Kaiserslautern Magisch!

91-87807974.jpg

Im Juni war er ein großer Fernsehjournalist, der seinen Job verliert, als seine Nachrichtenquellen ihn verraten. „Der Moment der Wahrheit“ hieß der Film. Nächsten Donnerstag, wenn „Elliot, der Drache“ ins Kino kommt, ist er ein Holzschnitzer. Mit vielen Falten, vollem Haar, Stoppelbart, Nickelbrille, Holzfällerhemd, gewinnendem Lächeln. Ein Naturbursche – und ein wunderschöner dazu: Robert Redford. Heute wird er 80. Er sieht immer noch aus, wie ein Traummann aussehen muss. Und immer noch kämpft er für seine Ideale.

Die lassen sich selbst in dem Disney-Kinderfilm „Elliot“ erkennen, denn Redford liebt es, in der Natur zu sein. „Der Wald ist voller Magie, wenn du weißt, was du suchst“, sagt er in diesem Film, der ihn nach eigenem Bekunden an seine Kindheit erinnert. Er spielt darin einen Mann, der seine Tochter und seine Enkelin vor einem Drachen beschützt, der sich dann als nett und harmlos entpuppt. Diese Magie haftet auch Redford selbst an. Eigentlich ist es egal, welche Rolle er spielt. Hübsch, sexy und überzeugend ist er immer. In „Picknick mit Bären“ (2015) ging er mit seinem gleichaltrigen Freak von Freund auf Reise in die Wildnis und schaffte es, einen Bären einzuschüchtern. Als mächtiger Staatsmann aus dem Weltsicherheitsrat in der Comic-Verfilmung „The Return Of The First Avenger“ (2014) verkündet er dagegen in Anzug mit Weste, auf welchen Bösewicht die Agententruppe nun Jagd machen soll. Doch sein vielleicht bestes Jahr überhaupt war 2013. In einem der seltenen Ein-Personenfilme, „All Is Lost“, spielte er einen alten Mann, der mutterseelenallein in seinem Segelboot im Indischen Ozean schippert und wegen eines Lecks im Boot ums schiere Überleben kämpft – bis er untergeht. Und es trotzdem schafft. Der Ein-Mann-Action-Film war eine Tour de Force für den bei Drehbeginn immerhin schon 75-Jährigen. Redford stellt diesen auf See Verlorenen mit einer so großen Ruhe und Energie da, wie es kein 20-Jähriger könnte und legt die beste Vorstellung seines langen Schauspielerdaseins hin. Das umfasst bis heute knapp 80 Filme allein als Darsteller, hinzu kommen noch zehn Filme als Regisseur und über 40 als Produzent. Und sein Filmfestival, das er zum wichtigsten Sprungbrett für US-Independent-Regisseure machte. Zu seinem Alter hat Redford ein lockeres Verhältnis: „So lange ich mich bewegen kann, tue ich es das, und solange ich kreativ sein kann, mache ich das auch“, sagte er in Cannes bei der Premiere des Films „All Is Lost“, für den er eine Oscar-Nominierung verdient hätte. Und sie mal wieder nicht bekam. Wahrscheinlich, weil man ihm 2002 – etwas vorschnell – schon den Ehren-Oscar gegeben hatte. Den Regie-Oscar hatte er gleich 1981 bekommen für seinen Debütfilm, das Familiendrama „Eine ganz normale Familie“: Ein Junge glaubt, am Tod seines Bruders schuld zu sein. Da bewies Redford, wie einfühlsam er sein kann – und vor allem, dass er mehr ist als nur ein verdammt gut aussehender Schauspieler. Im selben Jahr, 1981, stieg er bei einem regionalen Filmfestival im Staat Utah ein – da, wo er lebt. Schon wenige Jahre später war es als „Sundance Film Festival“ das wichtigste US-Festival für Independent-Filme. Hier entdeckte er Jim Jarmusch, Quentin Tarantino und die Coen-Brüder. Redford benannte das Festival nach seiner Lieblingsrolle, dem Sundance Kid in dem Western „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (1981, deutscher Titel: „Zwei Banditen“), seinem Durchbruch als Schauspieler. Doch sein Lieblingsfilm ist er aus seinem anderen Grund: „Wir hatten unglaublich viel Spaß beim Drehen“, sagte Redford, der in dem Film neben Paul Newman, dem anderen Schönling mit dem blauen Augen, spielte und sich behauptete. Der Spaß ist ein Kriterium, nach dem er heute noch seine Rollen aussucht. Die anderen sind: „Was kann ich lernen? Wer hat das Drehbuch geschrieben? Wer spielt sonst noch mit?“, bekannte er einmal. Überhaupt das Schauspielen. Irgendwie muss man sein Geld verdienen, dachte sich Robert Redford, der eher zufällig in das Metier kam. Der in Santa Monica (Kalifornien) geborene Sohn eines Angestellten einer Ölfirma schafft es dank eines Sport-Stipendiums an die Universität von Colorado, flog aber bald wieder raus, weil er zu oft betrunken war. Danach trampte er erst mal durch Europa, was seine Auffassung von Kunst und Kultur mehr prägte als seine vorhergehenden Erfahrungen in Amerika, wie er später zugab. Wieder zurück in New York versuchte er es an einer Schauspielschule, bis er entdeckt wurde. Bei seinem Leinwanddebüt, dem Kriegsfilm „Hinter feindlichen Linien“ (1962), war er die meiste Zeit noch unter einem Helm versteckt und kaum zu erkennen. Erstmals auffallen konnte er dann als liebenswerter schüchterner Jüngling neben Jane Fonda in „Barfuß im Park“ (1967): Da sah man ihn in voller Schönheit durch die Natur rennen, bevor die beiden ein Paar wurden. Die zwei wichtigsten Merkmale seines Wesens waren also schon da. Die coolen Dialoge und der Witz in „Sundance Kid“, wo Redford metertief ins Wasser springt, taten ein Übriges. Später war er oft der Liebhaber. Er war vorwiegend unglücklich mit Barbra Streisand in „So wie wir waren“ (1973), betörte Meryl Streep in „Jenseits von Afrika“ (1985) und angelte sich die fast 30 Jahre jüngere Demi Moore, der er 1993 „Ein unmoralisches Angebot“ machte: eine Million Dollar für eine Liebesnacht. Obwohl der damals 57-Jährige noch so jung und umwerfend aussah, dass so ziemlich jede Frau dies wohl auch ohne einen Penny getan hätte. Doch am besten ist er eigentlich, wenn er allein in der Natur ist: als Cowboy „Jeremiah Johnson“, der im Schneesturm im Indianerland gejagt wird (1972), als Fliegenfischer in „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (1992), als „Pferdeflüsterer“ (1998). Privat liegt ihm ebenfalls die Natur am Herzen. Hollywood meidet er, er lebt lieber in den Wäldern von Utah, wo er auftanken kann. Er ist Umweltaktivist. Eine Solarheizung gibt es auf seiner Ranch bereits seit 1975. Und er dreht gerne Filme mit politischer Botschaft: In der Wahlsatire „Bill McKay – Der Kandidat“ lässt er sich als liberaler Anwalt für die Wahl zum Senator aufstellen (1973), als „Washington Post“-Reporter stürzte er Nixon in „Die Unbestechlichen“ (1976), als untergetauchter US-Terroristen in „The Company You Keep“ (2012), wo er auch Regie führte, kämpfte er gegen Korruption. Im vorletzten Wahlkampf unterstütze er Barack Obama, im aktuellen niemanden, denn Trump ist ihm zu verrückt und egozentrisch – und die anderen hält er für Leichtgewichte. Doch in die Politik gehen, wie andere Filmstars, will er nicht. Dazu hat der Mann, der dank seiner zweiten Frau, der deutschen Malerin Sibylle Szaggars, auch ein bisschen Deutsch spricht, als Regisseur, Schauspieler, Produzent und Mentor für den Nachwuchs einfach noch zu viel zu tun. 2017 kommt seine bereits angedrehte Science-Fiction-Romanze „The Discovery“ ins Kino. Da kann man den Hollywood-Rebellen als Wissenschaftler erleben, der den Beweis für ein Leben nach dem Tod bringt.

x