Ludwigshafen Alles wie immer

„Rock Anthems“, „Music“ oder – wie das aktuelle, mit dem er am Montag in der SAP-Arena in Mannheim gastiert hat – „Classic Revolution“ heißen seine Programme. Aber wie auch immer der Titel lautet, am Ende ist bei David Garrett stets das Gleiche drin: eine spektakuläre Show mit Band und Orchester, in der er bekannte Klassik- und Popstücke auf der Geige spielt. Vor einem Publikum, das restlos begeistert ist.

Eigentlich, erzählte David Garrett bei seinem Mannheimer Auftritt, habe er diesmal mit einem „Best of“-Programm auf Tournee gehen wollen. Aber dann sei ihm klargeworden, dass er immer noch so viele Ideen habe, weshalb er doch noch mal ein neues Crossover-Programm zusammengestellt hat. Charmant ausgedrückt. So hätte er es auch formulieren können: Er hat gemerkt, dass sein Konzept immer noch für ausreichend Ticketverkäufe gut ist. Und dass er das Eisen noch ein paar Jahre schmieden kann, bis es nicht mehr glüht. Ein paar erste Anzeichen für ein langsames Erlischen von Garretts Sterns gab es schon. Vordergründig konnte man das an den Lücken in der bei Weitem nicht mehr ausverkauften Arena festmachen. Zuhörer, für die der Besuch der Show schon der dritte war, konnten auch feststellen: Es ist irgendwie immer das Gleiche, was einem geboten wird: eine Mischung aus gefälligen Hits, mitunter etwas lahmen Anekdoten aus Garretts glamourösem Leben, vielen Fotos von ihm, Tanz, Lasershow, Goldkonfettiregen. Die Stradivari kann Funken sprühen? Der Geiger schwebt nach der Ouvertüre – natürlich Richard Strauß’ „Also sprach Zarathustra“ – über die Köpfe der Zuhörer hinweg auf die Bühne? Genau so hatte man das auch erwartet. Was mitnichten eine Kritik an der musikalischen Leistung David Garretts sein soll. Dass der 34-Jährige ein exzellenter Geiger ist – geschenkt. Der Rest aber ist das Ergebnis geschickten Marketings: Die langen Haare hatte er wie stets zum scheinbar nachlässigen Knoten zusammengewuschelt, die sorgfältig ausgesuchten Klamotten samt Silberschmuck sollten wirken, als habe er sich einfach irgendwas übergeworfen, um auf die Bühne zu gehen, und in der Hektik auch noch vergessen, sich die Schuhe zuzubinden. Mit seinem ziemlich ansehnlichen Äußeren schafft er es, im Gegensatz zum gut 30 Jahre älteren André Rieu zum Beispiel, auch junge Frauen zu begeistern. Wie Lisa aus Darmstadt, die er auf die Bühne holte, um „Your Song“ nur für sie zu spielen und ihr am Ende noch ein Küsschen auf die Wange zu drücken. Zeit für Zwischentöne blieb da nicht. Von der ersten Note von „Let me entertain you“ bis zum letzten Ton von „Always on my Mind“ erfüllte Garretts von der Neuen Philharmonie Frankfurt begleitete Show sämtliche Kriterien einer perfekten Inszenierung: Die Tänzerinnen des Deutschen Fernsehballetts räkelten sich lasziv zu „Livin’ on a Prayer“ frei nach Bon Jovi, hüpften in roten Kleidern zu „Baila Me“ von den Gipsy Kings herum, schwenkten schwarz-rot-goldene Fahnen zu „We are the Champions“ und sahen bei Garretts „Babuschka“-Interpretation aus, wie man sich Stewardessen der russischen Fluggesellschaft Aeroflot vorstellt. Als kleines Zugeständnis ans ernste Fach gab es dazwischen noch „Lacrimosa“ aus Mozarts „Requiem“, Beethovens „Pathetique“-Sonate und Orffs „Carmina Burana“ zu einer ausgefeilten Lasershow. Und ein bisschen Coldplay, Michael Jackson und Nirvana. Was Kurt Cobain nicht gewollt haben kann. Relativ große Angst scheint David Garrett davor zu haben, man könnte ihn noch immer für den David Bongartz aus Aachen halten, der er vor seiner internationalen Karriere war. Jedenfalls betonte er ein wenig zu oft, in New York zu leben und untermauerte die Geschichten darüber mit dem nun doch etwas ausgelutschten „New York, New York“. Einmal gab er auch einen kleinen Blick in sein Privatleben: Er blendete eine SMS seiner Mutter ein, geschrieben aus seiner New Yorker Wohnung an den gerade in Asien tourenden Sohn: Sie habe seinen Kühlschrank saubergemacht und die vor über einem Jahr abgelaufene Butter entsorgt. „Ich mache mir Sorgen“, schreibt die offenbar auf Ordnung bedachte Dame. Etwas mehr Einblick gewährte David Garrett in eine bisher noch nicht ganz so bekannte Seite: Er kann nicht nur Hits anderer für die Geige arrangieren – er komponiert auch selbst. Und diese Stücke, davon eins geschrieben für den italienischen Tenor Andrea Bocelli, gehörten zu den schönsten des Abends. Wenn er an der Stelle weitermacht, wird man sich um die Zukunft des Geigers keine Sorgen machen müssen.

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