Über den Kirchturm hinaus Das Leiden unter moderner Sklaverei – aktueller Gedenktag

Nicht nur in Schlachthöfen, auch in Gastronomie, Baugewerbe oder Landwirtschaft gibt es moderne Formen von Sklaverei.
Nicht nur in Schlachthöfen, auch in Gastronomie, Baugewerbe oder Landwirtschaft gibt es moderne Formen von Sklaverei.

Der 23. August ist von der Unesco zum „Internationalen Tag der Erinnerung an Sklavenhandel und dessen Abschaffung“ ernannt worden. Das Datum erinnert an eine Sklavenrevolte vor 230 Jahren in der Dominikanischen Republik.

Zufällig bin ich auf diesen Gedenktag gestoßen und habe ihn zum Anlass genommen, über den Kirchturm hinauszublicken, gefühlt sehr weit über den Kirchturm hinaus, denn mit Sklaverei und Menschenhandel haben wir doch keine Berührungspunkte! Oder doch?

Die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ schreibt zur aktuellen Lage: „Menschenhandel ist eine extreme Form der Ausbeutung, die es auch in Deutschland gibt. Die Opfer werden oft in die Prostitution gezwungen oder müssen in Schlachthöfen arbeiten, in der Landwirtschaft, der Gastronomie oder auf dem Bau. Kennzeichnend ist, dass die Arbeitsverhältnisse durch Täuschung oder Zwang zustande kamen, die Betroffenen von anderen abhängig sind und ausgebeutet werden. Die Ausbeutungsverhältnisse reichen von Zwangsprostitution über Zwangsarbeit bis hin zu Formen der Leibeigenschaft und Sklaverei. In Europa leiden schätzungsweise 600.000 Menschen unter moderner Sklaverei, weltweit sollen es 21 Millionen sein.“ (www.brot-fuer-die-welt.de/themen/menschenhandel)

Auch in der Bibel begegnet uns Menschenhandel und Zwangsarbeit. Berühmt ist Josef, der von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde. Gut 400 Jahre später befreite Gott sein Volk unter Mose aus der Sklaverei in Ägypten.

Die Bibel kennt auch geistliche Formen von Unfreiheit, die innere Gebundenheit an böse Mächte und zerstörerische Gewohnheiten. Jesus versprach seinen Zuhörern die Freiheit, wenn er sagte, „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh 8,32)

Es durfte gar nicht anders sein, als dass aus Jesu Botschaft von der Freiheit auch eine Bewegung gegen Sklaverei entstand. Leider war das nicht immer so klar. Zwar hat das Christentum die Sklaverei im Römischen Reich nach und nach beendet, aber erst spät engagierten sich Christen gegen den Sklavenhandel der Neuzeit. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in England setzte sich ein entschiedener Christ, William Wilberforce, mit Erfolg für die Abschaffung der Sklaverei ein.

Auf den Punkt gebracht: Wir können nicht die Freiheit des Evangeliums predigen, ohne uns für die Rechte versklavter und ausgebeuteter Menschen einzusetzen.

Was können und müssen wir heute tun? Wir müssen hinsehen! Corona-Hotspots haben für kurze Zeit auf unwürdige Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen aufmerksam gemacht. Ist die Lage heute besser als vor einem Jahr? Wir müssen sensibel werden, wenn Produkte zu billig hergestellt werden. Irgendjemand bezahlt dafür. Wir können uns informieren, bewusst konsumieren und Initiativen unterstützen, die sich gegen Menschenhandel engagieren.

  • Jochen Bendl ist Gemeindediakon in Bad Dürkheim

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