Kreis Südliche Weinstraße Bashana

Dort wo einst die Synagoge stand, gedachten rund 150 Herxheimer gestern ihrer jüdischen Mitbürger.
Dort wo einst die Synagoge stand, gedachten rund 150 Herxheimer gestern ihrer jüdischen Mitbürger.

Gebrannt hat die Synagoge in Herxheim nicht in der Nacht des 9. November 1938. Das konnte die Feuerwehr verhindern, sorgte sie sich doch, dass auch benachbarte Wohnhäuser Feuer fangen könnten. Häuser, in den „ehrenwerte Deutsche“ lebten. Dann musste die Synagoge halt abgerissen werden, darauf bestanden die Nazi-Schergen. Dagegen hatten auch Feuerwehr und Nachbarn nichts. Einige Tage nach der Reichspogromnacht half ein junges Mädchen Schwester Valeria beim Schmücken der katholischen Kirche für den Gottesdienst. Das machte sie regelmäßig. Nur diesen einen Tag vergaß sie nie. Kam doch Lisa Engel, eine Herxheimer Jüdin, in die Kirche. Sie sprach mit Schwester Valeria und gab ihr in eine Decke in die Heiligtümer aus der abgerissenen Synagoge eingehüllt war, etwa die Torarolle, der siebenarmige Leuchter oder der hölzerne Fingerhut, mit dem die Seiten der Tora umgeschlagen wurden. Schwester Valeria hat die heiligen Sachen unter dem Altar versteckt, das Mädchen hat niemand etwas erzählt. Die Gegenstände haben das Dritte Reich überlebt, Lisa Engel nicht. Sie wurde von den Nazis ermordet. Bewegend war es, wie Ben Hergl, Walter Menzlaw, Monika Kleebauer, Felix S. Felix, Thomas Kölsch, Miriam Grimm und Stephan Wriecz vom Chawwerusch-Theater in einer szenischen Lesung vom Alltag der jüdischen Mitbürger, die bis zur Machtergreifung Hitlers einfach nur Herxheimer waren, erzählten. Ergreifend war es, wie die Theaterleute vom weiteren Schicksal der Herxheimer Juden berichteten. Vorgetragen wurden Ausschnitte aus Interviews mit Herxheimer Zeitzeugen, die der Verein Spurensicherung gesammelt hatte. Aber nicht nur gelesen haben die Chawwerusch-Akteure, sondern auch gesungen, und zwar auf Hebräisch das Lied „Bashana“, was auf Deutsch soviel heißt wie nächstes Jahr. „Du wirst sehen, du wirst sehen, wie gut es sein wird im nächsten Jahr“ heißt im Refrain. Ein Lied das Hoffnung macht auch in größter Not. Begleitet wurden sie von Wolfgang Weis (Akkordeon) und Jakob Hilse (Klarinette), die an diesem Abend mit ihrer Klezmermusik für die passende Stimmung sorgten. Rund 150 Herxheimer waren in den Innenhof hinter dem Anwesen Obere Hauptstraße gekommen, um der Vertreibung der jüdischen Mitbürger zu gedenken. Genau an dieser Stelle hatte einst die Synagoge gestanden. Über den großen Zuspruch freute sich Georg Kern, Vorsitzender des Heimatvereins, der die Gedenkfeier organisiert hat. Es seien 80 lange Jahre vergangen, viele Menschen würden denken, vergleichbare Vorgänge könne es nicht mehr geben, „aber es gibt heute Tendenzen, die uns Sorgen machen“, sagte Kern. Er forderte alle auf, sich für Demokratie und Mitmenschlichkeit einzusetzen. Das verlangte auch Herxheims Ortsbürgermeister Franz-Ludwig Trauth. Er ging zunächst auf die lange jüdische Tradition in Herxheim ein und las dazu aus einem Text des Heimatforschers Egon Ehmer. „Erinnerung und Besinnung sind notwendig, damit so etwas wie im Dritten Reich nicht mehr passiert“, sagte Trauth, „wir müssen in Zeiten, in denen geistige Brandstifter immer mehr das Wort ergreifen, aufstehen und uns zur Wehr setzen.“ Der 9. November werde gerne als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet, sagte Landrat Dietmar Seefeldt. Er erinnerte nicht nur an die Reichspogromnacht am 9. November 1938, sondern auch an die Ausrufung der Republik durch den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann am 9. November 1918, Hitlers blutig niedergeschlagenen Putschversuch am 9. November 1923 und den Mauerfall am 9. November 1989. Schicksal sei laut Wörterbuch von einer höheren Macht über jemanden Verhängtes, was sich menschlicher Berechnung und menschlichem Einfluss entzieht und das Leben des einzelnen Menschen entscheidend bestimmt. Aber der Hass gegen die Juden habe nichts mit Schicksal zu tun, da sei keine höhere Macht im Spiel gewesen. „Das war von Menschen gemacht“, so Seefeldt. „Wir müssen für ein gutes Miteinander einstehen und Hass und Gewalt gegenübertreten“, forderte der Landrat.

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