Rhein-Pfalz-Kreis So ein Quark!

Gruß aus der Frühlingsküche: bunte Wald- und Wiesencracker.
Gruß aus der Frühlingsküche: bunte Wald- und Wiesencracker.

Wald für den Hausgebrauch: Heute wird es bunt. Wir pflücken Blüten und verzieren damit unser Quarkbrot. Das macht nach diesem langen Corona-Winter richtig gute Laune, und in Wiesenschaumkraut, Schlüsselblume und Co. steckt auch manch Gutes. Das wissen längst nicht nur ausgemachte Kräuterhexen.

In die Knie zwingt uns Volker Westermann ja immer mal wieder. Heute macht es aber richtig viel Spaß, mit ihm auf dem Waldboden entlangzukriechen. Denn der ist schön bunt getupft. Und eine ganze Menge dieser Blüten kann man essen, erklärt uns der Bildungsförster vom Forstamt Pfälzer Rheinauen. „Ein paar aber auch nicht, sie sind giftig.“ Na toll! Dann heißt es jetzt also gut aufpassen, damit nichts Falsches in unseren Beutel kommt.

„Damit jeder gut nachpflücken kann, was wir heute auf dem Waldboden finden, konzentrieren wir uns auf das Wiesenschaumkraut, die Schlüsselblume und den Gundermann“, sagt Westermann und knickt schon mal eine gelbe Blume ab. „Die Blätter geben einen Hinweis, um welche Pflanze es sich hier handeln könnte ... Richtig, es ist die Schlüsselblume, auch Wald- beziehungsweise Wiesenprimel genannt.“

Tatsächlich sehen die Blätter denen der gezüchteten Schlüsselblumen, die wir für den Garten kaufen, ähnlich. Unser Bildungsförster hat aber auch ein Schlüsselerlebnis für uns parat, damit wir uns noch besser merken können, was wir gleich für unser Quarkbrot pflücken werden: „Eines Tages rutschte dem Heiligen Petrus der Schlüssel zur Himmelstür aus der Hand und fiel auf die Erde. Plong. Damit aber kein Falscher und schon gar nicht der Teufel sich den Schlüssel schnappen konnte, ließ Gott rasch lauter Blumen mit gleichem Aussehen wachsen: Schlüsselblumen eben. Nur Petrus und er sollen angeblich den echten Schlüssel zwischen den Blumen erkennen können.“ Eine süße Geschichte. Schaut man sich eine Schlüsselblume genauer an, erinnert die Anordnung der Blüten wirklich an einen Schlüssel.

Um Schlüsselblumen ranken sich jede Menge weiterer Legenden und Mythen. Die Kelten sollen einen berauschenden Trank daraus zubereitet haben. In der nordischen Mythologie gilt die Schlüsselblume als die Blume der Elfen und Nixen. Im Vorgarten angebaut, soll sie ungebetene Gäste abhalten. Aber auch als Heilpflanze finden Schlüsselblumen immer wieder Verwendung. Das geben auch manche landläufige Namen her: Apothekerblume, Kraftblume, Mundfäulkraut und so weiter. Schlüsselblumen sollen in Medikamenten gegen Husten, Keuchhusten, Grippe, Migräne und Zahnschmerzen Anwendung finden. Und nach Hildegard von Bingen gegen Traurigkeit und psychische Schmerzen helfen.

„Es gibt zwei Arten von Schlüsselblumen. Sie sind eng verwandt“, verrät Westermann. Auf trockenen Wiesen wächst ihm zufolge die Echte Schlüsselblume (Primula veris) und im Wald auf feuchten, nährstoffreichen Böden die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior).

Plötzlich brummt es laut. Eine sehr dicke Hummel hockt auf einem Kraut mit kleinen blauen Blüten. „Das ist der Gundermann“, sagt Westermann. Er meint scheinbar die Pflanze. Wäre aber auch ein lustiger Name für eine Hummel. Ob die den Gundermann mit uns teilen mag? Der Förster fragt gar nicht und packt ein paar von seinen blauen Blüten ein. Übrigens ist der Gundermann ebenfalls ein Heilkraut. Wegen seines Vitamin-C-Gehalts und aufgrund seines würzigen Geschmacks machte sich der Gundermann in der Vergangenheit einen Namen als Soldatenpetersilie. Er enthält Kräuterexperten zufolge außerdem viele weitere wertvolle Inhaltsstoffe, die unter anderem bei Nierenbeschwerden oder Abszessen helfen können. Hildegard von Bingen und Kneipp erwähnten den Gundermann bereits in ihren Werken als Heilkraut. Dort wurde er für Leiden und Beschwerden im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich eingesetzt.

Unten auf dem Waldboden finden wir noch das Wiesenschaumkraut. Eine Pflanze, die sich auf Feuchtwiesen und in lichten Wäldern findet. Sie ist mit der Brunnenkresse verwandt und ebenso wie diese essbar. Wiesenschaumkraut-Tee gilt als Heilmittel gegen Rheuma. Außerdem wird ihm eine belebende Wirkung nachgesagt. Es enthält Senfölglykoside, Bitterstoffe und Vitamin C.

„Da haben wir es wieder, das Vitamin C. Das für die Menschen früher nach einem kalten und langen Winter so wichtig war, weil sie etwa noch keine Zitrusfrüchte kannten. In welchen Pflanzen finden wir es im Frühling noch? Genau! In den Blättern des Scharbockskraut – hier bitte nicht die Blüten essen. Und im Bärlauch.“

Unsere essbare Blütenkunde setzen wir nun im Stehen fort. Als Gegenbewegung zum Kriechen strecken wir uns ein wenig später den Blüten eines Apfel- und eines Kirschbaums entgegen. „Keine Ahnung, ob sie für etwas gut sind. Aber sie sehen einfach toll aus, und sie sind essbar“, sagt Westermann. Mit seinem Rotkäppchen-Korb und unserem gefüllten Blütensäckchen laufen wir aus dem Wald heraus über eine Wiese einem Bootssteg entgegen. Vor uns liegt der Angelhofer Altrhein. Auf dem Steg machen wir es uns gemütlich. Volker Westermann packt ein kariertes Geschirrtuch aus, Brettchen, Messer, frisches Brot, Cracker und Quark. Wir streichen den Quark auf Brot und Knabbereien und streuen die gesammelten Blüten darüber. „Sieht das nicht absolut großartig aus?“, fragt der Förster.

Simon Massoth findet ja. Er besitzt hier ein Campingareal und hat gerade nach seinem Boot geschaut. Er läuft an uns vorbei, betrachtet das Tischtuch, und wir erklären ihm, was es mit den bunten Blütenbroten auf sich hat. Wir laden ihn zu einem Versuch ein. „Ja, gerne“, sagt Massoth. Er erzählt uns, dass er seiner Freundin eine Kräutertour geschenkt hat und freut sich, ihr von seinem neuen Waldwissen und den essbaren Blüten zu erzählen. Dann kauen wir intensiv auf diesen herum. „Die Kirschblüte schmeckt süß“, findet Westermann, Massoth stimmt ihm zu. Einig sind wir uns auch, dass die Wiesenschaumkrautblüten leicht bitter sind. „Die Blätter sind noch bitterer. Aber kleingehackt machen sie sich im Quark als Würze trotzdem gut“, verrät der Bildungsförster. „Genauso wie übrigens der Gundermann.“ Von dem kann man auch die jungen Blätter in der Küche nutzen. Sie schmecken leicht scharf und ein bisschen minzig. Westermann streut nun noch ein paar Weißdornblätter auf die Brote. „Weißdorn ist herzstärkend“, sagt er und lacht. Na dann! Rein damit.

Insgesamt kommen wir bei unserem kleinen Picknick am See zu dem Fazit, dass die Blüten auf den Quarkbroten ein absoluter Hingucker sind, durchaus gesund, jedoch teils eher geschmacksneutral. „Aber sie sind in jedem Fall ein wundervoller Frühlingsgruß aus der Natur, den ihr gerne noch um Gänseblümchen und Löwenzahn erweitern könnt“, sagt Volker Westermann.

Wir lassen uns noch etwas die Frühlingssonne ins Gesicht scheinen, schauen auf das Wasser, das sich leicht im Wind kräuselt, und knabbern Wald-und-Wiesen-Cracker. Dann verabschieden wir uns von Simon Massoth, unserem Spontangast und Mitverkoster. „Das war doch jetzt richtig nett. Ist es nicht schön, wenn Natur Menschen verbindet?“, meint Westermann auf dem Rückweg. Und gute Laune macht sie so frühlingsbunt obendrein.

Die Serie

In „Wald für den Hausgebrauch“ verraten wir, was man mit Wald alles anstellen kann, außer ihn zu durchwandern. Was an sich schon schön ist. Doch lassen Sie sich überraschen, was in Blättern, Blüten und Beeren, Pilzen und Rinden für Möglichkeiten stecken.

Wiesenschaumkraut.
Wiesenschaumkraut.
Förster Volker Westermann und Mitverkoster Simon Massoth.
Förster Volker Westermann und Mitverkoster Simon Massoth.
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