Landau Einmal Schabe, bitte!

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Fürs RTL-Dschungelcamp fliegen C-Promis nach Australien, um Krabbeltierchen essen zu dürfen. Das könnten sie auch im Reptilium in Landau haben. Jan Peter Kern hat den 34-jährigen Geschäftsführer Uwe Wünstel gefragt, was die Teilnehmer seines Kochkurses „Insekten sind die neuen Schnitzel“ erwartet.


Herr Wünstel, wann haben Sie das letzte Mal Heuschrecken gegessen?

Heuschrecken hab’ ich zuletzt am Freitag vor einer Woche gegessen. Mit Schokolade überzogen oder einfach so? Die waren gewürzt mit Salz und scharfem Rosenpaprika. Da habe ich abends für Freunde gekocht. Und die Heuschrecken gab’s vorab. Wenn ich für Freunde koche, gibt’s meistens einen Insekten-Gang. Und wie schmeckt so ein Insekten-Gang? Es kommt immer auf die Insekten an. Heuschrecken finde ich geschmacklich am besten. Die haben einen nussigen Grundgeschmack, wie Erdnussflips. Den Rest muss man über Gewürze machen. Dann schmecken sie so wie gebratene Hähnchenhaut. Sie bieten im Reptilium regelmäßig Kochkurse an – mit Krabbeltierchen. Wer macht bei „Insekten sind das neue Schnitzel“ mit? Unser Biologe Stephan Dreyer und ich, wir kochen. Die Teilnehmer sind bunt gemischt. Der jüngste war mal acht Jahre alt, der älteste 82. Aber meistens sind es Männer. Die interessieren sich einfach mehr dafür, wie Insekten schmecken. Liegt es vielleicht auch daran, dass sich Frauen mehr vor Heuschrecken, Schaben und Co. ekeln? Ja, natürlich. Frauen sind bei diesem Thema reservierter. Da ist der Mann als Haupternährer – wie schon in der Steinzeit – etwas experimentierfreudiger. Und wie läuft so ein Kochkurs ab? Es gibt eine Einführung zum Thema Insekten. Wo kommen sie her? Wo werden sie überall gegessen? Die Leute lernen, dass wir auf dem einzigen Kontinent leben, auf dem sich die Insekten nicht durchgesetzt haben. Sonst werden sie überall gegessen, in Afrika, in Asien, sogar in Nordamerika. Und dann legen wir los. Beim nächsten Kurs am 21. Februar gibt’s zunächst einen kleinen Gruß aus der Küche: Fingerfood mit getrockneten Grillen. Das ist aber ein äußerst freundlicher Gruß aus der Küche ... Genau, ein Amuse-Gueule. Dann gibt’s zwei Pastasorten, einmal mediterran, einmal kreolisch, jeweils mit Mehlwürmern als Einlage. Als Hauptgang haben wir Wok-Gemüse an Basmati-Reis mit Schwarzkäferlarven und Steppengrillen. Dazu gibt’s ein Topping aus Wald- und Fauchschaben. Und als Nachspeise haben wir schokolierte Heuschrecken an Fruchtsorbet. Und ganz am Ende gibt’s selbst gemachte Pralinen mit einer Wachsmottenraupenfüllung. Und ein ortsansässiger Spirituosenhersteller serviert einen Willi mit Insekten-Einlage. Lecker! Das volle Programm. Aber Krokodilpenis oder Leguanauge wie im Dschungelcamp kommt nicht in den Kochtopf? Nein, von so etwas distanzieren wir uns auch. Wir versuchen, die Insekten aus der Ekelschiene herauszuholen und als Nahrungsquelle zu etablieren. Die Weltgesundheitsorganisation hat eine Studie herausgegeben, laut der der Welthunger gebannt werden könnte, wenn alle Menschen Insekten essen würden. Ein guter Grundansatz, aber bei uns wohl nicht durchsetzbar. Man kann dem Deutschen nicht das Schnitzel klauen. Kulturell werden sich Insekten bei uns wohl nie durchsetzen. Das hat aber auch was mit dem Preis zu tun: Ein Kilo Insekten kostet 50 bis 70 Euro, eine Heuschrecke kostet etwa einen Euro. Da sind wir schon im Edelfleischbereich. Und wie viele Kursteilnehmer mussten sich schon mal übergeben? Das gab’s noch nie. Nur einmal wollte ein Teilnehmer das Essen nicht probieren. Ein Pärchen hatte den Kurs zur Hochzeit geschenkt bekommen. Mit dem Thema hatten sie so gar nix am Hut. Sie hat’s durchgezogen, er konnte es einfach nicht. Für ihn gab’s dann alles ohne Tiere. Warum ekeln wir uns eigentlich so vor allem, was krabbelt? Das rührt noch von der früheren Zeit her. Für meinen Opa, der 88 Jahre alt ist, sind Insekten Ungeziefer. Man bringt sie mit schlechter Hygiene in Verbindung, mit Krankheitsüberträgern, mit Leben in der Kanalisation. Selbst in der Nachkriegszeit hatte man Fleisch, da musste man nicht auf Insekten zurückgreifen. Wobei es in Hessen bis in die 1990er-Jahre hinein Maikäfersuppe gab, ein Traditionsgericht. Und bei uns, auch in der Pfalz, wurden in den 1950ern und 1960ern zwar keine Insekten gegessen, aber die europäische Sumpfschildkröte. Als Proteinersatz. Heute steht sie unter Artenschutz. Gibt’s ein Krabbeltier, das Sie nicht unbedingt noch mal essen wollen? In Hongkong habe ich mal auf einem Markt eine Wasserwanze gegessen, frittiert, so groß wie ein Big Mac, aufgespießt. Die Konsistenz ist mayonnaiseähnlich, also cremig und breiig. Das war eine Erfahrung, die ich nicht noch mal brauche. Sie füttern nicht nur Besucher mit Heuschrecken, sondern auch Ihre Reptilien. Woher bekommen Sie die ganzen Viecher? Wir bekommen die von Europas größter Insektenzucht, von der Firma Bugs International aus dem bayerischen Irsingen. Auf 12.000 Quadratmetern produzieren dort 150 Mitarbeiter nur Insekten für den europäischen Futtertiermarkt. Und seit vergangenem Jahr züchten sie auch Lebensmittelinsekten. Die füttern wir noch zehn Tage mit Biolebensmitteln, mit Äpfeln, Möhren und so. Nach 14 Tagen werden sie dann tiefgefroren, für unsere Kochkurse. Sie schauen zurzeit doch bestimmt jeden Abend Dschungelcamp. Nicht jeden Abend, aber wenn es die Zeit zulässt, dann schon. Es ist ein interessantes Format, ich will ja auch die Reptilien sehen. Hätten Sie Lust, mal mitzumachen und ganz Deutschland zu zeigen, wie man eine Dschungelprüfung ohne Gejammer absolviert? Ich würde das Ganze ohne Gejammer durchziehen, bei den Ekel-Essereien würde es bei mir dann aber aufhören. Lebende Maden essen, ja, aber irgendwelche Hoden oder Penisse – damit hätte auch ich ein Problem. Dann also doch lieber noch mal so eine aufgespießte China-Big-Mac-Wasserwanze? Die wäre wirklich interessanter, die würde ich wirklich lieber noch mal essen. Dann aber vielleicht gegart und ordentlich gewürzt.

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