Mannheim Ausstellung erinnert an den Rassismus des NS-Regimes

Angeregt hat die Ausstellung die Europa-Abgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana (links). Bei der Eröffnung traf sie auf Rolande
Angeregt hat die Ausstellung die Europa-Abgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana (links). Bei der Eröffnung traf sie auf Rolande Haun, die zweite Vorsitzende der Black Academy.

Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus macht der Landesverband deutscher Sinti und Roma in Mannheim auf Minderheiten aufmerksam, die unter der Nazi-Barbarei zu leiden hatten. Er rückte schon die Insassen von Heil- und Pflegeanstalten und die Zeugen Jehovas in den Blick. Nun zeigt er eine Ausstellung, die schon im Europaparlament zu sehen war: Sie erinnert an schwarze Menschen im Nationalsozialismus.

Unter den Filmdokumenten der Olympischen Spiele 1936 in Berlin ist eine der eindrücklichsten Szenen die, in der Adolf Hitler wutentbrannt aufspringt und eiligst die Tribüne verlässt. Nach dem Willen „des Führers“ sollten die Wettkämpfe der Weltöffentlichkeit nämlich nicht nur ein starkes, sauberes, ordentliches Deutschland präsentieren, sondern vor allem die Überlegenheit der „arischen Rasse“ vor Augen führen. Und nun rief die Zuschauermenge nicht nur „Sieg Heil“, sondern feierte auch noch einen schwarzen US-Amerikaner, den vierfachen Goldmedaillen-Gewinner im 100-, 200-, Vier-mal-100-Meterlauf und im Weitsprung: Jesse Owens. Damit nicht genug, umarmte der anfangs führende deutsche Weitspringer Carl Ludwig „Luz“ Loy auch noch seinen schwarzen Konkurrenten und beglückwünschte ihn zu seinem Sieg. Nie wieder solle er einen Schwarzen umarmen, wurde der deutsche Leichtathlet daraufhin „von höchster Stelle“ gewarnt, wie die Mutter des 1943 auf Sizilien gefallenen Loy nach dem Krieg erzählte.

Dass Rassismus zeitlich und räumlich keineswegs auf Hitler-Deutschland beschränkt bleibt, davon legte schon der damalige IOC-Präsident Avery Brundage beredtes Zeugnis ab. Als Bedenken gegen den Austragungsort Deutschland aufgrund der Ausgrenzung von Juden laut geworden waren, hatte der US-Amerikaner 1934 dem Land einen Besuch abgestattet und dem Nazi-Regime ein Unbedenklichkeitsattest ausgestellt. Sein Urteil begründete Brundage unter anderem mit der beachtlichen Bemerkung: Schließlich seien Juden und Afroamerikaner ja auch in seinem Sportverein in Chicago unerwünscht.

Schwarze Opfer kaum beachtet

Um die schöne „Nebensache“ Sport und die Diskriminierung Schwarzer geht es in der Ausstellung im Mannheimer Kulturhaus der Sinti und Roma namens RomnoKher freilich weniger. Vielmehr ist hier grundsätzlicher deren Verfolgung und Ermordung durch Nazi-Deutschland das Thema. Gegenüber der monströsen Zahl arbeitsteilig und fabrikmäßig in den Vernichtungslagern ermordeter Juden, selbst gegenüber den vielen im Räderwerk des Grauens umgekommenen Sinti und Roma stellen die schwarzen Menschen eine vergleichsweise kleine Gruppe dar. Wohl daher wird sie meist kaum beachtet. Erst seit den 1990er-Jahren gibt es überhaupt ein Interesse an ihrem Schicksal. Stellvertretend für die schätzungsweise 3000 in Europa während der NS-Diktatur auch in den besetzten Ländern ermordeten Schwarzen bringen in der Ausstellung elf Biografien deren Schicksal nahe. Die Schau geht auf die Abgeordnete im Europaparlament Pierrette Herzberger-Fofana zurück und ist das Ergebnis 20-jähriger Forschungen. Im April vergangenen Jahres war sie unter dem Titel „Die vergessenen Opfer des Holocaust“ schon im EU-Parlament in Straßburg zu sehen.

Ganz unterschiedliche Schicksale

Die einzelnen Lebens- und Leidenswege sind sehr unterschiedlich. Da ist etwa der 24-jährige Hilarius Gilges, der als Kommunist gleich nach der Machtergreifung umgebracht wurde. Und da ist zum anderen der gebürtige Erfurter Gert Schramm, der das KZ Buchenwald überlebte und nach dem Krieg von seinen Erlebnissen als Zeitzeuge in Schulen berichtete. Buchenwald dagegen nicht überlebt hat Raphael Élizé, ein Tierarzt und bis zur Besetzung Frankreichs dort Bürgermeister eines kleinen Ortes. Wie Élizé war der 1993 gestorbene und im KZ Dachau internierte Belgier Jean Vosté im Widerstand, ebenso der im Senegal geborene und 2003 verstorbene Dominique Amigou Mendy, der das KZ Neuengamme überlebte.

Der Südafrikaner Hagar Martin Brown kam als Diener einer Adelsfamilie nach Deutschland und starb 1940, nachdem er medizinischen Experimenten unterzogen worden war. Martha Ndumbe, Tochter einer Hamburgerin und eines Vaters aus Kamerun, wurde als „Langzeitarbeitslose“ kriminalisiert und kam 1945 im Konzentrationslager Ravensbrück ums Leben. Bayume Mohamed Husen musste schon in Tansania den deutschen Kolonialherren als Kindersoldat dienen, wurde in Berlin Universitätslektor, spielte in etlichen deutschen Propagandafilmen mit, war mit einer Deutschen verheiratet und kam nach einer Affäre mit einer deutschen Frau ins KZ Sachsenhausen, wo er 1944 zugrundeging.

Hans-Jürgen Massaquoi hielt sich mit seiner Mutter vor den Nazischergen versteckt, emigrierte nach dem Krieg erst nach Liberia, dann in die USA und hinterließ eine Autobiografie mit dem Titel „N****, N****, Schornsteinfeger“. Theodor Wonja Michael musste nach dem Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit als Komparse in Propagandafilmen mitspielen, bis er als Zwangsarbeiter interniert und von der Roten Armee befreit wurde. In der Bundesrepublik brachte er es über den zweiten Bildungsweg bis zum Diplom-Volkswirt und Regierungsdirektor beim Bundesnachrichtendienst.

Eine der letzten Zeitzeuginnen

Die einzige heute noch lebende Zeitzeugin ist die 1930 geborene Marie Nejar, auch als Schlagersängerin Leila Negra bekannt. Ihre Mutter wurde von ihrer großbürgerlichen Hamburger Familie verstoßen, als sie einen ghanaischen Schiffssteward heiratete. Als Jugendliche spielte Marie Nejar in rassistischen Propagandafilmen mit, und nachdem ihr die Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, musste sie Zwangsarbeit in einer Keksfabrik leisten. In der Bundesrepublik machte sie sich in den 50er-Jahren unter dem Namen Leila Negra einen Namen als Schlagersängerin („Die süßesten Früchte“ mit Peter Alexander und „Zwölf kleine N****lein“). Später arbeitete sie als Krankenschwester. Erst 1990 erhielt sie auf ihren eigenen Antrag hin und gegen Zahlung eines Geldbetrags die deutsche Staatsbürgerschaft wieder. Ihre Erinnerungen an die Nazizeit haben den Buchtitel „Mach nicht so traurige Augen, weil du ein N****lein bist“.

Ausführliche Lebensläufe nebst einem Foto erwarten die Besucher der Ausstellung auf großen Tafeln.

Die Ausstellung

„Schwarze Menschen als Opfer des Nationalsozialismus“, bis Donnerstag, 22. Februar, im RomnoKher, dem Kulturhaus des Verbands der Sinti und Roma Baden-Württemberg, in Mannheim, B 7,16. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag, 9.30-12 und 14-16.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Im Netz: www.sinti-roma.com

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