Kaiserslautern Schau in den Lauf, Hase

Seifenblasen, Sonne und fast täglich ausverkauft: Mit der vierten Ausgabe hat sich das Maifeld Derby in Mannheim in der Festivallandschaft etabliert – auch dank der 64 wohl ausgesuchten Bands der Independent-Szene von nah wie Mannheim bis fern wie Russland und Australien. Schließlich bucht hier ein Musiker selbst die Kollegen: Timo Kumpf, der mit Get Well Soon auch auf der Bühne stand.

Als Bassist bei Get Well Soon hält sich der Popakademie-Absolvent Timo Kumpf im Hintergrund, schließlich ist Komponist und Sänger Konstantin Gropper der Kopf der Band. „Ich bin ein Mannheimer“, versuchte sich Gropper denn auch beim Heimspiel als Lokalpatriot, hat er doch einst auf der Popakademie sein Handwerk verfeinert und die Mitmusiker für seinen wuchtigen orchestralen Pop gefunden. Popakademie-Studenten stellen auch die Helfer bei dem liebevoll gestalteten, dreitägigen Festival am Mannheimer Reitplatz, der gerade so noch mit 4000 Besuchern bei ausverkauftem Haus zurechtkommt. Nicht immer aber bietet die Hauptbühne die beste Stimmung, heimliches Herzstück ist der „Parcours D’Amour“, die Bühne im Reitstadion, auf der Bands mit Rücken zur Reitanlage spielen, die das sehr ordentliche Publikum brav nicht betritt – schließlich geht es beim Maifeld Derby nicht um wildes Partyfeiern mit reichlich Alkohol wie bei Großfestivals, sondern um die Musik. „Elan“ verkündet ein Aufkleber auf Kevin Hamanns Gitarre: Der 33-Jährige macht als ClickClickDecker klugen, deutschsprachigen Pop mit Schmiss und ist erster Favorit des Freitags: Leider passen zunächst nicht alle Fans auf die Tribüne des Reitstadions, erst spät wird ein Zusatzblock aufgemacht. ClickClickDecker steht wie die folgende Berliner Band Die Höchste Eisenbahn für die neue Singer&Songwriter-Generation, die mit Optimismus arbeitet statt mit Verbissenheit – und tanzbare Schmuckstücke spielt. Zu den Eisenbahn-Klängen wiegen sich Mutter und Tochter gemeinsam im Groove, bei dem manchmal gar Paul Simon Pate steht. Eine stimmige Verpackung für die kapitalismuskritischen Texte, die zugleich schön spielerisch wirken, schließlich heißt das Debütalbum von Francesco Wilking (früher Tele) und Moritz Krämer auch „Schau in den Lauf, Hase“. Die Jugend aber ist noch wütend und darf es auch sein: Das Trio Trümmer aus Hamburg spielt harten Pop mit Punkattitüde. Sänger Paul Pötsch singt vom Nicht-Dazugehören und gegen Lethargie an, mit einer Dringlichkeit wie sie einst die frühen Blumfeld besaßen. Überhaupt überzeugen gerade die deutschen Bands beim Maifeld Derby. Auch mit internationalen Klängen wie das Hamburger Duo Hundreds, das sein zweites Album „Aftermath“ vorstellte: Eva und Philipp Milner machen feinsten elektronischen Pop mit geheimnisvoller Aura – passend dazu singt und tanzt Eva Milner barfuß. Über eine lauthals verzückt mitsingende erste Reihe auf der Hauptbühne wiederum staunten die Berliner Folkrocker Mighty Oaks, die schon optisch etwas aus dem Festivalrahmen fallen. Die Band sieht mit langen Haaren und ironiefreiem Schnurrbart eher nach Hardrock aus. Ihre „Mucke“ aber, wie sie – ebenfalls im Rockduktus verhaftet – ihre Songs nennen, ist derzeit weltweit der Renner. An Mumford & Sons und im Harmoniegesang an die Fleet Foxes erinnert denn auch die Band, die es mit ihrem Debütalbum „Howl“ im Frühjahr in die deutschen Top-Ten geschafft hat. Den Erfolg können die sympathischen Musiker, die sich in Berlin gründeten, aber aus aller Welt stammen, noch kaum fassen. „Ihr seid alle so freundlich“, freut sich Sänger Ian Hooper, ursprünglich aus dem US-Staat Washington, ehrlich begeistert. Doch spannender als der nette Folkrock der Mighty Oaks sind die Auftritte hierzulande noch unbekannterer Bands wie Motorama aus Russland, die wohl einzige Indieband des großen Landes, deren Sound sich am Noisepop der 90er orientiert. Oder La Femme aus Frankreich, die mit wilden Synthiepop mit Anleihen an Les Rita Mitsouko erfreuen. Und Bernhoft aus Norwegen, der großen Soul spielt und das Publikum mühelos zum fulminanten Chor dirigiert. Fürs Entdecken neuer Musik also ein ideales Festival, dem es sicher nützt, dass es ein versierter Musiker organisiert: So entsteht Vertrauen und eine Marke – nicht zu unterschätzen in einer Zeit, in der gerade viele kleinere Festivals wegen der Fülle des Angebots und fehlender Finanzen wieder aufgeben müssen. Das Maifeld Derby aber dürfte sich trotz einiger logistischer Probleme (wie erschwerter Anreise durch den Mannheimer Marathon) behaupten können, zumal auch die Stadt sowie Sponsoren das Festival mittragen.

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