Ludwigshafen „90 Sekunden Vorwarnzeit“

Herr Eicher, „Krieg im Heiligen Land“ titelte die RHEINPFALZ, als Sie nach Israel abgeflogen sind – mit welchen Gefühlen sind Sie gestartet?

Es waren schon gemischte Gefühle. Ich war zuvor schon fünfmal in Israel. Bei der einen oder anderen Reise gab es vorher auch schon Konflikte, und ich habe die Erfahrung, dass Konflikte in der Regel acht oder 14 Tagen dauern. Jetzt war das gerade mittendrin und alle Leute haben versucht, uns davon abzuraten. Aber ich habe auch daran gedacht, dass sieben Millionen Menschen in Israel leben und auch dieser Situation ausgesetzt sind. Außerdem weiß ich, dass der israelische Zivilschutz sehr gut organisiert ist. Haben Sie besondere Reisevorbereitungen getroffen? Ich habe mich informiert, wie ich mich zu verhalten habe, wenn ein Raketenalarm ist. Man geht in die Häuser in die geschützten Räume. Wenn keine Schutzräume da sind, ist das das Treppenhaus, also weit weg von den Fenstern und den Außenmauern. Außerdem haben wir uns dieses Mal bei der Deutschen Botschaft in Israel registriert. Welche Auswirkungen des Militärkonflikts haben Sie mitbekommen? Beim Hinflug gab es eine Zwischenlandung in Athen, um die Crew auszutauschen. Die Fluggesellschaft wollte der Crew nicht zumuten, in Tel Aviv zu übernachten. Da kommt man schon ins Nachdenken. Als wir dann in Tel Aviv angekommen sind, war alles relativ normal, außer dass wir am Flughafen überall Schilder mit der Aufschrift „Schutzraum“ gesehen haben. Haben Sie einen Luftalarm erlebt? Ja, in Tel Aviv waren wir auf dem Rückweg zum Hotel, als plötzlich die Sirene losging. Zuerst waren wir sehr erschrocken. Aber die Leute gingen ganz ruhig in die Schutzräume – ohne Hektik, ohne Panik. Das war etwas, das sie in den letzten Tagen ständig mitgemacht haben. Ich habe die ganze Situation als skurril und unwirklich empfunden, weil ich die Situation eigentlich nur aus dem Film kenne. Und plötzlich bist du mittendrin. Dann macht es zweimal „Bumm“. Das ist ein meist Zeichen dafür, dass die Raketenabwehr die Rakete abgefangen hat. Oder sie ist doch irgendwo eingeschlagen, das weiß man ja nie. Und nach dem „Bumm“ gehen die Leute wieder raus auf die Straße. Ich dachte, wenn ich jetzt rausgehe, sind alle paralysiert, aber das Leben ging gerade so weiter. Es war, als wenn das Leben kurz eingefroren war. Wie lange hat man Zeit, um in den Schutzraum zu gelangen? Tel Aviv ist eine Stadt mit 90 Sekunden Vorwarnzeit. Anders sieht es direkt am Gazastreifen aus, da beträgt die Vorwarnzeit nur 15 Sekunden. Wie wirkt sich der Krieg nach Ihrer Einschätzung auf den Alltag aus? Im Vergleich zu anderen Reisen kam mir Tel Aviv, eine sehr pulsierende Stadt, gedämpfter, ruhiger vor, aber ziemlich normal. Die ersten zwei Tage waren wir am Toten Meer. Da war nichts zu merken, weil es außerhalb der Reichweite der Raketen liegt. Auf der Fahrt nach Tel Aviv besichtigten wir eine kleine Ausgrabungsstätte. „Sie wissen ja, wir haben gerade eine besondere Situation in Israel, der entsprechende Raum ist da“, erklärte uns das Personal. So wurde einem das dann vermittelt. Gab’s Kontakt zu Einheimischen? Einer hat gesagt: „Es ist wie ein großes Videospiel, aber du bist mitten drin“. Es ist dieses Wirkliche und Unwirkliche. Aber man möchte das normale Leben haben. Das spürt man immer wieder in Israel, diesen unbedingten Lebenswillen. Wie ist Ihre Prognose? Wie geht es in der Krisenregion weiter? Ich kann nur meine Wünsche sagen, aber keine Prognose abgeben. Irgendwann wird es hoffentlich eine Koexistenz geben, einen anderen Weg gibt es nicht. Der eine muss den anderen anerkennen. Ich hoffe, dass weniger die Extreme und die Extremisten die Situation bestimmen. „Schalom“ wünsche ich. Das ist die Verheißung, die über diesem Land steht. „Auf das Leben“ heißt der israelische Trinkspruch. Das wünsche ich dem Land – und einfach Frieden, weil ich das Land so liebe.

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