Kreis Südliche Weinstraße „Einen Ferrari holen wir ein“

Pfeil Nummer drei macht ungewollt einen weiten Bogen über die Scheibe. Experte Andreas Bauer hilft beim Suchen im Gras.
Pfeil Nummer drei macht ungewollt einen weiten Bogen über die Scheibe. Experte Andreas Bauer hilft beim Suchen im Gras.

Reportage: Bei Wettbewerben muss ein Arm schon mal vier Tonnen Zugkraft packen. Pfeil und Bogen waren eine der ersten Fernwaffen des Menschen. Beim Schnuppertraining des Bogensportvereins Annweiler kann man die ersten Schritte in dem Präzisionssport erlernen.

«Annweiler.»Bogen gespannt, apart-kraftvoll wie eine Amazone – na ja, aber noch mit vollständigem Dekolleté –, Pfeilspitze im Blick, zielen. Pfiiiiuuuuuu .... Und ab in die Mitte. So stelle ich mir Bogenschießen vor. In meinen Träumen. Dieser Idealschuss wird natürlich eine Wunschvorstellung bleiben. Spaß gemacht hat das Probetraining trotzdem. Vor allem wegen Andreas Bauer vom Bogensportverein Richard Löwenherz Annweiler, der mich in die Welt des Schießsports eintauchen ließ und mir mit Witz, Herz und Verstand alles ganz genau erklärte. Freitag, 18.15 Uhr. Langsam wird’s voll auf dem Gelände des Vereins im Trifelsstadion. Denn gleich beginnt das Training für Anfänger und Jugendliche. Jugendlich bin ich zwar nicht mehr ganz, dafür vollkommener Neuling im Pfeil-und-Bogen-Sport. Deswegen reicht mir Andreas Bauer wohlweislich den „Kinderbogen“. Recurve, 66 Zoll lang, 13 Pfund Zuggewicht. Genau das Richtige für meine Ärmchen. Damit denen nichts passiert, bindet Bauer noch einen Sehnenschutz herum und kommt mit der Aufforderung daher: „Und jetzt zeigen Sie mir Ihren Mittelfinger der rechten Hand.“ Ähm, rolle ich da wirklich gerade meinen Stinkefinger aus? „Das ist auch das einzige Mal, dass Sie mir den zeigen dürfen“, meint Bauer schmunzelnd, während er mir den Fingerschutz überzieht. Der 57-jährige Offenbacher arbeitet bei Thermo Fisher, einem großen amerikanischen Laborausstatter, als Auditor für Europa. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, die mit vielen Reisen verbunden ist. Da schafft der Bogensport einen guten Ausgleich, um zur Ruhe zu kommen. „Für mich ist es pure Entspannung. Ich komme jetzt seit über zehn Jahren zum Training“, berichtet der Schriftführer des 1998 gegründeten Vereins, „und wenn ich an die Schießlinie trete, merke ich, wie alles von mir abfällt.“ Man müsse sich so auf den Bewegungsablauf, die Körperhaltung konzentrieren, dass die Sorgen des Alltags in die Ferne rückten. Bogenschießen sei vor Golf und Stabhochsprung vom Ablauf die komplizierteste Sportart, erklärt mir Bauer. „Beim Bogenschießen kämpfe ich nur gegen meine eigene Unzulänglichkeit.“ Ja, mit der werde ich bald auch zur Genüge konfrontiert werden. Ganztags buckeliger PC-Haltung bei der Arbeit sei dank. „Viele wissen gar nicht, wie sie gerade stehen sollen“, wirft mir Bauer entgegen, und schon merke ich, wie sich verschämt mein Rücken durchdrückt. Der Sport habe viel mit Körperwahrnehmung zu tun. Die fehlt mir offenbar. Zwar denke ich, ich würde gerade da stehen. Aber dem ist nicht so. Bauer rückt meinen Oberkörper erst einmal zurecht. Und beruhigt mich: „Ich kenne das. Viele schieben die Hüfte nach vorne und machen erst mal die Maschinengewehrhaltung.“ Etwa vier bis sechs Wochen Training brauche es, bis die Körperbeherrschung so weit sei. In zehn Metern Entfernung stehen zwei Zielscheiben, die heute von den Anfängern durchlöchert werden dürfen. Noch einmal zehn Meter dahinter eine weitere Reihe, zu der von der Schießlinie ein gepflasterter Pfad führt. Den hat der Bogensportverein, der schon einige Landes- und Deutsche Meister hervorgebracht hat, für sein Vorstandsmitglied Stefan Kempf angelegt, der seit einem Arbeitsunfall 2014 im Rollstuhl sitzt. „Er ist von der Halswirbelsäule ab gelähmt, kann aber seine Arme bewegen. Und uns war sofort klar, Stefan muss an seine Scheibe kommen“, berichtet Bauer. Dank der neuen Rollstuhlbahn ist das Training nun auch für mobilitätseingeschränkte Menschen möglich. Auch sonst hat der Verein das Areal in den vergangenen Monaten auf Vordermann gebracht, 6000 Euro und viel Eigenleistung hineingesteckt. Hinten von der Wiese lugt ein Bär durch die Scheiben hervor. Natürlich kein echter. Andreas Bauer zeigt rüber auf einen Container. „Da haben wir einen ganzen Zoo drin.“ Und schon verteilt ein Vereinskollege die Tierattrappen auf dem Grün. Aber das ist nur was für Fortgeschrittene. Ein halbes Jahr Übungszeit an der Scheibe brauche es schon, bis man sich an die tierischen Zielscheiben heranwagen könne. Aber da ich weder auf Tiere schießen möchte noch irgendeine Chance hätte, auch nur in deren Nähe zu treffen, fokussiere ich mich wieder auf meine bunten Kreise auf weißem Grund. Das ist Herausforderung genug. Denn komischerweise will der Pfeil nie dahin, wo man ihn möchte. Eigentlich logisch. Ist der Winkel, mit dem ich auf die Pfeilspitze schaue, ja nicht der, mit dem sich der Pfeil vom Bogen löst. „Tiefer, tiefer“, raunt mir Bauer von der Seite entgegen. Nee, das kann doch nicht richtig sein, denke ich mir, dann landet der doch im Gras, und ziehe den Bogen wieder ein Stückchen nach oben. Und upps ... Ja ja, der Profi wusste es natürlich besser. Denn schon hat mein Pfeil einen weiten Bogen über die Zielscheibe hinaus gemacht. Wir gehen auf Suchmission auf der Wiese und finden ihn in 43 Metern Entfernung. Hey, 43 Meter, ist doch auch was, denke ich mir. Beim nächsten Mal soll’s aber auch mit der Zielgenauigkeit klappen. „Das ist intuitives Schießen. Kriegen Sie einfach ein Gefühl dafür und haben Sie Spaß dabei“, meint Bauer. Beim richtigen Wettkampfschießen werden da ganz andere Maßstäbe angelegt. Dann müssen je 36 Pfeile über vier verschiedene Distanzen geschossen werden. 144-mal die gleiche Bewegung mit gut 60 Pfund Zuggewicht, da ist man bei über vier Tonnen, die die Arme bewegt haben. „Danach darf man rechtschaffend müde sein“, meint Bauer. Und sich ’ne Belohnungsschorle gönnen, ergänze ich. Genau, wie sieht’s eigentlich mit Zielwasser aus? Bauer schüttelt den Kopf. Alkohol sei im Bogensport ein Dopingmittel. Denn in geringen Mengen reduziere er das Zittern. „Außerdem macht er enthemmt und unvorsichtig. Das ist in unserem Sport wegen der Verletzungsgefahr nicht tragbar.“ Schließlich kann es so ein Pfeil auf bis zu 400 Stundenkilometer bringen. „Einen Farrari holen wir ein“, kommentiert Bauer lässig. Das Ferrarirot vor Augen geht mein Blick auf den roten Ring der Zielscheibe, mit dem es nun endlich mal klappen soll. Und tatsächlich. Endlich rot. Und im nächsten Schuss gleich gelb. Zumindest am äußeren Rand. So nahe werde ich der Mitte an diesem Tag nicht mehr kommen. Trotzdem vergeht die Probestunde viel zu schnell. Zum Abschied warnt mich Bauer schon mal vor. „Eventuell werden Sie in den nächsten ein, zwei Tagen Muskelkater bekommen. Das ist eben das Lästige am Bogenschießen: Man braucht Muskeln, die man sonst nicht braucht.“ Er grinst. Und ich werde bald wissen, was er meint. Schnuppertraining Das Anfängertraining unter Anleitung ist immer freitags von 18.30 bis 19.30 Uhr, im Sommer im Trifelsstadion und im Winter in der Sporthalle der Fachklinik Eußerthal. Bitte vorher anmelden beim ersten Vorsitzenden Jürgen Seibel, Telefon 06392 1406, oder bei Andreas Bauer, Telefon 06348 954120. Nach vier kostenlosen Probestunde können die Neulinge eine Gästekarte für die fünfte bis zehnte Trainingseinheit für je fünf Euro (für den Materialaufwand) erwerben. Danach können sich die Interessierten entscheiden, ob sie Vereinsmitglied werden wollen. Infos unter: www.bogensportverein-annweiler.de.

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