Kaiserslautern Nicht nur Mutti, jetzt auch Nahles

Frühlingserwachen bei den Untieren: im Bild Marina Tamassy und Philipp Tulius.
Frühlingserwachen bei den Untieren: im Bild Marina Tamassy und Philipp Tulius.

„Der Mai ist gekommen – die Untiere schla(u)gen aus!“ Die Jahreszeit erwachender Triebe sorgt bei den lokalen Untieren für Umtriebe kabarettistischer Art. Blüten präsentierte das gemischte Programm am Freitag im Edith-Stein-Haus in Form von Stilblüten. Während Gärtner und Landwirte nach ausschlagenden Trieben erst im Herbst ernten, fuhren dagegen Marschall & Co sogleich einen prallen Erntewagen überreifer Früchte und Früchtchen ein, die nicht nur „Uff’m Paffeberg“ gedeihen.

Die Untiere hatten wieder den Dreh raus, sind dabei nicht nur vom Opel-Kreisel inspiriert: Kabarettistische Steilvorlagen lieferte heuer ausgerechnet der abgestiegene FCK, dem die Untiere sozusagen mit rhetorischem Trauerflor kondolierten. Vielleicht nimmt der eingefleischte Fan diesen Abstieg zwar mit Bedauern hin, doch Wolfgang Marschalls messerscharfe Analyse und Vergleiche machten auf eine skurrile Weise die Tragweite bewusst: Von Spitzenclubs wie Bayern München – in der Ersten Liga – ging es in der Zweiten Liga nach Erzgebirge Aue und jetzt in der dritten zu den Sportfreunden Lotte und nach Meppen. Immerhin sei der FCK unter diesen Städten der Verein mit der größten Tradition und dem größten Stadion. Drohen nach einstigen Kassenschlagern und Schlagerspielen nun Geisterspiele vor leeren Rängen? Folgt dem „Wunder von Bern“ die weitere Höllenfahrt? Und: Nach Rehhagels Meisterschaft ist jetzt für Marschall die Stimmung verhagelt. Marina Tamassy widmete als verkleidetes Betze-Teufelchen dem Traditionsclub nach Marschalls Grabrede einen Abgesang und die weiteren Untiere wie Keyboarder David Punstein und Philipp Tulius als Bass- und Sologitarrist taten zusammen mit Marschalls Drumset alles nur Erdenkliche, um die Zuhörer wenigstens musikalisch gut auf das Desaster einzustimmen. Tulius heuchelte in seiner Paraderolle als OB Klausi Interesse am Werdegang des Traditionsclubs, machte in diesem musikalischen Sketch seiner Verzweiflung Luft und schrie lauthals existenzielle Fragen hinaus: Warum wir (in K’town)? Wer (ist schuld)? Immerhin ist der Schuld-Aspekt durch die Kommerzialisierung der Bundesligen ein anonymer, schwer fassbarer Gegner. Ein weiteres lokales Thema war die ausgemachte Bau-Wut des „Bau-Peterle“, der aus Marschalls Sicht geschickt alle Schleichwege verbaue. Da dämmerte es dem Kabarettbarden im Anflug von Geistesblitzen am Rednerpult: Die Stadtspitze ist mal wieder dem Bürger weit voraus: Der solle vom Autofahren entwöhnt werden. Denn per pedes zur Mall zu flanieren sei gesünder als ein Verkehrsstau. Verständnis brachte Marschall auch auf für die alljährlich verspäteten Öffnungszeiten (bei im Herbst früherer Schließung) des Freibads Waschmühle. Wer in der „Wesch“ noch nicht bade, erspare sich die Begegnung mit Staphylokokken oder Aminosäuren. Bewegung in frischer Waldluft erscheine da allemal gesünder, da könne man sich der Wanderlust Weichels etwa anschließen. Auch hier: Weitsicht anstelle kleinbürgerlicher Interessen allenthalben! Im Gedenken an den 200. Geburtstag des Philosophen, Gesellschafts- theoretikers und Ökonomen Karl Marx setzte sich Marschall mit den Grundzügen des Kapitalismus auseinander: Während sich Lebewesen wie der Goldfisch im Glas nach ihren Rahmenbedingungen im Wachstum richten, verzehre sich der Kapitalismus in seiner Gier selbst, so Marschall. Dies untermauerte er am Beispiel des Konzerns Nestlé, der zwar Märkte schaffe und ausbaue, aber dabei ökologische Grundlagen zerstöre. Das Mai-Programm war nicht nur ein besonderes aufgrund von Jubiläen und Hiobsbotschaften, sondern auch aufgrund einer aufsehenerregenden Neuerung: Weil Mutti Merkel in stoischer Ruhe und Selbstgefälligkeit wie ein Fels in der Brandung steht, mimt Tamassy auch die Gegenspielerin Andrea Nahles. Wie bei Merkel trifft sie bei der SPD-Parteichefin haargenau und bis ins Detail ihr Erscheinungsbild und Wesen. Bei Nahles agiert sie nicht passiv, sondern hyperaktiv und aufbrausend. Im imaginären Zusammentreffen mit Macron, Trump und Putin bleibt sie hingegen als Merkel-Parodie gelassen, stimmt souverän ein russisches Volkslied an und führt Putin in eingeblendeten Fotocollagen als Bärenbezwinger vor. Schließlich darf Heimatminister Seehofer in Gestalt von Tulius Rückgrat zeigen, wenn er sich aufs Kreuz als Symbol der Wertegemeinschaft besinnt.

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