Kaiserslautern Umsonst ist die Not

Ein Ausstellungshonorar. Ein Stundensatz fürs Bilderaufhängen. Die unverbindliche Leitlinie zur Vergütung von Leistungen im Rahmen von Ausstellungen, die jetzt der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Rheinland-Pfalz herausgegeben hat, ist revolutionär in gewisser Weise. Allein schon, weil damit eine Anspruchshaltung formuliert ist. Aber nicht alle finden gut, was die vom Land unterstützte Künstler-Honorar-Leitlinie vorsieht.

Sylvia Richter-Kundel ist eine streitbare Frau in Kunstsachen. Und das passt ganz gut als Vorsitzende des BBK Rheinland-Pfalz, in dem professionelle Künstlerinnen und Künstler organisiert sind. Sie hat genug vom bloßen Schulterklopfen und warmen Händedrücken. Davon, dass bei Ausstellungen „kultureller Mehrwert“ auf Kosten von Urhebern abgeschöpft wird. Also hat die an der Frankfurter Städelschule ausgebildete Wormserin gekämpft. Dafür, dass Künstler, zumindest die in Rheinland-Pfalz, in Zukunft bezahlt werden für Ausstellungen. Zum Beispiel mit 1500 Euro, wenn sie ihre Werke in einem Haus wie dem Arp-Museum zeigen, das zwischen 50.000 und 100.000 Besucher jährlich anzieht. Genauso viel müssten große Unternehmen dafür überweisen, wenn sie ihr Foyer zur Kunsthalle umdefinieren. Und immer noch mit 100 Euro wäre ein Kunstverein wie die Kunstvereinigung Wasgau Galerie N in Dahn dabei, bei der zur Vernissage 20 bis 30 Gäste auflaufen. Allerdings kämen auf den kleinen Verein wohl mangels eigener Kapazitäten weitere Forderungen hinzu. Für Auf- und Abbau von Künstlerhand zum Beispiel ein Stundensatz von 35 Euro. 45 Euro je Stunde für die Konzeption der Schau. Fahrtkosten von 30 Cent pro Kilometer. Eine entsprechende Leitlinie samt Mustervertrag können die Kunstschaffenden in Rheinland-Pfalz seit Anfang des Jahres Museumsdirektorinnen, Kunstvereinsvorsitzenden, Bibliothekaren oder Sparkassenleiterinnen vorlegen. Als Verhandlungsgrundlage sozusagen. Vielleicht kommt dabei auch die Produktion eines Katalogs für den Künstler heraus. Die Idee für ein Bezahlsystem, wie es die BBK-Leitlinie darstellt, gibt es schon lange. 2007 etwa setzte sich eine Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ dafür ein, vergeblich natürlich. Und das, obwohl Kunstgrößen wie Daniel Birnbaum, damals Rektor der Städelschule in Frankfurt, für eine verkaufsunabhängige Entlohnung der Künstler plädierten. Birnbaum leitet jetzt das Moderna Museet in Stockholm, Schweden. Dort gibt es sogar eine gesetzliche Vergütungsordnung. Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung empfiehlt sie dringend zur Nachahmung. In Rheinland-Pfalz haben die Künstler zumindest die Unterstützung des Landes, um ein solches System auf freiwilliger Basis einzuführen. Als Grund, warum Künstler plötzlich 35 Euro Stundenhonorar dafür bekommen sollen, wenn sie Einladungen für ihre Schau verschicken, wird neben ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage (siehe Zur Sache) oft eine „Gerechtigkeitslücke“ gegenüber Schauspielern zum Beispiel angeführt. Die bekommen Gage für ihren Auftritt und die Proben, während Performance-Künstler für einen vergleichbaren Aufwand fast immer leer ausgehen. „Bildende Künstlerinnen und Künstler genießen im Gegensatz zu Urhebern anderer Kunstsparten keinen umfassenden Schutz“, schreibt auch der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Walter Schumacher in einem Brief an die „sehr geehrten“ Kunstschaffenden. Das Land „steht inhaltlich hinter dieser Leitlinie“. Geschenkt. Was Schumacher noch so formuliert, verleiht der Kann-Leitlinie derweil dann doch noch Wucht. Denn das Kulturministerium will sie bei Zuschussanträgen berücksichtigen. Es ist dies eine kleine Drohung, die nonchalant ausgesprochen ist. Wie man hört, muss bald jeder Kunstverein, jedes kleine Museum, jede Privatinitiative, alle, die vom Land Geld für eine Ausstellung haben wollen, angeben, ob dafür eine Ausstellungsvergütung gezahlt wird. Und wenn nicht, warum? Sylvia Richter-Kundel nennt die Leitlinie und das sanfte Druckausüben des Landes einen „Paradigmenwechsel“, was die Würdigung ihrer Leistung schon im Vorfeld einer Ausstellung betrifft. Otto Schmidt von der schon angesprochen Kunstvereinigung Galerie N in Dahn hat da ganz andere Sorgen. Wenn die Leitlinie sich durchsetze, könnten viele Vereine wie seiner zumachen, meint Vereinssprecher Schmidt. Und allein ist er mit dieser Einschätzung nicht. Mit wem man auch spricht, ob mit Barbara Auer vom Kunstverein Ludwigshafen. Oder mit René Zechlin, dem neuen Direktor des Ludwigshafener Hack-Museums, der vorher dem Kunstverein Hannover vorstand und ein großer Befürworter der Vergütung ist. Oder mit Erich Sauer, der Bildhauer-Ikone aus Frankenthal, sie alle sagen, dass die kleinen, ehrenamtlich geführten Kunstinstitutionen die Ausstellungsvergütungen wohl nicht verkraften würden. „Kleine Kunstvereine schmerzen auch 200 Euro“, meint Barbara Auer. Wie alle anderen hält sie die Künstlerhonorare im Prinzip ja für gut. Aber selbst sie, die das Programm des einzigen hauptamtlich geführten Kunstvereins in Rheinland-Pfalz verantwortet, findet weitere Kosten nur tragbar, wenn sie das Land übernimmt. Wenn man sich so umhört, dann sind die Ausstellungshäuser überall in der Krise. Das Geld fehlt. Die Ausstellungsetats der Museen schrumpfen. Der Pfälzer Künstler Otfried H. Culmann erzählt, dass versprochene Ankäufe plötzlich platzen würden. Stattdessen soll er seine Werke herschenken – für die Tombola. Die Kunstvereine selbst kämpfen ums Überleben. Und genau die sollen jetzt auch noch den Künstlern Honorar zahlen, wenn sie mit dem Kunstvereinsvorstand vor Publikum diskutieren? Notleidende kleine Museen sollen schlecht Verdienenden aushelfen? Es gibt Zweifel. Das System hat auch mächtige Kritiker. Monika Grütters (CDU/CSU) zum Beispiel, immerhin die amtierende Bundeskulturministerin. Sie nannte die Ausstellungsvergütung als Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien einmal „eine verkappte Sozialleistung“, die gleich vom Sozialministerium übernommen werden sollte. Landes-BBK-Chefin Sylvia Richter-Kundel empört so was. Ein Ausstellungshonorar sei schließlich nicht Hartz IV, sondern Leistungsvergütung. Auch andere Gegenargumente verfangen bei ihr eher nicht. Dass Österreich ein Vergütungsgesetz nach vier Jahren wieder gestoppt hat. Dass Ausstellungen an sich schon mindestens Aufmerksamkeit abwerfen. Dass Künstler, die es nicht schaffen, ihre Kunst zu verkaufen, wohl kaum gegen eine Ausstellungsvergütung gebucht werden. Was dann nur dazu führt, dass die schon Etablierten weiter im Vorteil sind. Auch den Einwand, unter anderem formuliert von Erich Sauer von der Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler, es würde mit Ausstellungsvergütung weniger Ausstellungen geben. „Totschlagargumente“ nennt Aktivistin Richter-Kundel sie. Oder: „Nicht vorrangig unser Problem.“ Die Leitlinie müsse ja auch nicht immer idealtypisch angewendet werden. Je länger das Gespräch mit ihr dauert, desto mehr gerät man über die Ausstellungsvergütung in eine Qualitätsdebatte hinein. Für Richter-Kundel als Vertreterin aller Kunstschaffenden in ihrem Verband naturgemäß ein sehr schwieriges Terrain. Madeleine Dietz muss aushelfen. Anruf bei der wohl erfolgreichsten in der Pfalz lebenden Künstlerin. Die sagt sinngemäß, nicht jeder Kunstverein habe auch eine Existenzberechtigung. Und nicht alles sei es wert, dass man es ausstellt. Die Ausstellungsvergütung sei vielleicht ein Instrument, so manchem „Wohlfühlverein“ klarzumachen, was es bedeute, etwas für die Kunst zu tun, sagt sie. Dietz liebt die offenen Worte. Sie ist auch nicht dafür, dass alle, die Kunst produzieren, von einer Ausstellungsvergütung profitieren. Gefördert werden sollte, sagt sie, nur junge Kunst. „Die, die Installationen machen, die verfallen und nicht verkauft werden können.“ Alle anderen – ihre Meinung – hätten es ja schließlich selbst in der Hand, ob sie mit ihrer Kunst mit einem Verein oder einer Firma ins Geschäft kämen. „Künstler sind Unternehmer“, sagt Dietz, die allerdings auch besser reden hat. Sie könnten selbst entscheiden, ob sie zu den gebotenen Bedingungen ausstellen. Oder eben nicht.

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