Kreis Südliche Weinstraße „Der arme Klitschko wurde weggefegt“

„Werner Rügemer wird unser gewohntes Denken stören“, kündigte Albrecht Müller den Redner der Pleisweiler Gespräche an. Rund 300 Besucher aus ganz Deutschland waren am Samstag nach Pleisweiler gekommen. Das brisante Thema des 73-jährigen promovierten Philosophen, Publizisten und Autors Rügemer: Deutschland im Visier der Supermacht USA. Sein Fazit: „Es geht nicht ohne eine neue Weltordnung der Kooperation.“

„Das Etikett ,Antiamerikanismus’ lassen wir uns nicht verpassen. Wer sich Sorgen um die Machenschaften der Supermacht USA macht, ist ein Demokrat und wacher Zeitgenosse“, stellte Albrecht Müller in seiner Begrüßung klar. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD sowie Autor und Initiator der „Nachdenkseiten“ initiiert die Pleisweiler Gespräche seit 24 Jahren. „Ich möchte mit Ihnen ein Jahrhundert durchgehen, in dem die USA zunehmend Europa mitgestalten“, kündigte Werner Rügemer seinen Vortrag an. Die USA hätten dem Deutschen Reich große Kredite verschafft, um nach dem Ersten Weltkrieg die Reparationsleistungen zahlen zu können. Im Gegenzug sollten in Deutschland günstige Bedingungen für die amerikanische Wirtschaft geschaffen werden, so Rügemer. Das Ergebnis sei ein breites Netz von Konzernen und Banken gewesen. Finanziell „erheblich“ gefördert worden sei auch Hitler. „Ohne die wirtschaftliche, finanzielle und mediale Hilfe hätte Deutschland diesen Krieg so nicht führen können“, so Rügemer, der seine These mit zahlreichen Beispielen belegte. Unter anderem habe eine Tochterfirma von Standard Oil bis Kriegsende auch mit Gefangenen aus Auschwitz produziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei das politische System nach amerikanischem Vorbild umgestaltet worden. „Linke Kräfte wurden an den Rand gedrängt, man hat sich den alten Eliten bedient, die mit den Nazis kollaboriert haben“, so Rügemer. Beispielsweise sei das halbe Goebbels-Ministerium in den Medien untergekommen. „Die USA können Demokratie fördern und gleichzeitig rechtsgerichtete Kräfte unterstützen“, so Rügemer. Seine Beispiele für die Einflussnahme der USA waren zahlreich: die Besetzung der Treuhand nach der Wiedervereinigung mit amerikanischen Beratern, die Übernahme des amerikanischen Ratingsystems 1990 in die EU oder die 30 Dax-Konzerne, die zu 60 Prozent amerikanische Anteilseigner haben. Für Rügemer ist klar, dass Russland von Westeuropa getrennt werden soll und dass in der Ukraine jetzt das Regime herrscht, dass die USA gewollt habe. „Der arme Klitschko wurde weggefegt“, so Rügemer. Seine Forderung: Eine Kooperation gleichwertiger Staaten nach ursprünglichen Uno-Kriterien: „Mit der Strategie einer Supermacht finden wir keine Sicherheit, keinen Frieden und keine Gerechtigkeit.“ Die Zeit reichte nicht, um die vielen Fragen der gut informierten Besucher zu beantworten. „Es wäre nicht das erste Mal, dass das Volk nichts zu sagen hat“, so Rügemer zur Frage, warum der Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP nicht ernst genommen werde. Für das TTIP hätten die USA viele europäische Mittäter gefunden, unter anderem Automobilkonzerne in Deutschland, die auch in gewerkschaftsfreien Staaten der USA produzierten. „Was kann man als aufrechter Demokrat gegen eine Amerikanisierung machen“, war eine weitere Frage. Für das Wichtigste halte er die Organisation einer Gegenöffentlichkeit, die auch den Abzug der amerikanischen Truppen fordern müsse. Die USA habe allein 22 Stützpunkte in Deutschland, so Rügemer. In seinen einleitenden Worten hatte Albrecht Müller die „offenbar große Rolle der Pfalz“ benannt. Das größte Militärhospital außerhalb der USA stehe in Landstuhl, Kaiserslautern und Ramstein seien Drehkreuze des militärischen Nachschubs und Ramstein spiele offensichtlich beim bei Drohnenkrieg eine wichtige Rolle, so Müller: „Aus Bayern rollte im März gepanzertes Kriegsgerät bis zur russischen Grenze, die Bundeskanzlerin wird abgehört, die Bundesregierung macht mit beim Verschleiern der wahren Machtverhältnisse.“ Das zweite Pleisweiler Gespräch 2015 ist am 4. Juli mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). (pfn)

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