Kaiserslautern Mit der Zeit werden alle zu Experten

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Für den Stadt.Umbau.Salon hat das Fachgebiet Stadtumbau und Ortserneuerung der TU zusammen mit der Kulturinitiative „Pfaff erhalten − Stadt gestalten“ (PESG) eine ausgewiesene Expertin für das Thema Umwandlung alter Industrieareale gewonnen. Die promovierte Architektin Heike Oevermann aus Berlin hält das Abschlussreferat der Ausstellung. Marita Gies hat mit der Fachfrau über Fragestellungen zu einem solchen Transformationsprozess gesprochen.

Sie haben drei Jahre lang ein Projekt der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) am Georg-Simmel-Zentrum (GSZ) für Metropolenforschung der Humboldt-Universität zu Berlin geleitet, bei dem es um die Umwandlung historischer Industrieflächen auf europäischer Ebene ging. Zu welchen Erkenntnissen führte Ihre Untersuchung?

Die Erhaltung und Entwicklung der historischen Anlagen ist gleichermaßen wichtig geworden: Aufgrund der Anzahl der historischen Komplexe in europäischen Städten und Regionen können nicht alle umfassend konservatorisch erhalten und zum Beispiel als Industrie- oder Technikmuseum genutzt werden. Aber auch der lange Zeit übliche Komplettabriss mit Neuplanung wird zunehmend als vertane Chance gesehen. Denn die historischen Industriekomplexe und Areale sind Bauten und Orte der Identifikation, genauso wie Alleinstellungsmerkmale einer spezifischen Stadt- und Regionalentwicklung. Außerdem bieten sie oftmals besondere Räume an, die atmosphärisch dicht sind, und als hybride Räume mehrfach lesbar sind. Überlagerungen von alten und neuen Nutzungen und Symbolen oder einfach eine kostengünstige Mietmöglichkeit lassen vielfache Formen der Aneignung zu, die im Kontext von neuen Industrien, Start-ups, Stadtteilprojekten oder Kreativ- und Kulturwirtschaft wichtig geworden sind. Das frühere Pfaff-Betriebsgelände passt genau in dieses Raster. Was können wir hier in Kaiserslautern von anderen Projekten lernen? Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass unterschiedliche Akteursgruppen aus Wirtschaft, Politik, Planung und Bürgern bei dieser Aufgabe zusammentreffen und Konflikte entstehen. Diese sind in den unterschiedlichen Werten und Anliegen der gesellschaftlichen und fachdisziplinären Gruppen begründet, können aber auch durch sogenannte vermittelnde Werte vermittelt werden. Wo können denn solche Konflikte entstehen? Konflikte entstehen gerade auch über die Frage, wie viel und welche historische Substanz bleibt erhalten, also die Frage nach der Authentizität und Integrität, die gerade für den Denkmalschutz wichtig ist, oder die Frage, wie viel ökonomischen Gewinn können ein oder wenige Akteure durch die Transformationen machen. Erklären Sie, was vermittelnde Werte sind. Das sind Werte, die mehrere Gruppen teilen. Ein wichtiger vermittelnder Wert ist etwa die Zugänglichkeit des Areals und der Räume. Weitere vermittelnde Werte sind zum Beispiel Sensibilität im Umgang mit den Transformationen oder Nachhaltigkeit. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Denkmalschutz ist ein sehr wichtiger Akteur, da oftmals durch ihn das Erhaltungsanliegen erst deutlich wird. Zudem wird hier die kulturell-historische Bedeutung aufgearbeitet und sie kann, wenn sie verständlich vermittelt wird, eine gute Grundlage der Zusammenarbeit sein. Können Sie eine Empfehlung für den Entwicklungsprozess geben? Empfehlen würde ich eine Aufarbeitung und eine gute Kommunikation der kulturell-historischen Bedeutung des Areals sowie einen Transformationsprozess, der sehr früh Konflikte anspricht, sie klar formuliert und bewusst vermittelnde Werte sucht, die Grundlage der Zusammenarbeit sein können. Dafür ist natürlich die Einbindung unterschiedlichster Akteursgruppen von Anfang an wichtig. Welche Rolle spielt die Transparenz beziehungsweise die Bürgerbeteiligung bei solch einer Umwandlung? Können sich Bürger, die man ja als Laien einstufen muss, überhaupt in ein solch komplexes Verfahren einbringen? Was muss man ihnen an die Hand geben? Bürgerbeteiligung ist wichtig. Vielfach sind grundlegende Impulse zur Erhaltung und/oder Entwicklung von Bürgerinitiativen gekommen. Alle, die sich über Jahre − etwa zehn − mit dem Areal auf die unterschiedlichste Weise beschäftig haben, sind für diese Aufgabe Experten. Wie Beteiligung aussehen kann und was man wem wann an die Hand geben muss, kann nicht so einfach generalisierend gesagt werden. Das hängt von der spezifischen Aufgabe, der Konstellation der Beteiligten und anderem ab. In jedem Falle ist eine frühe Einbindung und eine Kommunikation auf Augenhöhe wichtig. Wie kann es gelingen, einen Standort mit einer solchen Bausubstanz für Investoren interessant zu machen? Der Standort wird dann interessant, wenn er zugänglich wird: zugänglich durch (Pionier-)Nutzungen, durch Medien, durch Führungen und ähnliches. Oftmals wissen viele gar nicht, was sich hinter den Betriebsmauern verbirgt. Oft helfen Schritt-für-Schritt-Entwicklungen oder auch eine sogenannte Ankernutzung. Die zentrale Frage: Wo findet man Investoren? Neue Nutzer und Investoren findet man manchmal vor der Haustüre. Die endogenen Kräfte einer Stadt werden häufig unterschätzt. Das kann ich aber konkret für Kaiserslautern (noch) nicht beurteilen. Hilfreich ist sicher auch der Blick auf Projekte und Investoren in anderen Städten, die mit solchen Transformationen Erfahrung haben. Info Heike Oevermann spricht im Stadt.Umbau.Salon bei der Finissage der Pfaff-Expo am heutigen Dienstag, 19 Uhr, in der Eisenbahnstraße 25, früher „Gabis Backstubb“.

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