz nebenbei den Videoclip erfunden. Das Zeug landete aber nicht im Fernsehen, sondern im Archiv. Viele Stunden toller Musik sind da noch zu entdecken, ein paar Ausschnitte sind in der Ausstellung zu sehen. Deren 150 unbedingt sehenswerte Porträts kommen zur Hälfte aus einer privaten Sammlung, der Rest direkt aus dem Archiv des Fotografen. Thomas Schirmböck, der Leiter von Zephyr, hat sich sechs Jahre lang um diese Ausstellung bemüht. Es hat sich gelohnt.

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