Kaiserslautern „Man muss blitzartig unten liegen“

Es ist still in der Halle, bis auf ein leises Klingeln. Dann ein Quietschen, ein Schlag, Jubel auf der Tribüne: Der Ball wurde abgewehrt. Die Spieler wissen, was das bedeutet, aber sie haben es nicht gesehen. Sie sind blind. Christian Bachmann weiß, wie sich das anfühlt. Er ist süchtig nach diesem Sport und gerade sehr glücklich. Er wurde für die Torball-WM nominiert.

Am Donnerstag fährt er in die Schweiz und will dem deutschen Nationalteam helfen, den Titel zu verteidigen. Der 39-Jährige hofft, dass er sein Land würdig vertreten kann, aber er weiß auch, dass es nicht einfach wird gegen die Torball-Teams von Argentinien, Frankreich, Österreich, Italien und der Schweiz, dass alles passen muss, damit das Spiel, das ihn so fasziniert, funktioniert. 1998 hat das alles angefangen, als er nach sechs Jahren in Stuttgart wieder zurück nach Zweibrücken gekommen ist. Er ist im Vorstand des Blindenvereins, und einer seiner Kollegen hat ihn bei einer Sitzung in Kaiserslautern angesprochen, ob er nicht Torball spielen will. „Ich bin nach Kaiserslautern gefahren und habe mir das angesehen“, erzählt er und schiebt hinterher: „Ich bin nicht mehr davon losgekommen.“ Einmal die Woche fährt er jetzt von Zweibrücken, wo er in der Personalabteilung und im Einkauf eines mittelständischen Unternehmens arbeitet, nach Kaiserslautern, um zu trainieren. Sechs Spieler treffen sich regelmäßig in der Theodor-Heuss-Schule, darunter zwei Sehende. Auch eine Frau ist dabei. Bachmann mag den Sport, bei dem jeweils drei Spieler ein sieben Meter breites Tor bewachen und auf den Ball lauern, den die Gegner unter einer Leine durchrollen oder -werfen müssen. Die Spieler ohne Ball müssen auf den Knien bleiben, bis der Hartgummiball abgefeuert worden ist. Zur Orientierung dienen ihnen Matten, von denen aus sie starten, und die Klingel im Ball. „Es ist mehr ein Erahnen, wohin der Ball fliegt. Die werfen so irre schnell, man muss blitzartig unten liegen“, erklärt Bachmann. „Die meisten haben es drauf, den Ball so unter der 40 Zentimeter hohen Leine durchzuwerfen, dass er kaum den Boden berührt. Das ist eine Kunst für sich, die jahrelange Übung voraussetzt.“ Wie auch das richtige Annehmen und im Idealfall Fangen, das Wissen, wie die Teamkameraden reagieren, wie die Kugel rollt. Der 39-Jährige hat das inzwischen oft geübt, hat sein Gehör jahrelang darauf hingetrimmt, wie das Spielgerät im Torball reagiert. Seit 2011 ist Bachmann im erweiterten Kader der Nationalmannschaft, seit März war er jeden Monat einmal beim Lehrgang, seit acht Wochen hat er sein Trainingspensum erhöht, macht zusätzlich Übungen zur Verbesserung der Athletik, der Schnelligkeit und zum Muskelaufbau, die ihm der Nationaltrainer per E-Mail schickt. Es ist sein erstes Mal bei der WM. „Ich bin nachgerutscht, weil ein Spieler ausgefallen ist.“ Jetzt will er die Chance nutzen, muss aber erstmal sehen, wie er auf dem Feld klarkommt. Am Donnerstag reist er in die Schweiz, hofft, dass sein Team dann in die Halle darf, denn es sei wichtig, die Umgebung kennenzulernen, „die Halle, die Geräusche, die Akustik“. Am Freitag und Samstag stehen die Spiele an. Auftakt ist gegen das Team aus Argentinien. Gegen jede Mannschaft wird zweimal gespielt, am Samstag stünde das Halbfinale an, danach das Finale. „Wir haben gute Chancen“, meint Bachmann. „Die Mannschaft ist so gut wie noch nie.“ Was auch für Deutschland spricht: Belgien, der Finalgegner vom letzten Mal, hat nicht gemeldet. Aber der Zweibrücker weiß auch, dass alles passen muss, die Akustik, die Tagesform und dass jeder im richtigen Moment blitzschnell genau das Richtige tut. Wenn das klappt, könnte er Weltmeister werden.

x