Kaiserslautern Was das Mikro im Entmüdungsbecken zu suchen hat

Über 30 Jahre berichtet das Fernseh-Sportmagazin „Flutlicht“ schon über das sportliche Geschehen in Rheinland-Pfalz. Anlässlich dieses bemerkenswerten Jubiläums hat Claus-Dieter Gerke, der langjährige, Ende vergangenen Jahres in den Ruhestand gegangene SWR-Sportchef in Mainz, das Buch „Seuchenvögel Gold und Silber 30 Jahre Flutlicht“ herausgegeben, in dem die besten Geschichten dieser SWR-Sendung zu lesen sind.

Nimmt man das Buch in die Hand und blättert darin, dann ist es auch schon um einen geschehen. Angelockt von einem der vielen Bilder, bleibt man an einer der 75 Geschichten hängen und beginnt zu lesen. Hat man dann eine der unterhaltsamen Sportgeschichten gelesen, folgt die zweite, die dritte, und so kann es passieren, dass man das gut in der Hand liegende rote Buch in einem Zug durchliest. Der Leser begibt sich dabei auf eine kurzweilige Zeitreise durch die rheinland-pfälzische Sportgeschichte der letzten 30 Jahre, und zwar in fragmentarischer Form. So hat das Werk nicht einen Autor, sondern 30 Sportjournalisten haben „die besten Storys“ aus 30 Jahren Flutlicht geschrieben und dabei viel von sich selbst preisgegeben. Da viele der Geschichten um den Fußball kreisen, ist es nicht verwunderlich, dass Kaiserslautern und sein berühmter Fußballklub, der 1. FCK, Hauptrollen darin spielen. Das märchenhafte Geschehen, als die Roten Teufel nach einem Fast-Abstieg Pokalsieger wurden und in der Saison 1990/91 unter ihrem legendären Trainer „Kalli“ Feldkamp die deutsche Meisterschaft gewannen, lieferte den Stoff für viele Flutlichtgeschichten. Wie dicht die Flutlichtreporter den Fußballgrößen mitunter auf die Pelle rücken, zeigt die Schilderung eines „hautnahen Interviews“, das nach einem Spiel mit Stefan Kuntz im Entmüdungsbecken geführt wurde. Im Wasser sitzend, hielt der Journalist dem damaligen Stürmer das Mikrofon unter die Nase. Die journalistische Gretchenfrage von Nähe und Distanz zum Gegenüber wird in einigen der Geschichten von den Schreibenden auch ausdrücklich gestellt. Ohne die Nähe des Journalisten zum Sportler wären viele der anekdotischen Geschichten indes nicht möglich gewesen. Eine Figur mit Ecken und Kanten, an der sich schon viele Reporter abgearbeitet haben, war und ist Otto Rehhagel. Der Meistertrainer des 1. FC Kaiserslautern hielt die Medien auf Distanz. Einen guten Draht zu König Otto hatte aber der verstorbene Flutlicht-Moderator Peter Jochen Degen. In einer der Geschichten schildert dessen Sohn Torben dieses besondere Verhältnis. Auch der bekannte Fernsehmoderator Holger Wienpahl beschreibt seine unvergesslichen Rehhagel-Momente. So hatte der Journalist bei einem seiner Interviews ein psychoanalytisches Erweckungserlebnis. Nicht er sprach mit Rehhagel, es war Wienpahls „Es“, das Rehhagel die Fragen stellte und damit den sonst so unnahbaren Trainer aus der Reserve lockte. Später war Wienpahl auch Zeuge, wie sich Rehhagel und die „Walz aus der Pfalz“, Peter Briegel, in Tirana während eines Fußballländerspiels zwischen Albanien und Griechenland keines Trainerblickes würdigten. Welche Möglichkeiten sich für einen Flutlichtmoderator eröffnen, zeigt Tom Bartels′ Geschichte. Der zum Stern am Fußballkommentatorenhimmel aufgestiegene Bartels saß bei einer der Sendungen seinem Idol aus frühsten Jugendtagen gegenüber, dem BAP-Sänger Wolfgang Niedecken, und durfte diesen dann auch noch später nach Köln chauffieren. An dieser nächtlichen „Taxifahrt“ lässt er den Leser teilhaben. Diese und die traurige Geschichte des unglücklichen Fußballweltmeisters Werner Kohlmeyer und vor allem die über den „Seuchenvogel“ Stephan Mai und dessen magisches Verhältnis zum Trainerguru Jürgen Klopp machen das Buch zu einem wahren Lesevergnügen.

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