Ludwigshafen „Bin einer, der sich schnell langweilt“

Jürgen von der Lippe ist berühmt-berüchtigt für Wortwitz, Schlagfertigkeit und Humor, der von subtiler Ironie bis derben Krachern alle Register zieht. Lieber noch als im Fernsehen ist der Komiker auf der Bühne aktiv. Am Freitag, 14. November, 20 Uhr, tritt er mit seinem neuen Programm „Was soll ich sagen?“ im Ludwigshafener Pfalzbau auf.

Jürgen von der Lippe, Sie schreiben Bücher, halten Lesungen, nehmen Hörbücher auf, moderieren, treten mit Soloprogrammen auf – was treibt Sie zu so viel Arbeit an?

Der Spaß! Ich stöhne lieber über zu viel, als über gar keine Belastung. So ein altes Zirkuspferd wie ich hat eben mehr Trieb zur Selbstdarstellung als der Normalmensch. Dazu kommt eine riesige Neugier auf alles, was mit Unterhaltung zu tun hat. Ich bin auch jemand, der sich schnell langweilt. Und wie erholen Sie sich? Ich erhole mich bei der einen Tätigkeit von der anderen. Schreiben Sie denn Ihre Programme ganz alleine? Die Sprechtexte mache ich alle selber, bei den Liedern habe ich verschiedene Autoren, mit denen ich zusammenarbeite. Mit Liedern zur Gitarre hat Ihre Karriere angefangen? Das fing als Liebhaberei an und ging so richtig los, als ich während meines Studiums nach Berlin ging. Da habe ich mich in die Clubszene verliebt. Uns so habe ich mit 20 Minuten Programm und ein paar Liedern von Ulrich Roski und Gedichtvertonungen von Erich Kästner, Heinz Erhardt und Joachim Ringelnatz angefangen. Tagsüber Student, abends Künstler? Das wurde zur Dreifach-Belastung: Ich habe Germanistik und Philosophie studiert – und zwar wirklich studiert! Dann habe ich noch als Deutschlehrer für ausländische Studenten gearbeitet. Und als es mit den Auftritten immer mehr wurde, habe ich auch dafür immer mehr gearbeitet. Ich habe für Zeitungen geschrieben und Hörfunk gemacht, dann kamen die Gebrüder Blattschuss, und so nach und nach fing ich an, mir ein Publikum zu erobern. Kann man sagen, Sie gehören zur Gründer-Generation der Comedy in Deutschland? Es gab damals im Fernsehen nur ein paar Kabarettisten, es gab Ulrich Roski, Insterburg & Co., Schobert & Black – und dann kam Otto wie eine Naturgewalt. Stand-up-Comedy war zu der Zeit in den USA schon etabliert. Gab es da Einflüsse für Sie? Otto war der Erste, der auch nach Amerika geguckt hat. Wir hatten in den 1980er Jahren ja noch die amerikanischen Streitkräfte hier. Also habe ich mir eine Spezialantenne aufs Dach montiert und amerikanisches und britisches Fernsehen geschaut. Ich war auch ein paar Mal in Amerika in Clubs, habe dort Platten gekauft – ich glaube, jeder Komiker wurde von dieser Szene beeinflusst und jeder hat dort was geklaut. Ich habe bei Ihren Bühnenauftritten den Eindruck, dass sie sehr präzise arbeiten und genau wissen, was sie tun... Naja, nach 40 Jahren ist das nicht so verwunderlich. Was hat sich denn in diesen 40 Jahren verändert? Das Publikum wird geschulter. Ansonsten sind wir in Sachen Komik immer noch am Aufholen. Die Nazis haben ja den ganzen jüdischen Humor, den es bei uns gab, ausgerottet. Es gab einen neuen Schub, als das Privatfernsehen Comedy als Geldquelle entdeckt hat. Dadurch haben sich mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Komiker und Gagschreiber ergeben. Früher waren es drei Leute, die sich die Samstagabend-Unterhaltung geteilt haben, mittlerweile gibt es Hunderte gute Autoren. Inzwischen kann unsere Szene sich sehen lassen, ich glaube, sie ist vielfältiger als die amerikanische. Bei uns gibt es mehr unterschiedliche Typen und Stile. Aber das Ende der Entwicklung wird erst erreicht sein, wenn jede mittlere Stadt einen Comedy-Club hat. Und dann wird hoffentlich Comedy als Kunstform anerkannt. Wird Comedy hierzulande unterschätzt? Es gibt eine Schere zwischen Inanspruchnahme und Wertschätzung. Es ist nicht so, dass die Deutschen weniger Bedürfnis nach Komik hätten. Aber Komiker werden anders angesehen. In England habe ich in einer Hotelbar Fotos von Komikern gesehen, die ich kannte. Ich sagte: „ach, Russ Abbot war hier“ und der Barkeeper sagte mit tiefer Ehrfurcht: „ja – und er ist ein wirklich lustiger Mensch.“ Das ist etwas anderes als in Deutschland, wo Komiker noch bis vor kurzem als „Blödler“ bezeichnet wurden. Hierzulande trennt man ja auch noch zwischen „Hochkultur“ und trivialer „Massenkultur“. Ja, das kommt bei uns aus der Musik, wo man „ernste Musik“ und „Unterhaltungsmusik“ unterscheidet. Das setzt sich in andere Bereiche fort. Die Amerikaner haben das Problem nicht, die zählen auch Mickey Mouse zu ihrer Kultur. Bei uns macht man Unterscheidungen, um sich abzugrenzen von der Masse. Fühlen Sie sich als Künstler unterschätzt? Nö – das kann ich wirklich nicht sagen. Mit zunehmendem Alter werde ich sehr höflich und zuvorkommend behandelt, auch vom Feuilleton. Es gibt einige neue Sachen in Ihrem aktuellen Programm? Zum ersten Mal hole ich mir Leute auf die Bühne. Es gibt in der ersten Hälfte Wortspiele – nichts, was besonderes Wissen erfordert. Damit werde ich auch improvisieren, und das hat bisher schon viel Spaß gemacht. Im zweiten Teil mache ich ein Musik-Quiz. Ich werde Gassenhauer auf dem Saxophon spielen, die die Leute erraten sollen. Also wird viel aus dem Moment und der Interaktion mit Leuten entstehen? Ja – das macht Riesenspaß, und ich habe gemerkt, dass mich das total frisch hält! Es gibt keine Routine. Das gibt mir dann auch für das Stand-up-Programm, das auch dazu gehört, ein ganz besonderes Feuer.

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