Kreis Germersheim Von Speyer bis Weißenburg werden Truppen versorgt

GERMERSHEIM. Nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers Karl II. führten Frankreich und das habsburgische Österreich einen Krieg um die „frei“ gewordene spanische Krone. Der Konflikt, der als „Spanischer Erbfolgekrieg“ in die Geschichtsbücher einging, dauerte von 1701 bis 1714 und wurde mit unterschiedlichen Allianzen in vielen Regionen Europas ausgetragen. Die Kurpfalz stand auf kaiserlicher Seite gegen Frankreich. Es finden sich auch heute noch Spuren dieses Krieges in der Südpfalz.

Doch sind es nicht die Ruinen umkämpfter Bauwerke oder einstige Schlachtfelder, sondern die nüchternen Zahlen gemeindlicher Haushalte jener Jahre, die selbst heute noch ein Zeugnis davon ablegen, wie sehr die Lage im Aufmarschgebiet französischer Truppen und ihrer Gegner und die damit verbundenen vielfältigen Requisitionen sich nachteilig auf die Bevölkerung auswirkten. Dies galt insbesondere für Germersheim. Die kurpfälzische Oberamtsstadt hatte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch kaum von den Wunden erholt, die ihr der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) und das Trauma der Zerstörung und Niederbrennung durch französische Truppen unter dem Marquis de Vaubrun im Jahr 1674 geschlagen hatten. Diese Eingriffe dezimierten nicht nur die Zahl der Einwohner ganz beträchtlich, so dass sich bald eine „ganz neue Bürgerschaft“ am Ort aufhielt, sondern waren auch so nachhaltig, dass das finanzschwache Gemeinwesen noch lange darunter zu leiden hatte: und sich die Wiederherstellung dringend benötigter öffentlicher Gebäude und Einrichtungen in die Länge zog. Die wenigen Einnahmen, die der städtische Haushalt zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufwies – Pachterlöse, Einnahmen von Holz- und Grasverkäufen, Gebühren etc. – waren jedoch ausreichend, um das bescheidene „öffentliche Leben“ in der kurpfälzischen Oberamtsstadt aufrechtzuhalten. Das änderte sich jedoch schlagartig im Zuge der zeitlichen Ausdehnung des Krieges: So musste Germersheim bald den ihm zugemessenen Anteil an Kriegskosten aufbringen, die bald schon die Hälfte der städtischen Ausgaben ausmachten und 1709 mit 85,8 Prozent (1764 Gulden bei einem Volumen von insgesamt 2056 Gulden) ihren Höchststand erreichten. Den ausgeschriebenen „Französischen Kontributionsgeldern“ konnte die Stadt in jenen Jahren nur noch gerecht werden, indem sie die unwillkommenen Mehrausgaben direkt von ihren Bürgern erhob. Wie die Rechnungsbücher jener Zeit ausweisen, wurde für das Oberamt Germersheim in jedem Jahr ein bestimmter Betrag ausgeschrieben, wovon ein Anteil (in der Regel ein Fünftel des Gesamtbetrages) von der Stadt und den sie umgebenden „Fauthei-Dörfern“ zu leisten war. Auch wenn die so erhobenen und von der Stadt Germersheim mangels eigener Finanzkraft auf ihre Bürger umgelegten französischen Kontributionsgelder schon große Belastungen für das Volk darstellten, so verschlimmerte sich die Situation ab 1709 noch zusehends, da man dazu überging, im laufenden Jahr schon die Kontributionsgelder für das nächste Jahr festzusetzen, und diese bereits im Voraus in Teilbeträgen einzutreiben. Weitere Gelder kamen kriegsbedingt hinzu, wie beispielsweise die Ausgaben für die französischen „Salve Guarden“ – Soldaten, die die Stadt vor aufziehenden Gefahren frühzeitig warnen sollten oder besondere Schutzaufgaben wahrzunehmen hatten – was die gemeindlichen Ausgaben zusätzlich aufblähte: 1713 hatte man für die „Franz. Salve Guarden Commendanten und dergleichen Kriegs Kösten“ die stolze Summe von 461 Gulden aufgewendet. Den Schutz der städtischen Ziegelhütte, deren Erlöse eine wichtige Einnahmequelle darstellten, hatte 95 Tage lang ein französischer Musketier übernommen, dem man zeitweise noch eine aus acht Bürgern bestehende „Mannschaft“ zur Seite gestellt hatte. Doch der Aufwand blieb mehr als fraglich: Ein Hinweis im Rechnungsband des Folgejahres erwähnt die „durch die Frantzosen gantz ruinirte Statt Ziegelhütt“, was für die Stadt zudem noch massive Einnahmeausfälle mit sich brachte. „Im weiteren Verlauf des Krieges finden wir Germersheim bald von alliierten bald von französischen Truppen besetzt“ vermerkte Joseph Probst in seiner Geschichte der Stadt und Festung Germersheim über jene Jahre. Zu den von den Bürgern erhobenen „gemeinen Umblagen“ gesellten sich durch die Aufenthalte der häufig wechselnden Besatzungstruppen von Anfang an auch Naturalleistungen, die sich aus den zahlreichen Bedürfnissen des Militärs ergaben. Oftmals ließen sich die Soldaten in den Germersheimer Wirtshäusern nieder, wobei die Wirte die undankbare Aufgabe hatten, die für die Bewirtung angefallenen Kosten im Nachhinein bei der Stadt einzufordern. Angesichts des geringen Volumens des städtischen Haushalts, der keinerlei Rücklagen aufwies und in der Regel am Ende eines Rechnungsjahres noch nicht einmal mehr ausgeglichen war, mussten sich die Gläubiger mitunter mehrere Jahre gedulden, ehe die Stadtkasse in der Lage war, die ausstehenden Beträge zu ersetzen. So vermerkte man in 1707: „Item Herrn Lambwirth dahier Vor Zehrung Vor Herrn Lieutnant von Kopp wie auch vor her gegebenes Vieh vor die Frantzösischen Anno 1706 hier gestandenen Trouppen 139 fl.[Gulden] 13 xr [Kreuzer]“. Bei den Naturalien, die abgegeben werden mussten – beispielsweise Gerste, Hafer und andere Getreide – waren die Kapazitäten der Germersheimer Bürger schnell erschöpft und man war gezwungen, bei größeren Lieferungen die Unterstützung der umliegenden Ortschaften zu erbitten. Im Jahr 1710 erstattete man z.B. dem Lingenfelder Schultheißen Adam Pale den Betrag von knapp 15 Gulden, dem man diesem bereits seit 1703 für Hafer schuldete, den ein französischer Kommandant verlangt hatte, der damals in Germersheim im Quartier gelegen hatte. Neben der „französischen Garnison“, die sich in den Ruinen des 1674 zerstörten Schlosses niedergelassen hatte, mussten auch französische Stützpunkte in der Umgebung verpflegt und versorgt werden. So war es 1712 der von den Germersheimer Fischern gefangene Fisch, der in die Küche des Generals de la Thour in Speyer geliefert werden musste. Das in Lauterburg errichtete Militärmagazin empfing von Germersheim aus 478 Gebund Stroh und im gleichen Jahr transportierte man auch 13 Klafter Holz in die Garnison nach Weißenburg. Aber auch die deutschen Truppen, die in der Nähe lagerten, richteten ihre Forderungen an die Germersheimer Bürger, so dass man 1709 beispielsweise einen Zentner Fisch an die „Chur Bayerische Küche“ nach Kandel zu liefern hatte. 1713 waren es größere Mengen an Holz, die man der Küche des „commandierenden Generals Hertzog von Würtemberg“ nach Rheinzabern zuführte.

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