Kusel „Beim Fußball die Birne frei kriegen“

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Einfach beim Spielen den Kopf frei bekommen. Das gefällt den Spielern des Fußballclubs Kontaktstelle Holler. Die meisten von ihnen sind Teilnehmer des Deutschkurses bei der sozialen Anlaufstelle in der Berliner Straße. Den Kopf kurz frei bekommen, das gilt auch für die Kicker des FC Lampedusa: Der Verein vom Hamburger Kiez ist aus einer solidarischen Bewegung für afrikanische Flüchtlinge heraus entstanden. Am kommenden Samstag treffen die Teams in Hamburg aufeinander.

Abdul Karim Bakri wartet schon vor der Kontaktstelle auf die Mannschaftskollegen. Seit genau 40 Tagen ist der Syrer in Kusel. Der Deutschkurs und vor allem das gemeinsame Fußballspielen an der Kontaktstelle, bei der SG Konken/Etschberg und manchmal mit den anderen von der Kontaktstelle beim freien Training in Rammelsbach sind eine willkommene Abwechslung. Bakri ist also vorbereitet: Am 29. August spielt der FC Kontaktstelle Holler, der gerade die neuen Trikots – eine Spende der Trendfirma – bekommen hat, im Hamburger Stadtteil St. Pauli gegen den FC Lampedusa Hamburg. „Die Idee gibt es schon länger“, berichtet Sozialarbeiter Bastian Drumm. Nun habe alles gepasst, und so fahre die Truppe Freitagnacht mit drei Kleintransportern los, am Samstagmorgen um 11 Uhr wird das Spiel angepfiffen. Insgesamt 24 Leute fahren mit – „die Fans haben auch ihren Platz in den Autos“, sagt Drumm. Mit einem Sieg gegen den Hamburger Klub rechnen Trainer und Spieler des FC Kontaktstelle Holler nicht. Der Erfahrungsaustausch mit den Engagierten vor Ort und die Freude am Spiel stehen im Vordergrund, betont auch Caroline Cassel, die gemeinsam mit Ilse Schleppi und Daniela Kauf die Deutschstunden in der Kontaktstelle organisiert. Einige gute Einzelspieler habe das Kuseler Team schon in seinen Reihen – doch Spieler wie Betreuer sind sich einig: Nur durch eine geschlossene Mannschaftsleistung wird man gegen die voll im Training stehenden Spieler des FC Lampedusa mithalten können. FC Lampedusa, so nennen sich die fußballbegeisterten jungen Männer, die bei der Flucht aus ihrer Heimat über die italienische Insel Lampedusa nach Norddeutschland gekommen sind. Im März 2013 hatten etwa 300 Flüchtlinge in Hamburg Zuflucht gesucht. 2011 waren sie den chaotischen Zuständen in ihren Heimatländern entronnen, auf dem Weg nach Europa auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet. Italien war aber nur eine Zwischenstation: Erst kamen sie in Flüchtlingslagern unter, dann wurden sie mit Touristen-Visa in Richtung Norden geschickt und landeten schließlich in Hamburg. Als „Lampedusa-Flüchtlinge“ machten sie bundesweit Schlagzeilen, als etwa 80 von ihnen in der St.-Pauli-Kirche Unterschlupf gefunden hatten. Sie kämpften – mit Unterstützung vieler Hamburger Bürger – gegen ihre Ausweisung. Heute leben sie in der ganzen Stadt verteilt und spielen sich beim Fußball den Kopf frei – das ist vielen nur beim FC Lampedusa möglich. „Da viele Flüchtlinge keine Papiere besitzen, stellt der Verband keine Spielerpässe aus – und dem FC Lampedusa bleibt der Vereinsstatus verwehrt“, erläutert Hagar Groeteke im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Sie ist eine der vier Trainerinnen des FC Lampedusa. Fünf Frauen, aktive oder ehemalige Spielerinnen des FC St. Pauli, trainieren den Klub. Unterstützung erfahre der FC Lampedusa aber auch von vielen anderen Seiten. In der Sommerpause der offiziellen Fußball-Ligen bestritt der Flüchtlings-Klub mindestens einmal pro Woche ein Freundschaftsspiel, berichtet die Trainerin. Mit der Tatsache, dass viele der Spieler nach wenigen Monaten Aufenthalt Deutschland – und damit das Team – verlassen müssen, müssen Spieler und Verantwortliche leben. Dass in der öffentlichen Diskussion vermehrt „zwischen guten Flüchtlingen aus den akuten Krisengebieten und schlechten Flüchtlingen aus den erklärtermaßen sicheren Herkunftsländern“ unterschieden werde, sei nicht unbedingt förderlich für die Stimmung in der Mannschaft, sagt Groeteke. Wichtig sei aber, dass auch Flüchtlinge ohne Aussicht auf Bleiberecht beim FC Lampedusa wenigstens etwas aktiv sein und „beim Fußballspielen die Birne frei kriegen“ können, schildert die Trainerin. Die Befürchtungen des FC Kontaktstelle Holler kann die Trainerin übrigens verstehen – und räumt den Gästen aus Kusel keine großen Chancen ein. Auf jeden Fall aber wollen die Gastgeber sicherstellen, dass alle ihren Spaß haben, verspricht Hagar Groeteke. (rma)

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