Kreis Südwestpfalz Solidarität und Gemüse

Auf dem Wahlbacherhof zwischen Contwig und Dellfeld, dem Biohof von Manfred Nafziger, können Verbraucher bald zu Passiv-Bauern werden. Die Idee: Etwa 100 Familien zahlen die Betriebskosten und teilen sich die Ernte.

Wie lässt sich ein traditionell aufgestellter Bauernhof mit einer breiten Anbau-Palette in Zeiten von Spezialisierung und Massenproduktion erhalten? Mit zwei engagierten Betreiber-Familien, findet Manfred Nafziger, und mit einem wegweisenden Konzept der Verbraucher-Beteiligung: „Solidarische Landwirtschaft“. Etwa 60 Projekte dieser Art gibt es bislang in Deutschland; ebenso viele sind in Gründung. Dahinter steht die Idee, dauerhaftes finanzielles Engagement für eine nachhaltige Landwirtschaft durch den Bezug von Gemüse, Obst, Fleisch, Kartoffeln und Eiern auszugleichen. Der Hof produziert nicht mehr für den Markt, sondern für die Mitglieder. Wie hoch deren Beteiligung ist, richtet sich nach den voraussichtlichen Kosten und wird jedes Jahr in einer Vollversammlung festgelegt. „Wir haben eine Lösung gesucht, die uns nicht zum Wachstum zwingt“, erläutert Marlene Herzog. Das Projekt absichern sollen stattdessen Vielfalt und Qualität der Anbauprodukte. Zusammen mit ihrem Mann Marc Grawitschky und den zwei und vier Jahre alten Töchtern will die 32-jährige Öko-Landwirtin den Hof der Familie Nafziger weiterentwickeln. Mit einer Ausweitung des Bio-Gemüseanbaus, mit frischen Kräutern, mit Speiseölen aus eigenen Ölsaaten, weiteren Legehennen – und mit anhaltend tatkräftiger Unterstützung der Familie Nafziger. Es gehe nicht um eine Übernahme, klärt der bisherige Allein-Betreiber Manfred Nafziger auf, sondern um einen gemeinsamen Ansatz. Die Rechtsform werde wohl eine Kommanditgesellschaft sein. Die Umsetzung erfolge im kommenden Frühjahr, nach seinem 63. Geburtstag. Der Hofladen bleibe bestehen. „Vor einem Jahr haben wir uns kennengelernt. Da waren gerade die Tomaten reif“, erinnert sich Marc Grawitschky. Die Familie Nafziger, die den 60-Hektar-Hof in dritter Generation bewirtschaftet, suchte schon zweieinhalb Jahre nach Perspektiven für eine Nachfolge. Familie Herzog-Grawitschky, seinerzeit im Saarland ansässig, suchte eine Möglichkeit, ihre Erfahrung aus Öko-Landwirtschaftsstudium und Arbeit im Gemüseanbau praktisch zu nutzen. „Wir haben eine Betriebs-Analyse gemacht und Möglichkeiten der Hof-Entwicklung besprochen“, erläutert Nafziger. Wobei er nicht ausschließt, dass irgendwann eines seiner acht Enkelkinder mit einsteigen könnte. Egal wie es komme: Gut sei es, wenn zwei Familien sich die Arbeit teilen. Eben dies geschieht bereits: Marlene Herzog und Marc Grawitschky sind mit ihren Kindern auf den Wahlbacherhof gezogen. Zwei Gewächshäuser zeugen von neuen Schwerpunkten. Fenchel, Kohlrabi, Brokkoli und Kräuter wie Thymian, Majoran und Estragon sollen bald zum Angebot gehören. Vielleicht auch Brot aus eigenem Getreide. Ziel ist es, die Palette sommers wie winters so zu gestalten, dass die solidarische Landwirtschaft funktioniert. Was bedeutet, dass sich etwa 100 Familien von den Hofprodukten ernähren können. „Am Anfang werden es vielleicht weniger sein“, räumt Herzog ein. Finden will sie die Projekt-Mitglieder im 30-Kilometer-Umkreis. 100 000 Menschen leben dort nach ihrer Schätzung. Wer sich für mindestens sechs Monate bindet, darf seinen Korb wöchentlich auf dem Hof oder bei einer Verteilstelle füllen. Was knapp ist, wird gekennzeichnet und eventuell auch kontingentiert. Ansonsten gilt das Prinzip Vertrauen. „Es geht uns um Transparenz und um den Zusammenhalt“, ergänzt Marc Grawitschky. Bei jährlichen Vollversammlungen würden Strategie, Erträge und Investitionen besprochen; die Mitglieder, die auch als Betriebshelfer willkommen seien, erhielten einen umfassenden Einblick in das Nachhaltigkeits-Konzept. Kann das alles funktionieren? Marlene Herzog und Marc Grawitschky sind überzeugt davon, zumal es in der Schweiz und in den USA seit den 1960er Jahren ähnliche Projekte gibt und auch in Deutschland bereits ein Netzwerk besteht. Landwirts-Kollegen vor Ort äußerten sich eher skeptisch, gestehen beide ein. Sieben Zusagen künftiger Mitglieder lägen aber schon vor. Ihre Initiative spreche sich langsam herum; zwei Infoveranstaltungen sollen weiteres Interesse wecken. (npm)

x