Kreis Kusel An den Grundfesten gerüttelt

Eine fast vergessene Seite der pfälzischen Geschichte sprach das Konzert in der Odenbacher Synagoge am Freitagabend an. Bei der hochkarätigen Villa-Musica-Veranstaltung traten Alexander Hülshoff, Violoncello und Francesca Dego, Geige auf – und begeisterten die Zuhörer.

„Die Pfalz ist nicht nur das Land der Burgen, des Weins und der Musik“, sagt Alexander Hülshoff. Das Bild der Pfalz sei von zahlreichen kleinen Synagogen geprägt, so wie die Geschichte der Pfalz mit der jüdischen Geschichte verwoben sei. Die Odenbacher Synagoge ist ein gutes Beispiel: Das kleine Gebetshaus schmiegt sich in die kleinen Winkel der Ortsmitte. Zu Beginn des Konzerts gab es Johann Sebastian Bachs Cello Suite Nummer 2. Mit präziser Ausdruckskraft und einem kraftvollen, zugleich warmen und nuancenreichen Ton führte Hülshoff die Gäste in die Welt Bachs. Viele Zuhörer hatten die Augen geschlossen, andere zeichneten mit ihren Blicken die teils freigelegten Jugendstil-Ornamente der Synagoge nach, andere wiederum beobachteten die virtuosen Bewegungen Hülshoffs am Violoncello. Nach dem bekannten Bach wird das Klassik-Spiel gestört. Im Duo für Violine und Violoncello von Erwin Schulhoff rücken Klassik, Folklore und Jazz dicht zusammen. Das Spiel wirkt nun aufgelockert, bisweilen atonal mit jazzigen Seitensprüngen. Francesca Degos Geige klingt in einem Moment weich und sinnlich, im nächsten Moment wild. Auch Francesca Dego bringt ihre persönliche Geschichte mit nach Odenbach. In das Gästebuch der Synagoge schreibt die Italienerin auf Englisch von der faszinierenden Gegend und der besonderen Stimmung in den Gassen des Ortes und der Synagoge. Dass es für sie ein berührender Moment sei, in Deutschland zu spielen. Denn Francesca Degos Wurzeln liegen zu Teilen in Deutschland. Ihre Mutter trug den Namen Strauß, wie sie im Gästebuch schreibt. In barbarischen Zeiten ist ihre Familie aus Deutschland in die USA geflohen. Heute begeistert sie das Odenbacher Publikum mit ihrem Geigenspiel. Doch zurück zu Johann Sebastian Bach mit Ciaccona für Violine Solo aus der Partita Seconda. Und wieder rütteln die professionellen Musiker im Anschluss an den Grundfesten der Klassik. Diesmal mit Maurice Ravel. Die Zukunft der Klassik sei der Jazz, zitiert Hülshoff frei den Künstler, der mit dem Orchesterwerk Boléro bekanntwurde. Aber auch das wohl bedeutendste Werk für Violine und Violoncello, die Sonate „À la mémoire de Claude Debussy“ komponierte er. Dego und Hülshoff erwecken das Stück zum Leben. Harmonische Strenge und wachsendes Interesse an linearer Bewegung kehren periodisch wieder. Auch zeigen sich Anklänge von Volksmusik, treiben fast brutale Dissonanzen das Stück nach vorne. Die Jugendstil-Ornamente der Synagoge wurden während der Sanierung von mehr als einem Dutzend Schichten Putz befreit, erklärt Ursula Woehl, Vorsitzende des Fördervereins der ehemaligen Synagoge. Die vielschichtige Geschichte setzten die herausragenden Musiker im Hier und Jetzt musikalisch in Szene. (rma)

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