Kreis Kaiserslautern Verbotene Liebe

Zweckehen sind nie sonderlich emotional. Oft geht es um schicke Wohnungen, geringere Steuern oder das Bleiberecht. Die Verbandsgemeinde Otterbach-Otterberg ging aus politischen Gründen eine Beziehung ein. Sie fusionierte im vergangenen Jahr. Es geht auch anders. Das Ehepaar Georg und Christel Laier lieben sich, seitdem sie 16 sind. Er kommt aus Otterberg, sie aus Otterbach. Die Liebesgeschichte könnte zum romantischen Leitfaden für ihre Heimatorte werden.

Psychologisch betrachtet, ist Verliebtsein ein recht eigentümlicher Zustand. Nachts können Menschen aus der rosa-roten Welt schlecht einschlafen, weil der andere nicht neben ihnen liegt. Sie lesen dann zur Beruhigung immer und immer wieder die Gute-Nacht-SMS ihres Schwarms. Wenn sich die Turteltäubchen am nächsten Tag wieder in der Pause auf dem Schulhof sehen, bekommen sie auch noch schwitzige Hände. Puh, ganz schön anstrengend. Christel Laier kennt diese Gefühle. Der Grund für ihre schlaflosen Nächte hieß Georg. Als 16-Jährige entdeckte die Otterbacherin den Otterberger im Haus Hamann, damals ein angesagtes Tanzlokal. Dem ebenfalls 16-jährigen Metzgerssohn fiel das Mädchen auch gleich ins Auge. Damit begann das Problem. Aber nicht, weil sie aus zwei Orten kamen, die nicht immer ein liebevolles Verhältnis zueinander hatten. „Meine Mutter wollte nicht, dass ich mal in einer Metzgerei lande. Deshalb gab es ein Treffverbot“, sagt die heute 64-Jährige. Und dann war sie auch noch katholisch, ihr Herzblatt evangelisch. Nicht sehr förderlich in einer Zeit, in der Ethikunterricht fürs Volk noch von der Kanzel aus erteilt wurde. Doch die Anziehungskraft zwischen beiden war stärker als kirchliche Dogmen. Sie trafen sich heimlich, eine Freundin nahm Christel Laier immer wieder mit ins Haus Hamann, sie selbst hatte noch keinen Führerschein. „Doch die Sache ist aufgeflogen, weil meine Schwester gepetzt hat. Meine Mutter meinte dann sogar, dass sie mir ein Auto bezahlt, wenn wir uns nicht mehr treffen.“ Es kam anders. Vergangene Woche, Konrad-Adenauer-Straße, Otterbach. Von außen sieht der mehrgeschossige Funktionsbau mit der eierschalgelben Fassade etwas spröde aus. Doch im Innern ist das anders. Im dritten Stock wohnt das Ehepaar Laier seit sechs Jahren. Die beiden sitzen auf Lederstühlen an einem stylischen Holztisch. Die Wohnung ist geschmackvoll eingerichtet, nicht zu viel Schnickschnack. Offene Küche, ein demonstratives Ledersofa und ein paar Keramikhasen – Ostern steht ja vor der Tür. „Emil“, ein Jack Russell, ist gerade dabei, ein Kissen des demonstrativen Ledersofas über den Parkettboden zu schleifen. „Das ist ein Wilder“, sagt Georg Laier. Der Otterberger selbst hat auch wilde Zeiten erlebt. Vor allem auf dem Fußballplatz, erinnert sich der Immobilienmakler, der seinen Schnurrbart recht dezent trägt: „Da gab’s immer was auf die Knochen, wenn wir gegen Otterbach gespielt haben.“ Laier schnürte lange die Kickschuhe für den SV Otterberg. Besonders heiße Derbys gab es zu einer Zeit, als der SV einen Trainer aus Otterbach hatte. Den „Weißen Hai“. Der Mann mit den schneeweißen Haaren, dessen Nachname identisch mit der Raubfischart war, hat, „als wir gegen Otterbach gewonnen haben, sogar den Rasen geküsst“, sagt der 63-Jährige, lacht und zieht an seiner E-Zigarette. Die Beziehung zwischen Otterberg und Otterbach, Verzeihung, Otterbach und Otterberg, war und ist nicht immer einfach. In den 1990er-Jahren wollten die Gemeinden schon einmal fusionieren, doch daraus wurde nichts. Der Grund für die geplatzte Hochzeit wurde nie öffentlich gemacht, doch einige gehen davon aus, dass die Zusammenkunft scheiterte, weil sich die beiden Bürgermeister nicht riechen konnten. „Damals waren alle total emotional“, sagt Martin Müller. Er ist hauptamtlicher Beigeordneter und Otterberger Stadtbürgermeister. Doch im vergangenen Jahr haben die Kommunen Ernst gemacht und fusioniert. Nicht aus Zuneigung, sondern aus politischen Gründen, um langfristig überleben zu können. Fusion. Dieses Wort klingt schon so kalt. Es gehört eher zum Wortschatz eines Physikprofessors als zur Begriffsreihe einer Beziehungsgeschichte. Gibt es überhaupt so etwas wie Gefühl zwischen Otterbachern und Otterbergern? Na ja. Zumindest bei Martin Müller funktioniert die Völkerverständigung privat schon ziemlich gut. Seine Tochter ist seit Langem mit einem Otterbacher liiert. Wie schön. Und auf Verwaltungsebene? Keine Liebesgeschichten? „Es wäre gelogen, wenn man sagt, das alles glatt läuft. Aber es ist sachlich. Das war früher anders“, sagt Müller. An früher können sich Christel und Georg Laier noch gut erinnern. Und daran, dass ihre Liebe siegte. „Wir waren das erste Paar aus Otterbach und Otterberg, das ökumenisch getraut wurde“, sagt die gelernte Krankenschwester, die kunstvoll den Schal um ihren Hals drapiert hat. Seit dem 13. Dezember 1971 tragen die zwei den Ring am Finger. Sie wirken noch heute glücklich, können miteinander lachen, ausgiebig, wenn sie über die Vergangenheit erzählen. Etwa über das „Exotica“, eine Kombination aus Kneipe, Disco und Spielhölle, das sie in Steinbach am Glan lange führten. „Da haben wir super Sachen gemacht“, sagt Georg Laier. Dort gab’s für ein halbes Jahr eine Stripbar. Und „damit haben wir viel Geld verdient. Doch irgendwann war mir das zu viel, und er hat das schnell aufgegeben, als ich gesagt habe, dass das die Ehe vielleicht nicht aushält“, sagt seine Frau. Wie finden die beiden nach ihrer turbulenten Liebesgeschichte heute die Beziehungen zwischen Otterbach und Otterberg? „Man hat schon immer Sprüche gemacht, aber das war nie bösartig. Bei der Fusion wurde natürlich diskutiert, warum Otterbach im Namen vor Otterberg stehen soll“, sagt die 64-Jährige. Ihr Mann meint, „dass jetzt die Otterberger sagen, dass die do unne jetzt uns do owwe regiere wolle. Aber das ist nur Spaß“. Mittlerweile sei es so, dass die Otterbacher zum Dorffest nach Otterberg fahren und umgekehrt. Man treffe sich entspannt beim Bier. Außerdem seien sie ja das lebende Beispiel dafür, dass diese Beziehung sich zu einer harmonischen entwickeln kann, wenn man nur will.

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