Kusel Nur ein Tropfen auf den heißen Stein

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Seit Monaten befindet sich der Milchpreis in einer Abwärtsspirale. Auch im Landkreis Kusel sind Landwirte, deren Haupterwerbsquelle die Milcherzeugung ist, von dem Preisverfall betroffen. Die beim „Milchgipfel“ am Montag zugesagten Soforthilfen in Höhe von zumindest 100 Millionen Euro sehen sie allenfalls als Nothilfe, aber keinen dauerhaften Ausweg aus der Milchkrise. „Viel rumgekommen ist ja nicht“, lautet der skeptische Kommentar.

Die angespannte Lage am Milchmarkt, die von einem Überangebot an Rohmilch gekennzeichnet ist, bietet am heutigen „Tag der Milch“ wenig Anlass zur Freude. Der zuletzt gezahlte Preis von 25 Cent je Kilo decke die Produktionskosten nicht, skizziert Axel Schneider das Dilemma. In Wiesweiler hat der Landwirt einen Betrieb mit annähernd 70 Milchkühen. Nur wer in Zeiten höherer Preise ein entsprechendes Polster gebildet habe, könnte die derzeitige Milchpreiskrise durchstehen. Denn die zugesagten Liquiditätshilfen von „100 plus X“ Millionen brächten jedem Milcherzeuger gerade mal knapp 1500 Euro. Das sei kaum mehr als ein „Tropfen auf einen heißen Stein“, argumentiert Schneider: „Und warum sollte ich Fremdkapital aufnehmen, um Liquiditätshilfe zu erhalten.“ Er wirbt für einen „fairen“ Milchpreis, damit die Bauern nicht draufzahlen müssen, sondern die Substanz erhalten können. Die Milcherzeugung hat der Landwirt zuletzt etwas gedrosselt. Wenn Berufskollegen aus freien Stücken weniger Milch ablieferten, sei dies ein Weg, um eine bessere Balance zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen, findet Axel Schneider. Wenig von einer Mengenbegrenzung hält hingegen Jörg Brassel, der in Albessen seit wenigen Jahren über einen neuen Stall mit Melkroboter für 200 Milchkühe verfügt. Landwirte, die neu investiert haben, könnten nicht weniger melken. Damit die Kuh satt wird, kalkuliert er zwölf bis 15 Cent je Liter Milch. Bei derzeit 20 Cent pro Liter Milch blieben gerade noch ein Viertel für Lohnkosten, Tiergesundheit und Kapitaldienst. „Das ist zu wenig“, folgert der Landwirt, der im Aufsichtsrat der Genossenschaftsmolkerei Hochwald Foods sitzt. An das Molkereiunternehmen in Thalfang im Hunsrück, dessen Einzugsgebiet in erster Linie Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland umfasst, liefern ganz überwiegend die rund 50 Milcherzeuger im Landkreis. Auch in einer Umstellung auf Biomilch oder Direktvermarktung sehen die Milchbauern im Landkreis wenig Chancen. Die Herstellung von Biomilch sei ein „Nischenmarkt“, gibt Brassel zu bedenken. Wenn davon zu viel erzeugt werde, sinke auch in diesem Teilmarkt der Preis. Und für Direktvermarktung, die entsprechende Investitionen voraussetze, fehle es in der Region an Nachfrage. Deshalb müssten Landwirte, die sich für diesen Weg entschieden haben, bis nach Trier und Ludwigshafen liefern. Vor dem Hintergrund der Malaise mit dem Milchpreis rechnet Brassel damit, dass die Zahl der Milcherzeuger insgesamt zurückgeht. Norbert Bier von der Bremmenmühle zwischen Thallichtenberg und Pfeffelbach bewirtschaftet mit einer Fremdarbeitskraft und Aushilfen einen Betrieb von 200 Hektar. Derzeit entsteht ein neuer Boxenlaufstall für 120 Milchkühe. Damit soll speziell die Arbeitsbelastung durch das tägliche Melken verringert werden, argumentiert der Landwirt. Mit den aktuellen Milchpreisen – Supermärkte und Discounter bieten den Liter Milch für 46 Cent an und Erzeuger erhalten mitunter weniger als 20 Cent – sei die Schmerzgrenze überschritten. „Betriebswirtschaftlich zehren wir von der Substanz und können keine Rücklagen bilden“, sagt Bier. Angesichts höherer Standards bei der Umwelt und Tierhaltung wäre eine höhere Wertschätzung der Verbraucher für die Milch zu erwarten. Die Krise sei weder durch die einzelnen Betriebe noch national durch staatliche Maßnahmen oder die Molkereien zu bewältigen, sind die Landwirte übereinstimmend überzeugt. Denn die Milcherzeugung sei in Ländern wie Frankreich, Irland und den Niederlanden nach dem Wegfall der Quotierung Anfang 2015 stärker ausgeweitet worden. Zudem beeinflussten vor allem globale Faktoren wie das Russland-Embargo, eine abgeschwächte Nachfrage in China und Mehrproduktion in Neuseeland den Absatz von Milch und Milchprodukten. (rac)

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