Kaiserslautern Wenn die Tupperparty kein gutes Ende nimmt

Theater gibt’s im Wohnzimmeralltag ja schon genug - könnte man meinen. Das Pfalztheater Kaiserslautern sieht dies anders. Und so inszeniert Schauspielchef Harald Demmer das jüngste Kammerspiel eben dort - im privaten Wohnzimmer. Ein Erlebnisbericht.

Zunächst führt der leicht verschlungene Weg in den idyllischen Kaiserslauterer Stadtteil Lämmchesberg, nicht allzu weit vom berühmten Fußballberg, dem Betzenberg, entfernt. Verschlungen deswegen, weil das Navi diesmal aus bleibt - ein wenig Orientierungssinn ist gefragt, analog zum Theaterstück Welche Droge passt zu mir? , das doch eben jene Orientierung im Dschungel bewusstseinsverändernder Substanzen liefern will.

Die Fahrt endet vor den hell erleuchteten Fenstern eines zweigeschossigen Hauses. Kerzen weisen den Weg zur Eingangstür. Im Treppenaufgang gibt es abstrakte Kunst. Im oberen Geschoss wohnt die Gastgeberin des Premierenabends, Petra Neumahr. Den Namen darf man ruhig nennen, meint die sympathische Dame mit dem modernen grauen Kurzhaarschnitt. Bekannt ist sie in Lautern als Leiterin des Mehrgenerationenhauses und als Künstlerin, die bislang in der Galerie WebEnd und im Rathaus ausstellte.

Zwischen all ihren Bildern, die das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer mit dem alten Vertiko, dem roten Teppich und der gleichfarbigen Wand prägen, soll das Stück von Kai Hensel über die Bühne gehen. Doch zunächst wähnt man sich auf einer Party von Best Agern mit einem Glas Wein und Small Talk - wären da nicht die Stuhlreihen, wäre da nicht das ein oder andere bekannte Theatergesicht und vor allem Schauspielerin Hannelore Bähr. Wie wir ist sie eingeladen, mischt sich zunächst unter die Gäste und erwähnt, dass sie eine Art Seminar halten will über den richtigen Umgang mit Drogen. Die Grenze zwischen Theaterspiel und Realität verschwimmt.

Ein paar Schaubilder auf dem Flipchart, ein wenig Musik, die Befindlichkeitszustände beim Drogenkonsum verdeutlichen soll: Mehr braucht Demmers Inszenierung nicht, um das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Der Hamburger Werbetexter und Theaterautor Kai Hensel verquickt in seinem 2003 in Freiburg uraufgeführten Erfolgsstück (bislang rund 50 Mal inszeniert) die Seminarsituation, in der seine Figur Hanna Wissenswertes rund ums Thema erläutert, mit der Schilderung ihres persönlichen Schicksals. Von der eher zufälligen Einnahme von Ecstasy über Kokain, Speed und LSD führt ihre Drogenkarriere. Und das, obwohl die 48-Jährige in gutbürgerlichen Kreisen lebt, mit ihrem achtjährigen Sohn und einem treu sorgenden Ehemann, der als Ingenieur bei Keiper arbeitet und seine Droge im Marathonlauf gefunden hat. Doch ist es gerade dieser goldene Käfig, der Hanna zu Tablette und Pulver greifen lässt. Drogen führen uns zueinander , sagt sie, Drogen geben mir die Kraft zu lieben.

Geschickt benutzt Hanna Zahlen und Statistiken, um ihren Konsum zu legitimieren: 2000 Menschen fielen jährlich illegalen Drogen zum Opfer, 5000 seien es im Haushalt, 7000 auf den Straßen und 90.000 erlägen einem Herzinfarkt. Der Drogenhandel helfe daneben in Schwellenländern gegen die Armut und sei dort das einzig funktionierende Sozialsystem. Und zuhauf gibt sie praktische Tipps von Einkauf bis Konsum.

Wähnt man sich angesichts dieser Ausführungen eher auf einer Tupperparty, so gewinnt Hannas persönlicher Erfahrungsbericht an Tragik. Abhängigkeiten bestimmen zunehmend ihren Alltag, Entzugs- und Ausfallerscheinungen treten immer krasser zutage.

Dies sind auch die Momente, in denen die Schauspielerin ihrer Rolle die größte Unmittelbarkeit verpasst, in denen Hanne(lore Bähr) zur Hanna wird, hektisch, fahrig, getrieben von ihrem inneren Dämon. Die hässliche Fratze der Abhängigkeit wird sichtbar hinter der gutbürgerlichen Fassade. Eine starke schauspielerische Leistung.

Kein gutes Ende scheint Hanna vorgezeichnet - ebenso wenig wie Schauspieler Nicolas Cage im Leinwand-Alkoholdrama Leaving Las Vegas . Insofern wollte auch der Wein im Wohnzimmer zunehmend nicht mehr schmecken.

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