Germersheim Kampf gegen leere Kirchenbänke

Selbst an Weihnachten und Ostern besuchen deutlich weniger Menschen die Gottesdienste. Unser Foto zeigt eine Kirche in München.
Selbst an Weihnachten und Ostern besuchen deutlich weniger Menschen die Gottesdienste. Unser Foto zeigt eine Kirche in München.

Die Menschen kommen nicht mehr in die Kirche – oder nur noch selten. Die Germersheimer Pfarrei will den Sonntagsgottesdienst aufpeppen. Aber zuerst werden Menschen gehört.

„Die Gottesdienste sind nicht mehr so besucht wie wir es aus unserer Jugend kennen“, sagt Thomas Bauer, Pastoralreferent der katholischen Pfarrei Seliger Paul Josef Nardini. „Wir merken es auch an den Feiertagen, dass der Besuch zurückgeht.“ Die Menschen wenden sich von der Kirche ab. Das wird nicht nur in den großen Austrittswellen der letzten Jahre deutlich.

Die Pfarrei will es nicht dabei belassen, steuert gegen. Ein Arbeitskreis aus zwölf Haupt- und Ehrenamtlichen forscht nach den Ursachen und sucht neue Ideen, vor allem für den klassischen Sonntagsgottesdienst. 100 Menschen kommen im Schnitt in Germersheim zur Kirche, schätzt Pfarrer Jörg Rubeck. In den anderen Pfarrei-Gemeinden Sondernheim, Schwegenheim und Lingenfeld sind es deutlich weniger. „Es geht um ein breiter gefächertes Angebot, um neue Bedürfnisse bedienen zu können.“

Liturgie setzt Grenzen

Alles auf den Kopf stellen will die Arbeitsgruppe nicht. „Die Eucharistiefeier hat ein gewisses Gepräge“, sagt Bauer und meint die liturgischen Vorgaben. Die spannende Frage: „Wie weit kann ich die klassische Eucharistiefeier modifizieren oder muss ich andere Formate produzieren?“ Innovative Gottesdienste gibt es in der Pfarrei schon: Wortgottesfeiern an anderen Orten, mit freier Liturgie, teilweise ohne Pfarrer. „Erfüllt“ nennt sich die Reihe. Bei der Eucharistiefeier hat diese Offenheit aber noch nicht Einzug gehalten.

Sie suchen das Gespräch mit den Gläubigen (von links): Ursula Mellinghaus, Wiltrud Siepenkothen, Jörg Rubeck und Thomas Bauer.
Sie suchen das Gespräch mit den Gläubigen (von links): Ursula Mellinghaus, Wiltrud Siepenkothen, Jörg Rubeck und Thomas Bauer.

„Wir spüren, dass das kein leichtes Thema ist“, weiß Bauer. Ein paar Sitzungen werden nicht reichen. Am Anfang des Prozesses stehen Gespräche – mit denen, die nicht oder nicht mehr in die Kirche kommen und mit denen, die regelmäßig da sind. Es gebe einen roten Faden, aber kein enges Fragekorsett. 50 Einzelgespräche soll es in der ersten Phase bis Ende Februar mindestens geben, einige liefen bereits. Es zeichne sich ab, dass die Gottesdienstgemeinde sehr anonymisiert ist, dass die Menschen weniger Konsument als aktiver Teil einer Gruppe sein möchten. Einigen sei die Sprache zu schwer, zu alt, zu wenig alltagstauglich. Andere wünschten sich mehr Musik und Gesang, wiederum andere ausgeprägtere Stille-Phasen. „Manche haben das Gefühl wir sind zu schnell“, erzählt der Pastoralreferent.

Suche nach Spiritualität

Dass die Bedürfnisse sehr individuell sind, liegt in der Natur der Sache: „Wir sind ja viele, ein Abbild der Gesellschaft, vom Kita-Kind zum hochbetagten Senior“, sagt Wiltrud Siepenkothen, Vorsitzende des Pfarreirates, im Hinblick auf die Gläubigen. Man könne nicht nur hochintellektuelle Predigten machen, aber auch nicht nur Familiengottesdienste anbieten. Dass immer weniger Menschen die Kirchen besuchen, bedeutet ihrer Ansicht nach nicht weniger Bedürfnis nach Spiritualität. Das zeige sich auch in der guten Resonanz „suchender Menschen“ auf alternative Formate der Pfarrei. Auch mit digitalen Angeboten, die sich während der Corona-Pandemieweiterentwickelt haben, erreiche man eine eigene Zielgruppe.

Ende Februar wird die Arbeitsgruppe die Ergebnisse der Gespräche reflektieren. Die zentrale Frage im Anschluss wird sein, wie Ideen in die klassische Liturgie integriert werden können. „Danach geht es ans Ausprobieren“, sagt Thomas Bauer. „Wir sind in einer Umbruch- und Veränderungsphase als Kirche und als Pfarrei.“ Neben der Projektgruppe für die „inspirierenden Gottesdienste“ gebe es zwei weitere: eine, die sich um die Zukunft der kirchlichen Immobilien kümmert und eine, die ein Konzept zur Prävention von sexueller Gewalt entwickelt. „Über allem steht die Frage: Was ist unsere Vision als Pfarrei, wo sehen wir uns in zehn Jahren?“, so Thomas Bauer. Ein fixes Ende des Gottesdienst-Prozesses peilen die Initiatoren nicht an: „Wir werden hoffentlich nie fertig sein. Denn es wird immer wieder darum gehen, das Bestehende zu reflektieren und Neues zu wagen.“ Auch für Wiltrud Siepenkothen passt Stillstand nicht zu Kirche: „Es war immer eine Bewegung, vom Ur-Christentum bis heute.“

Kontakt

Wer als Gesprächspartner oder sonst in dem Prozess mitwirken möchte, kann sich bei Pastoralreferent Thomas Bauer, E-Mail thomas.bauer@bistum-speyer.de oder beim Pfarrbüro, Telefon 07274 948 5330, melden.

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