Lokalsport Südpfalz Nächtlicher Stress mit Gänsehaut

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WÖRTH. „In Rio war es für mich noch schwer zu begreifen. Ich hatte auch gar keine Zeit auszuschnaufen. Jetzt – nach meinem einwöchigen Urlaub auf Zypern – hört es sich gut an und gibt mir viel Motivation“, erzählt Petrissa Solja aus Wörth, Silbermedaillengewinnerin in Rio mit der deutschen Tischtennis-Mannschaft.

„Mit der Silbermedaille haben wir das Optimalste erreicht. Die Chinesinnen sind noch zu stark. Das Halbfinale gegen Japan und die Emotionen während und nach dem Spiel werden mir immer in Erinnerung bleiben“, meint die 22-jährige Linkshänderin, die viele national und international herausragende Erfolge erzielt hat. Noch nie zuvor hatten aber deutsche Tischtennisfrauen eine Olympia-Medaille geholt. Solja ist nicht mit dem „Sieger-Flieger“ aus Rio zurückgekommen, weil sie schon lange vorher den Heimflug wegen einer Hochzeit in der Familie geplant und mit ihrem Freund auch Urlaub gebucht hatte. „Ich habe ja nicht gewusst, dass ich mit einer Medaille nach Hause komme, obwohl ich sie eigentlich unbedingt erreichen wollte“, sagt Petrissa. „Auch im Urlaub musste ich anfangs noch viele Interviews geben und konnte nicht gleich 100-prozentig ausspannen. Aber jetzt bin ich gut erholt.“ Ihr Freund Norman Deris aus Hagenbach hatte sie in Frankfurt abgeholt. Petrissas Plan war eigentlich, zu ihren Eltern nach Wörth zu fahren. Vorher ging es aber noch zu ihrem Sponsor Joola nach Siebeldingen. Auf der Fahrt nach Wörth fuhr ihr Freund an der Ausfahrt Dorschberg vorbei. Es ging nach Hagenbach, wo Petrissa vor dem Haus ihres Freundes ihr Auto und alles geschmückt vorfand für die zu ihrer Überraschung vorbereitete Welcome-Party mit Familie und Freunden. Auch der Wörther Bürgermeister Dennis Nitsche war da. Sonntags ging es dann noch kurz nach Düsseldorf, wo sich das Leistungszentrum des Deutschen Tischtennis Bundes und ihre Wohnung befinden, ehe der Flieger nach Zypern in den Urlaub abhob. Am Wochenende kamen sie zurück. Von Düsseldorf ging es weiter nach Berlin. Im Olympiastadion stand gestern der Empfang für die Berliner Rio-Teilnehmer mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt an. Solja spielt beim TTC Berlin-Eastside, mit dem sie Deutscher Meister, Pokal- und Champions-League-Sieger ist. Zwei Tage wird sie noch in Berlin bleiben, ehe sie wieder nach Hagenbach und Wörth kommt. Anfang September beginnt wieder das Mannschaftstraining, am 11. September wird die Quali für die deutsche Pokalmeisterschaft gespielt. „Auf jeden Fall bin ich jetzt so motiviert, dass ich auch Erfolge im Einzel haben will“, sagt die derzeit beste Deutsche der Weltrangliste auf Platz 15. In Rio hatte sie im Einzel großes Pech mit der Auslosung. In der dritten Runde – für sie als Nummer 10 war es das Auftaktmatch – verlor sie gegen die Nordkoreanerin Ri Myong Sun, eine Abwehrspezialistin. Über dieses Lospech haben sich auch ihre Eltern Pavel und Dagmar Solja-Andruzko, jahrelang Spitzen-Tischtennisspieler, geärgert. Sie haben alle Spiele ihrer Tochter live über das Internet verfolgt – meistens ab 0.30 Uhr. „Am dramatischsten war natürlich das Halbfinale gegen die an Nummer 2 gesetzten Japanerinnen. Da gingen die Emotionen hoch. Erst nach vier Stunden Spielzeit ist die Anspannung gefallen“, erzählt der Vater und ist wieder ganz aufgewühlt. Nach einem nervenaufreibenden, hochdramatischen Spiel, in dem vier der fünf Partien über fünf Sätze gingen, war die Sensation perfekt und die Silbermedaille sicher – um 4.30 Uhr. „Wir haben Peti, wie wir unsere Tochter rufen, angefeuert, wie wenn wir auf der Bank sitzen würden. Klasse, wie sie im Einzel im entscheidenden fünften Satz beim Stande von 9:3 für die Japanerin das Spiel noch gewonnen hat. Ebenso aufregend, als sie im Doppel 1:2 zurücklagen, Japan 9:7 führte und sie es noch drehten“, erzählt Pavel, als wenn er mitgespielt hätte. Die Eltern haben dann später noch mit Petrissa im Hotel über Internet-Telefon gesprochen, als auch ihre Schwester Amelie, die für Österreich spielt, bei ihr war. „Das ist am Fernseher stressiger als beim Coachen, wenn man nicht helfen kann“, sagt der Vater, während Mutter Dagmar nur meint: „Unerträglich – ich hatte Gänsehaut und habe geheult. Das geht an die Substanz. Ich habe ja tagelang fast gar nicht schlafen können. Amelie hat jeden Tag nach den Spielen ihrer Schwester gegen Morgen noch angerufen.“ Das Endspiel gegen die Chinesinnen haben sie „stressfrei“ erlebt – wie sie sagen. „Die haben noch einmal ein anderes Niveau. Da gibt es momentan noch keine Chance“, sagt Pavel.

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