Kandel/Neulauterburg Weder „riwwer“ noch „niwwer“: Bauern blockieren Grenzen

Am Grenzübergang der B9/A65 wurden zeitweise Korridore für die Weiterfahrt eingerichtet.
Am Grenzübergang der B9/A65 wurden zeitweise Korridore für die Weiterfahrt eingerichtet.

Erneut gingen Bauern am Montag auf die Straße. Ihr Ziel: die Grenzübergänge nach Frankreich. In Neulauterburg ging stundenlang fast gar nichts mehr.

Etwa 50 Landwirte aus der Vorder- und Südpfalz waren dem Aufruf der Initiative „Land schafft Verbindung“ (LSV) gefolgt und hatten sich in aller Frühe auf dem Aldi-Parkplatz in der Lauterburger Straße in Kandel versammelt. Die Demo war angemeldet und mit der Kreisverwaltung und Polizei abgesprochen, berichtete Nikolas Meyer (Steinweiler). Der Konvoi setzte sich kurz vor 6 Uhr in Richtung B9 und L554 und dann zum Grenzübergang Neulauterburg in Bewegung. Begleitet von Polizeifahrzeugen sorgte man so zunächst für „Entschleunigung“ auf der viel befahrenen Bundesstraße.

Französische Landwirte zeigten sich solidarisch mit den deutschen Kollegen.
Französische Landwirte zeigten sich solidarisch mit den deutschen Kollegen.

An der Grenze Neulauterburg wurden beide Seiten mit schweren Traktoren zugestellt. Kein Übergang war mehr möglich – weder „riwwer“ noch „niwwer“. Dennoch zeigten die Autofahrer und Berufspendler Verständnis, wenngleich die alternativen Strecken einen deutlichen Mehraufwand bedeuteten. „Saugeil“ fand eine jüngere Autofahrerin, die aus dem Elsass kam, die Demo. Endlich bewege sich mal was, meinte sie. Ehe sie sich auf den Umweg über Scheibenhard machte, schoss sie noch ein Selfie vor der Traktoren-Demo.

Solidarische Franzosen

Der offene Grenzübergang in Scheibenhardt wurde im Verlauf des Vormittags häufig genutzt. Nicht empfehlenswert war hingegen die Fahrt über die französische A35. An der Grenze an der B9/A35 (zwischen Lauterbourg und dem französischen Scheibenhard) waren ebenfalls Landwirte mit schweren Fahrzeugen vorgefahren. Bauern aus elsässischen Dörfern zeigten Solidarität mit ihren Berufskollegen. Die Probleme seien dieselben oder zumindest ähnlich, war mehrfach zu hören. „Die Politik von heute wird uns morgen töten“, stand in französischer Sprache auf einem Plakat oder auch „No Farmers, no Future“.

In aller Frühe trafen sich die Bauern bei Kandel.
In aller Frühe trafen sich die Bauern bei Kandel.

Unterdessen staute sich der Verkehr aus Richtung Frankreich. Die französische Gendarmerie griff nicht ein, weil sich letztlich alles von selbst regelte. Zehn deutsche Bauern wurden sogar eingeladen, auf französischem Gebiet mit ihren Kollegen aus dem Elsass zu demonstrieren. Ein Krankenwagen, der über die Grenze musste, hatte ebenfalls keine Probleme. Die Solidarität mit den deutschen Bauern ging sogar soweit, dass man in Scheibenhard zum Mittagessen eingeladen wurde, wie Kandels Erster Beigeordneter Michael Gaudier berichtet. Gaudier war schon in aller Frühe in Kandel mit dabei und begleitete den Tross der Traktoren bis zur Grenze. Verkehrsprobleme, die befürchtet worden waren, habe es in Kandel nicht gegeben, sagte er.

Die Landwirte legten den Verkehr an mehreren Stellen lahm.
Die Landwirte legten den Verkehr an mehreren Stellen lahm.

Stundenlang Stillstand

Damit der Stau nicht zu lang wird, wurden von Zeit zu Zeit Korridore für die Weiterfahrt eingerichtet. Am Grenzübergang in Neulauterburg gab es allerdings stundenlang kein Durchkommen. Nur Autos, die von Scheibenhardt in Richtung Berg/Neuburg/Hagenbach fahren wollten, fanden eine Möglichkeit. Für Notfälle, für Krankenwagen oder Feuerwehrfahrzeuge hätte man natürlich schnell geöffnet, räumten die Bauern ein. Alles sei gut abgestimmt gewesen, so Ingo Pfalzgraf (Ingenheim), einer der Verantwortlichen für die Demo. Auch Junglandwirt Nikolas Meyer war am Nachmittag zufrieden: Alles sei friedlich und weitgehend planmäßig verlaufen, sagte er.

Pendler zeigten Verständnis für den Protest.
Pendler zeigten Verständnis für den Protest.

Eine weitere Gruppe von Landwirten, darunter Jürgen Zapf aus Kandel, nutzte den Tag zu Infogesprächen mit Kunden auf dem Karlsruher Wochenmarkt. Dass es den Bauern längst nicht mehr nur um die Kürzungen der Subventionen für den Agrardiesel geht, wurde bei allen Aktionen deutlich. Zapf stellte dies auf seinem Plakat anhand eines Eisbergs dar, von dem nur die Spitze aus dem Wasser ragte. Darunter aber, für die allermeisten Menschen und die wenigsten Politiker sichtbar, gehe es um eine überbordende Bürokratie zur Erfüllung ständig neuer Auflagen und Kontrollen, lange Arbeitszeiten, kaum Ferien oder Urlaube für Bauern mit Tierhaltung, Wetterextreme, den Fachkräftemangel, um Dürren und Weltmarktpreise, mit denen die deutsche Landwirtschaft nicht Schritt halten könne. Auch das Preisdiktat durch die Großabnehmer oder der Flächenfraß seien belastend. Was die Landwirte auch bedrücke, sei das geringe Ansehen in der Bevölkerung. Viele Menschen wüssten nicht mehr, wo ihre Lebensmittel herkommen und welche Arbeit dahinter stecke. Nur die Liebe zum Beruf, zur Natur und zu den Tieren ermutige die meisten, durchzuhalten, so Zapf im RHEINPFALZ-Gespräch.

Auf dem Weg zur Grenze bei Neulauterburg.
Auf dem Weg zur Grenze bei Neulauterburg.
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