Kreis Germersheim Beim „Kohler-Bäcker“ geht der Ofen aus

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Gestern zur Mittagszeit sieht alles aus wie immer im „Café am Jakobsweg“, dem Verkaufsladen der Entzmingers im Dorfzentrum. Einige Männer plaudern bei einer Tasse Kaffee, das Geschirr fürs Frühstücksbuffet ist noch aufgebaut, die Angestellten bedienen freundlich die Kunden an der Theke. Für Bettina Entzminger ist es aber kein normaler Tag. Seit gut einer Woche wissen die sechs Mitarbeiter, dass die Familie das Geschäft aufgibt, auch bei einigen Kunden hat es sich herumgesprochen – davon zeugen bestürzte Gesichter im Laden. „18 Jahre waren wir in Hördt, wo unsere drei Kinder aufwuchsen, der Abschied fällt uns superschwer“, sagt die Bäckersfrau. Die 49-Jährige und ihr drei Jahre älterer Mann Rolf hören aus „persönlichen und gesundheitlichen Gründen“ auf, wollen das Risiko der Selbstständigkeit nicht mehr länger tragen. Zusammen mit ihren beiden Söhnen – der ältere ist Bäckermeister, der jüngere gerade in der Ausbildung – werden sie künftig in einer Bäckerei im Kreis St. Wendel im Saarland arbeiten. „Die Entscheidung haben wir als Familie getroffen“, erzählt Bettina Entzminger. Bäckermeister Rolf Entzminger hatte 1998 die Backstube in der Neuen Magazinstraße von Alexander Kohler übernommen und die Backtradition, die es seit 1910 im Ort gibt, samt dem bekannten Namen weitergeführt. Sich als kleines Familienunternehmen gegen Großbetriebe zu behaupten, war nicht immer einfach – zumal Rolf Entzminger zunehmend mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen hatte. Die Familie betrieb zehn Jahre eine Filiale in Leimersheim, steuerte bis März dieses Jahres mit einem Verkaufswagen 13 Orte in den Kreisen Germersheim und Südliche Weinstraße an. 2010 zog der Hördter Verkaufsraum in moderne neue Räume in der Schulzenstraße um. Ein guter Standort, besonders für das Café mit Eisverkauf, betont Bettina Entzminger, die für Personal, Buchhaltung und Verkauf verantwortlich war. Dennoch kam 2013 die Insolvenz. „Das hat uns alle belastet, wir haben quasi wieder bei Null angefangen.“ Seither reifte der Entschluss für eine berufliche Neuorientierung. Und nicht nur das: Die Entzmingers brechen die Zelte im Ort komplett ab und suchen ihr „neues Glück im Saarland“, das Hördter Haus mit der Backstube steht zum Verkauf. Sie lassen Freunde, Kunden und Vereinskameraden zurück. Rolf Entzminger war in der Feuerwehr und im Gewerbeverein aktiv, Bettina Entzminger hat sich im Vorstand der Landfrauen und beim Deutschen Lied engagiert. „Es ist nicht leicht wegzugehen“, sagt sie. Aber ihr Bauchgefühl sage, es ist die richtige Entscheidung. Außer dem ältesten Sohn Pascal (27), zieht der Rest der Familie mit um. Sohn Christoph (24), Bäckermeister und BWL-Student im vierten Semester, wird als Geschäftsführer in dem saarländischen Betrieb arbeiten, Rolf Entzminger in der Backstube, Bettina im Büro. Der jüngste Sohn Dominik (18), der seine Lehre im elterlichen Betrieb begonnen hat, kann sie dort weiterführen. „Mein Mann hat nach und nach der Jugend den Vortritt gelassen, Christoph hat zuletzt die Backstube geleitet“, erzählt Bettina Entzminger. Weniger Verantwortung, ein geringeres finanzielles Risiko, regelmäßige Arbeitszeiten, mehr Urlaub und Privatsphäre – das erhoffen sich die Entzmingers als künftige Arbeitnehmer. Noch sind sie Arbeitgeber und in dieser Rolle froh, dass die Bäckerei Stephan die vier Verkäuferinnen, eine Auszubildende und die Putzfrau weiterbeschäftigen möchte. Denn der Verkauf im Ortskern geht weiter – künftig mit Brötchen aus Maikammer. Der Familienbetrieb übernehme das Geschäft als fünfte Filiale, erzählt Bettina Entzminger. „Wir machen einen Ausverkauf“, kündigt sie für heute an. Zehn Prozent Rabatt gibt es auf alles außer reduzierter Ware und Eis. Morgen und am Donnerstag bleibe der Laden geschlossen, am Freitag eröffnet die Bäckerei Stephan voraussichtlich mit den bisherigen Zeiten. Der Eisverkauf und das Café bleiben erhalten. „Für die Kunden ändern sich eigentlich nur die Backwaren“, sagt Bettina Entzminger. „Und der Name: Die Bäckerei Kohler ist passé.“

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