Freisen Und plötzlich gehört Schwarzerden zum Saarland

Walter Zimmer (rechts) bei einer Sitzung des Gemeinderats Schwarzerden im Jahr 1963.
Walter Zimmer (rechts) bei einer Sitzung des Gemeinderats Schwarzerden im Jahr 1963.

In der Verfassungsgeschichte ist es wohl ein ganz seltener Fall: Walter Zimmer (1898-1975) aus Schwarzerden war in den Nachkriegsjahren am Zustandekommen von zwei Länderverfassungen beteiligt. Eine Grenzänderung machte es möglich.

Als Zimmer vor 125 Jahren in Schwarzerden geboren wurde, gehörte die Gemeinde zur Bürgermeisterei Burg Lichtenberg im preußischen Landkreis St. Wendel. Nach der Volksschule arbeitete er als Steinabrichter in verschiedenen Steinbrüchen der Umgebung und im Eisenbahnbau. Auch in der Landwirtschaft der Eltern half er mit.

Von 1916 bis Anfang 1920 leistete Zimmer Militärdienst. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte der Friedensvertrag von Versailles, der am 10. Januar 1920 in Kraft trat, das Saargebiet unter die Verwaltung des Völkerbundes. Der Kreis St. Wendel wurde geteilt in einen weiterhin saarländischen Stammkreis St. Wendel und einen Restkreis St. Wendel-Baumholder, der bei Deutschland verblieb. Walter Zimmers Heimatgemeinde lag nun im Restkreis.

Im Juni 1920 trat er dem Zentralverband der Steinarbeiter Deutschlands bei und gründete 1924 eine Ortsgruppe dieser Gewerkschaft in Schwarzerden, die er bis 1933 leitete. Der SPD schloss er sich am Tag der Arbeit 1925 an. Den ein Jahr später gegründeten Ortsverein Schwarzwerden der Sozialdemokraten leitete er bis 1933.

Unter Polizeiaufsicht

In der Weimarer Republik war Zimmer auch kommunalpolitisch aktiv. Seit 1929 gehörte er dem Kreistag Baumholder an, war zweiter Kreisdeputierter und Vorsitzender der SPD-Fraktion. Unter dem Regime der Nationalsozialisten verlor er alle politischen und gewerkschaftlichen Ämter und stand bis November 1933 unter Polizeiaufsicht.

In der Weltwirtschaftskrise verlor Zimmer seine Arbeit, wurde zeitweise für Notstandsarbeiten eingesetzt und schlug sich bis 1934 als Reisevertreter durch. Danach arbeitete er im Eisenbahn- und Brückenbau, ab 1936 wieder im Steinbruch. Als Soldat nahm er am Zweiten Weltkrieg von 1939 bis 1945 im Sanitätsdienst teil. Das Kriegsende erlebte er in Gefangenschaft.

Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im März 1945 wurde Walter Zimmer in Schwarzerden in das Vorläufige Gemeinderatskomitee berufen, am 15. September 1946 dann regulär als Gemeinderatsmitglied und als Ortsbürgermeister gewählt. Ab 13. Oktober 1946 gehörte er für die SPD dem Kreistag Birkenfeld und wurde in dieser Funktion in die Beratende Landesversammlung Rheinland-Pfalz gewählt.

Grenzen korrigiert

Diese Landesversammlung mit 127 von vier Wahlmännergremien bestimmten Mitgliedern konstituierte sich am 22. November 1946 im Stadttheater in Koblenz und tagte später im dortigen Hotel „Rittersturz“. Nach etwas mehr als drei Wochen Beratungen legte das Gremium einen Verfassungsentwurf vor, der bei der mit der Landtagswahl verbundenen Volksabstimmung am 18. Mai 1947 eine Mehrheit erhielt.

Nur wenige Wochen später wurden die Grenzen des Saarstaats korrigiert. Mit Wirkung vom 8. Juni 1947 wurden 61 Gemeinden der Landkreise Trier und Saarburg aus dem Saarland ausgegliedert. Zugleich wurden 13 Gemeinden dem Saarland angegliedert. Bei diesen Gemeinden handelte es sich um sechs aus dem Kreis Kusel – Niederkirchen, Marth, Saal, Bubach, Hoof und Osterbrücken – und sieben aus dem Kreis Birkenfeld: Nohfelden, Wolfersweiler, Asweiler-Eitzweiler, Freisen, Oberkirchen, Haupersweiler und Schwarzerden. Die Verordnung trat am 24. Juni 1947 in Kraft, so dass Zimmers Heimatgemeinde nunmehr zum Saarland gehörte.

Die Provisorische Verwaltungskommission für das Saarland beschloss auf Drängen der französischen Militärregierung im Mai 1947 die Bildung einer Verfassungskommission, um eine saarländische Verfassung vorzubereiten. Bei der Landtagswahl am 5. Oktober 1947, bei der der Sozialdemokrat Walter Zimmer ins Parlament gewählt wurde, entfielen auf die CVP 51,17 Prozent, auf die Sozialdemokraten 32,78 Prozent, auf die Kommunistische Partei 8,43 Prozent und auf die Demokratische Partei 7,62 Prozent der Stimmen. Damit hatten sich 91,57 Prozent der Wähler für die drei Parteien entschieden, die den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich und die Autonomie des Saarlandes befürworteten. Bei den Verfassungsberatungen im Parlament setzte sich Walter Zimmer – zusammen mit vier weiteren Mitgliedern der SPS-Fraktion – für eine andere Fassung der Präambel zur Verfassung ein; die Abweichler wurden jedoch von französischer Seite unter Druck gesetzt und blieben erfolglos. Das verfassungsgebende Parlament nahm am 8. November 1947 mehrheitlich den Verfassungsentwurf an, am 17. Dezember 1947 trat die saarländische Verfassung in Kraft.

Bürgermeister in Schwarzerden

Zimmer, der verheiratet war und zwei Söhne hatte, blieb bis 1955 saarländischer Landtagsabgeordneter, Nach der Ablehnung des Saarstatuts, das eine halbautonomes Saarland vorsah, in einer Volksabstimmung im Oktober 1955 wurde das Saarland in die Bundesrepublik eingegliedert.

Zimmer blieb bis 1973 Ortsbürgermeister von Schwarzerden, das mit der Gebietsreform ab 1974 zu der Großgemeinde Freisen kam. Ein großer kommunalpolitischer Erfolg Zimmers war die 1963 erfolgte Ansiedlung des Instandsetzungswerkes der Auto-Union AG 1963 (später IWS, heute DSL).

Für sein Engagement in der Kommunalpolitik wurde Walter Zimmer, der 1975 in Schwarzerden starb, mit der Freiherr-von-Stein-Plakette und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

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