Karlsruhe „Setze nie auf die Extremisten“

Die französischen Bürger haben es am Sonntag in der Hand, ob sie den Rufen und Versprechungen von rechten und linken Populisten Glauben schenken oder neue Wege für ein besseres Frankreich mit Reformen der gemäßigten Kandidaten wagen möchten. Die „große Nation“ hat in den vergangenen fünf Jahren unter Präsident Francois Hollande an Wettbewerbsfähigkeit verloren, die Arbeitslosenzahlen sind gestiegen und das soziale Gefälle hat zugenommen. Terror und Unfrieden in den Außenbezirken von Großstädten sind immer wieder in den Medien. Sogenannte Wutbürger sorgen dafür, dass die rechtsextreme Front National, die schon seit 1972 von sich reden macht und auch im Elsass bei Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen Jahr für Jahr an Stimmen gewann, nun eine ernstzunehmende Größe darstellt. Bei den elsässischen Regionalwahlen 2010 holten sie sich mit 14,57 Prozent den drittgrößten Stimmenanteil, bei den erstmals durchgeführten Regionalwahl der neu gegründeten Region Grand Est im Jahre 2015 erhielten sie mit 36,08 Prozent das zweitbeste Ergebnis. Nach aktuellen Umfragen in Frankreich liegt der 39-jährige Emmanuel Macron von der zentralistischen Partei En Marche mit 24 Prozent an der Spitze, hart verfolgt von Marie Le Pen von der Front National, deren aktuelle Werte bei 22 Prozent liegen. Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei und der Republikaner François Fillon liefern sich in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit 19 Prozent. „Es kann alles passieren“, sagt der Lauterbourger Bürgermeister Jean-Michel Fetsch im Gespräch mit der Rheinpfalz. Er befürchtet, dass die Extremen gewinnen könnten. „Das schlimmste wäre, wenn die Wähler sich in der Stichwahl zwischen Marie Le Pen und Jean-Luc Mélenchon entscheiden müssten“, so Fetsch. Ein „Frexit“, wie er von den beiden Populisten im Programm vorgeschlagen wird, halte er für eine große Katastrophe für Lauterbourg, für Frankreich und für ganz Europa. Im Lauterbourger Gemeindeblatt schrieb er einen Satz von Jacques Chirac, der einst sagte: „Setze nie auf die Extremisten, die Rassisten, die Antisemiten. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass der Extremismus uns in den Abgrund geführt hat.“ „Die Wahl am Sonntag ist für Frankreich, ja für ganz Europa eine ganz wichtige Entscheidung, denn unter den vier Finalisten sind zwei Antieuropäer“, erklärt Louis Becker, Präsident des Gemeindeverbandes Pays-Rhénans und ehemaliger Vorsitzender des Eurodistricts Regio Pamina. „Le Pen und Mélenchon sind für Frankreich keine Ruhmesblätter, ihr Programm hat keine Zukunft. Sie wollen Steuern erhöhen und mehr Gelder verteilen, wie soll das funktionieren?“, so Becker. Er glaubt, dass der junge Sozialist Emmanuel Macron gewinnen wird. „Er ist ein Europäer. Le Pen wird nicht gewinnen, da bin ich zuversichtlich und habe keine Angst“, fügte er hinzu. Er glaubt an eine Stichwahl zwischen Macron und Le Pen im zweiten Wahlgang. Die fünf letzten Jahre unter François Hollande hätten keine guten Ergebnisse erbracht, sagt Frédéric Reiss, Député in der Nationalversammlung. Hollande habe viel versprochen und nichts halten können. Dies hätte zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit, einer schlechten Schul- und Ausbildungspolitik geführt, worüber die französischen Bürger nun enttäuscht seien. Auch kritisiert er, dass die deutsch-französischen Beziehungen nicht gut liefen. „Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam der Motor für das restliche Europa sein. Ich hoffe, dass wir einen Wechsel bekommen, aber Le Pen und Mélenchon wären die schlechtesten. Ihr Programm ist nicht erfüllbar und wäre eine Katastrophe für uns alle“, so Reiss. Dass die rechtsextreme Partei Front National nach Umfragen so weit vorne liege, sei kein neues Phänomen, erklärt Reiss, der auf frühere Wahlergebnisse im Elsass zu sprechen kommt. Wichtig sei es, die Jugend wieder zu gewinnen, sie aufzuklären und ihnen Arbeit und Ausbildung zu geben. Ein Austritt Frankreichs aus Europa würde die bisher erfolgreiche Arbeit mit den Nachbarn direkt vor der Haustür (wie das Abibac oder die grenzüberschreitende Ausbildung) zunichtemachen. Es handelt sich beim französischen Staatspräsidenten durchaus um ein Amt mit großem Einfluss. Der Präsident vertritt Frankreich nach außen, hat aber anders als in Deutschland viele andere politische Aufgaben. Er ernennt die Regierungsmitglieder. Er führt den Vorsitz im Ministerrat und kann die Nationalversammlung auflösen. Er ist Oberbefehlshaber, kann den Notstand ausrufen und darf das Gnadenrecht ausüben. Am 11. Juni müssen die Franzosen übrigens wieder an die Urne. Dann wählen sie das Parlament, das in den Elysée-Palast einzieht. Es bleibt also spannend.

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