Kreis Kusel Einen Abend lang Noten verboten

Es war eine mutige, aber letztendlich richtige Entscheidung der ausrichtenden Fritz-Wunderlich-Gesellschaft, die Abschlusspräsentation des Classic Camps am Donnerstagabend nicht in der Zehntscheune, sondern im malerischen Ambiente vor der Kirche durchzuführen. Auch nach der Pause ließ es sich bei immer noch fast 20 Grad wunderbar im Freien aushalten. Zumal die Musiker des parallel verlaufenden Instrumentalworkshops um Roland Paul, den aktuellen Musikantenlandpreisträger aus Wien und seinen Vorgänger Roland Vanecek ordentlich einheizten.

Doch der Reihe nach. Zunächst waren die rund 30 Sängerinnen und Sänger mit Gunnar Eriksson, dem schwedischen Chorleiter, Dozent und Arrangeur an der Reihe, um das Ergebnis der viertägigen Arbeit zu präsentieren, deren Schwerpunkt auf der Improvisation lag. Roland Lißmann hatte in seiner Begrüßung versprochen, dass „Altbekanntes in völlig neuem Gewand“ die Besucher erwarten würde. Dass die Früchte auf bestens präparierten Boden fallen würden, war schon zuvor bei der Begrüßung durch Ingrid Hirschberger abzusehen, denn jede einzelne erwähnte Person öffentlichen Interesses wurde mit einer individuellen Blechfanfare von Paul und/oder Vanecek bedacht und dies wiederum mit begeistertem Applaus goutiert. Gut eine Stunde währte die nahtlos vorgetragene Improvisation zu den drei Themen 800 Jahre Burg Lichtenberg, Kuba und „Reise in fremde Kulturen“ wobei durchaus einige Ermüdungserscheinungen bei den Choristen zu vernehmen waren und der Spiritus Rector gelegentlich vom Keyboard aus helfen musste, in eine gemeinsame Tonartenbasis zurückzufinden. Zu an Minnegesang und Gregorianik erinnernden Vokalklängen mischten sich die von Mats Eriksson gezupften Gitarrensaiten und immer mal wieder Einwürfe von den beiden Blechbläsern. Aus metrisch frei schwebenden Sphären entwickelte sich der Choral „Nun komme der Heiden Heiland“ ehe sich, wie in der Musikgeschichte eben auch am Übergang zur Renaissance, der Rhythmus herausschälte. Im konkreten Fall mit einem pointiert vorgetragenen „Halleluja“, das wiederum in die frühe Mehrstimmigkeit und schließlich eine Vokalpolyphonie à la Palestrina mündete. Dabei aber jede akademische Attitüde fehlte. Stattdessen erklang das ein oder andere bestens bekannte Madrigal mal „pur“, mal bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, um sich nach einem instrumentalen Zwischenspiel quasi zurückzuentwickeln und erneut über den Umweg eines Kanons mit Glockenschlagimitation und Quodlibet zum eingangs gehörten „Nun komm der Heiden Heiland“ zu finden. Es würde zu weit führen, jedes einzelne Detail aufzuführen, das in der Präsentation auftauchte. Zumal es ja auch noch einen zweiten Programmblock nach der Pause gab, in dem Instrumentalmusik im Vordergrund stand. Soviel dann aber doch noch: Mit dem Auftritt eines Schlagzeugers schlug das Ensemble einen Bogen über den großen Teich Richtung Südamerika und nach einem einfühlsamen Gitarrensolo entwickelte sich ein Samba-Kanon, aus dem sich wie von Geisterhand das Lied „Es tönen die Lieder“ herausschälte, das wiederum mit dem bestens bekannten und vom Publikum begeistert mitgeschmetterten „Guantanamera“ konfrontiert wurde, ohne dass musikalische Berührungsängste aufgetreten wären. Schließlich gab es noch einen Abstecher in Richtung keltische Folklore und die Musik mittelalterlicher Bänkelsänger und Spielleut, wie sie vor 800 Jahren wohl auch durch die Mauern der Lichtenburg gehallt sein mögen. Wesentlich weniger subtil als vielmehr vom Fleck weg auftrumpfend stieg das Instrumentalensemble aus Geige, Klarinette, Horn, Tuba, Posaune, Basstrompete, Sousafon, Schlagzeug und Keyboard in seine Vorführung ein. Fürs Publikum unsichtbar drangen Wagner-Klänge aus der Kirche, ehe sich ein Sänger anschickte, im Stil eines Bach’schen Rezitativs die Moritat vom großen Brand der Burganlage vorzutragen. Von da ging es über Klezmermusik zu ungarischer Folklore und schließlich zu einem poppigen Zickenkrieg um einen Apfelpudding, von Arnold Schönberg zu Andrea Berg, alpenländischer Idylle mit Zitherklängen und Kuhglockenimitaten, wobei sich immer mal wieder die Konstellationen veränderten, in denen musiziert wurde und auch jede Menge schauspielerischer Klamauk geboten wurde. Aber eines zog sich wie ein roter Faden durch den ganzen Abend: „Noten verboten!“ Und siehe da, es geht auch ohne. Was zu beweisen war.

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