Geschichten aus der Geschichte Vor 95 Jahren begann in Edenkoben die Eiszeit

Die Eisfabrik Edenkoben lieferte die gefrorene Ware in eigenen Lastwagen aus. Ein Mitarbeiter verlädt hier gerade eine Eisstange
Die Eisfabrik Edenkoben lieferte die gefrorene Ware in eigenen Lastwagen aus. Ein Mitarbeiter verlädt hier gerade eine Eisstange, auf dem Kotflügel sitzt Peter Kirsch, Sohn des Firmengründers Friedrich Kirsch.

Bevor Kühlschränke für jedermann erschwinglich waren, mussten die Waren mit Eis gekühlt werden. Das kam lange Jahre von der Edenkobener Eisfabrik. Geliefert wurde täglich.

Heutzutage ist fast das ganze Jahr Eiszeit, im Café oder daheim. Und wenn die Temperaturen frühlingshaft werden, auch wieder auf Straßen und Plätzen. Doch davon ist hier nicht die Rede – sondern vom sogenannten „Nutzeis“. Bereits die Römer verwendeten Gletschereis, das sie aus den Alpen in die milden Gegenden ihres Reiches schaffen ließen, zur Kühlung von Speisen und Getränken oder zur Temperierung des Badewassers. Es war ein Privileg der Herrschenden. Noch lange war die kommerzielle Nutzung von Wintereis ein Luxusgut. Im 19. Jahrhundert exportierte zum Beispiel Norwegen Eis, das man aus zugefrorenen Flüssen oder Seen heraussägte, zum europäischen Festland – wohl verpackt zwischen Stroh- und Schneeschichten. Wahrlich etwas, das sich nur Wohlhabende leisten konnten. Damals begann man auch in der Hochseefischerei damit, den Fang in Eiswannen zu kühlen. Nutz- oder Natureis ist nicht zum Verzehr geeignet, es dient ausschließlich der Kühlung von verderblichem Gut oder Getränken. Unter Nutzeis versteht man Eis mit Temperaturen zwischen Minus 20 und minus 1 Grad Celsius.

Im Küchentrakt von Schloss Villa Ludwigshöhe gibt es noch heute einen Eiskeller. Dort wurde einst das im Winter herangeschaffte Eis zwischen isolierenden Strohschichten eingelagert. So hielt sich das gefrorene Gut, wenn auch an Menge etwas abgeschmolzen, bis zur hauptsächlichen Aufenthaltszeit von König Ludwig I. und anderen fürstlichen Gästen in den Sommermonaten August und September.

Die Eisfabrik an der Staatsstraße in Edenkoben.
Die Eisfabrik an der Staatsstraße in Edenkoben.

Geliefert wurde täglich

Als Maschinenbauingenieur Friedrich Kirsch 1929 in Edenkoben eine Eisfabrik errichtete, hatte er sicher Ähnliches im Auge. Allerdings griff er zu den in den 1920er-Jahren verfügbaren Techniken. Seine Kondensatoranlage nebst Kühlturm wurde mit einem Gasmotor betrieben. Das Kunsteis wurde aus „gutem Edenkobener Waldwasser“ hergestellt, wie es hieß. Die Fabrik lag am Ostrand der Stadt nahe dem Bahnhof, an der Staatsstraße 15. Neben dem Anwesen floss der Triefenbach, der das Wasser aus dem Edenkobener Tal heranführte.

Im ersten Werbeinserat, das im Frühjahr 1929 erschien, heißt es: „Eisfabrik Edenkoben mit modernsten Einrichtungen in Edenkoben am Bahnhof.“ Geliefert wurde täglich mit eigenen Lastautos, frei Haus oder ab Werk in die Bezirke Edenkoben, Landau, Neustadt an der Haardt und Bad Dürkheim sowie in sämtliche dazwischenliegende Orte. Das Mindest-Abnahme-Quantum betrug zehn Pfund. Dauerbezieher und Großabnehmer erhielten entsprechende Vergünstigungen. Bestellungen konnten unter der Rufnummer 429, Amt Edenkoben, aufgegeben werden. Das Stangeneis wurde in quadratischen Metallformen hergestellt, die nach oben konisch größer dimensioniert waren, um das Herauslösen der Eisstange zu erleichtern. Die Stangen hatten ein erhebliches Gewicht. Beim Be- und Entladen der Lastwagen benutzten die Mitarbeiter der Eisfabrik Haken aus Eisen.

Inserat im Edenkobener Geschäfts-Anzeiger aus dem Frühjahr 1929.
Inserat im Edenkobener Geschäfts-Anzeiger aus dem Frühjahr 1929.

Kühlschränke besiegeln das Schicksal der Eisfabrik

Abnehmer waren die Wirte der Edenkobener Weinfeste, die ihre Weine in gemahlenes Eis eingelegten. Daneben gehörten Brauereien, Gaststätten, Metzgereien, Lebensmittelgeschäfte und Privatleute zur Kundschaft. Bei Geschäftskunden wurde das Eis in spezielle, der Branche entsprechende Behältnisse gegeben. Privatleute benutzten noch lange „Eisschränke“, sprich: nicht mechanische Vorläufer des Kühlschranks.

Als in der Wirtschaftswunderzeit der 1950er-Jahre Kühlschränke, -theken und -truhen immer preiswerter auf den Markt kamen, konnte die Eisfabrik nicht mehr konkurrieren. 1965 stellte sie deshalb den Betrieb ein.

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