Kreis Germersheim „Befürchten, dass wir Betriebe verlieren“

Am Anfang standen sie plötzlich auf dem Hof und wollten arbeiten, erinnert sich Gerhard Zapf. Frauen und Männer aus Polen, die sich einfach zuhause ins Auto gesetzt hatten und losgefahren waren. „Man kann sich kaum vorstellen, was sie auf sich genommen haben, um ihre Familien ernähren zu können“, sagt Zapf. Bis 1996 hatte er vor allem polnische Kräfte, bis diese wegen vermeintlich höherer Löhne nach Großbritannien abgewandert sind. Inzwischen sind seine Mitarbeiter Rumänen, vermittelt von einer Kandelerin aus Siebenbürgen die gute Kontakte in die alte Heimat pflegt. Während der Saison arbeiten 100 Erntehelfer jeweils im Zwei-Monats-Takt auf dem Hof, in der Hochsaison zur Erbeer- und Spargelzeit meist 50 Leute gleichzeitig. Die Kommunikation klappt gut: Die meisten absolvieren zu Hause noch einen Deutschkurs, Zapfs Sohn hat im Gegenzug erst Polnisch, dann Rumänisch gelernt. Derzeit sind die Erntehelfer in acht Zimmern und Containern mit Küche untergebracht. Seit 2013 steht ein neuer Sanitärtrakt, eine Gemeinschaftsküche soll folgen. Da die Container nicht mehr den aktuellen Vorschriften entsprechen – sie sind 10 Zentimeter zu niedrig – spricht Zapf gerade mit der Kreisverwaltung über den Bau einer neuen Halle. Darin sollen mit Bauelementen feste Räume entstehen. Samstagabend um 21.30 Uhr treffen sich Erntehelfer aus der Umgebung gerne in der Zapfschen Halle und feiern gemeinsam. „Das ist rumänische Folklore pur“, sagt er lachend und fügt ernst hinzu: „Auch das gehört zum Mindestlohn.“ Er ärgert sich über die Negativschlagzeilen, denen zufolge Bauern ihre Leute ausnutzen. „Natürlich gibt es schwarze Schafe. Aber in vielen Betreiben entstehen freundschaftliche Bindungen.“ So auch auf seinem Hof: „Marian, mein erster Pole“, ist inzwischen fest angestellt, ebenso fünf Rumänen. Sie sind während der Saison Vorarbeiter. Erntehelfer seien keine Arbeiter, sondern Mitarbeiter betont Zapf. Derzeit zahlt er 6,90 Euro pro Stunde, die gesamten Getränke bekommen die Arbeiter gestellt. Für die Unterkunft müssen sie zwei Euro pro Tag zahlen. Je 8 Hektar Tabak und Erdbeeren, 15 Hektar Spargel, 20 Hektar Äpfel, Kirschen und Aprikosen – der Obsthof wird auch weiter auf Erntehelfer angewiesen sein. Auch wenn es deutlich knapper werden wird, hat Zapf doch keine akuten Existenzängste. Aber als Aufsichtsratsvorsitzender der Pfalzmarkt e. G. sorgt er sich um die kleineren Betriebe. In der Gemüsegenossenschaft sind zirka 70 Prozent der pfälzischen Gemüsebauern vertreten, sie machen zusammen 200 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. „Das sind Familienbetriebe, keine Aktiengesellschaften“, betont er. Würden die Erlöse Schritt halten, für Obst und Gemüse der angemessene Preis gezahlt werden – dann wäre der Mindestlohn kein Problem. Doch das sei ja nicht der Fall. 2013 war ein sehr gutes Jahr: Die kalte Witterung und die späte Ernte hätten dafür gesorgt, dass es ein knapperes Angebot gab, für das ein höherer Preis gezahlt wurde. Aber 2014 sieht es wegen des milden Frühjahrs ganz anders aus: „Für Gemüsebauern ist das die schlechteste Saison seit Jahren“, sagt Zapf. „Wir wissen was wir an unseren Leuten haben und würden gerne noch mehr bezahlen.“ Aber es gebe Betriebe, die kaum genug Geld haben um ihre Betriebsmittel zu zahlen und die Produktion am Laufen zu halten. In kleineren Betrieben werden die Familienmitglieder stärker mithelfen müssen. Der Mindestlohn wird vor allem bei den handarbeitsintensiven Gemüsen, wie Salaten, Radieschen, Beeren, Zwetschgen durchschlagen: Dort machen die Personalkosten schon 70 Prozent aus, wer mehr als 20 Leute braucht, hat dann ein Problem. „Wir haben große Bedenken, dass wir Betriebe verlieren werden“, sagt Zapf. Zudem befürchtet er langfristig eine eingeschränkte Sortenvielfalt zum Beispiel bei Salat, Blumenkohl oder Kohlrabi und den Verlust der Kulturlandschaft – denn diese werde ja von den Landwirten gepflegt. Zapf bittet deshalb darum, die Relation im Blick zu behalten: „Wer bei uns heute zwei Monate arbeitet, hat einen rumänischen Jahreslohn in der Tasche.“

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