Kaiserslautern Luxus für wenige

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Jugendstil zwischen edel und skurril: In einer auf fünf pfiffig möblierte Themenräume verteilten Ausstellung beweist die Mannheimer Kunsthalle, dass man auch auf den Nebenstraßen der internationalen Stilkunst fündig werden kann. Sie heißt „Der feine Schimmer – Zu Pfau und Perlmutt im Jugendstil“ und spielt auf die Gründungsausstellung des Hauses an – ohne den historischen Bezug über Gebühr zu strapazieren.

Für den rot-schwarzen Bugatti von 1936 muss man sich nicht entschuldigen. Der wurde zwar erst gebaut, als der Jugendstil längst Geschichte war, macht aber viel her. Das gleiche gilt für die gläserne Kühlerfigur in Gestalt einer ursprünglich von unten beleuchteten Libelle von René Lalique. Das Auto kam aus dem Automuseum in Mulhouse nach Mannheim und die Libelle aus Wingen-sur-Moder, von dort gab es die Erlaubnis zur Wiedervereinigung von Wagen und Tier. Davon war man nun bei Bugatti so begeistert, dass man der Kunsthalle Transport und Versicherung bezahlte. Auch das Museum of Modern Art in New York war von der Ausstellungsidee angetan und schickte Giacomo Ballas „Straßenlaterne“. Das mit spektakulären Lichtreflexen arbeitende Bild gilt als Ikone des Futurismus – nur zwei Beispiele dafür, wie gute Konzepte aus vermeintlichen Marginalien den großen Auftritt drechseln Mannheim besitzt mit Wasserturm, Friedrichsplatz, Rosengarten und Kunsthalle eines der größten und schönsten Jugendstilensembles. Eine Jugendstilstadt ist Mannheim in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem nicht, Hermann Billings einem barockisierenden Jugendstil zugeordnete Kunsthalle einmal ausgenommen. In den von Josef Hofmann gestalteten Galerieräumen der Eröffnungsausstellung von 1907 hingen drei Bilder von Gustav Klimt, darunter die 2006 für 135 Millionen US-Dollar nach New York verkaufte „goldene“ Adele Bloch-Bauer, und die war leider und verständlicherweise nicht auszuleihen. Fünf Themenräume beschwören assoziativ die damaligen Raumkunst-Inszenierungen. Im „Vorgarten“ treffen wir auf Pfauengeschrei und drei auf falsches Isländisches Moos gebettete Exemplare aus der Königlich Bayerischen Porzellan-Manufaktur Nymphenburg. Es folgen in lockerer Anlehnung an den historischen „Sammlungsraum eines Kunstliebhabers in einem vornehmen Hause“ eine „Bibliothek“ , eine Abteilung „Modernes Leben“ (hier der Balla und der Bugatti), eine mit weiblichen Accessoires („Vanity Room“) , dann eine „Winterreise“, die uns in die Schweizer Alpen führt, wo der Schneehimmel auf dem hauseigenen Hodler perlmutternen Schmelz verströmt. Im „Vorgarten“ hängen zwei wunderbare Gouachen mit Pfauen von Adolph Menzel, der nun wirklich kein Jugendstilkünstler war. Auf dieser einsamen Höhe geht es aber nicht weiter, denn der Jugendstil ist vor allem eines: Dekoration, Oberfläche, Luxus für wenige. Wo Luxus ist, sind die schönen Pfauen nicht weit: Man findet sie auf den schwülen Bildern des auf drastische Triebhaftigkeit und reduzierte Weiblichkeit spezialisierten Südtirolers Leo Putz, auf eleganten Gallé-Vasen und auf Keksdosen aus dem Hause Bahlsen; auf Bucheinbänden, Fächern und Schmuckstücken von Marcel Bing und René Lalique. Sie zieren den Abendumhang, das Zigarettenetui von Cartier, den Wandteppich und das Buntpapier. Illustratoren und Maler überschlagen sich fast in der Darstellung ordinärer, seltener weißer oder noch viel seltenerer roter Exemplare. 1908 lässt der Warschauer Maler Kazimierz Stabrowski eine Studentin in aufwendiger Pfauenrobe posieren: Ein nicht eben erstklassiges Bild, das wie eine unfreiwillige Zusammenfassung der schillernden Zweideutigkeit, der sich nie ganz festlegenden Ästhetik des Jugendstils anmutet. Schillernd wie die irisierenden Farbspiele des Perlmutt, das auf luxuriösen Uhren (wie dem monströs ägyptisierenden Exemplar von Joseph Urban für das Wiener Restaurant Hopfner) und voluminösen Sesseln (Koloman Moser) seine großen Auftritte hat. Oder eben als zart zitierter Schimmer auf Carl Frederik Lilsbergs „Hungrigem Eisbär“ aus der Kopenhagener Porzellanmanufaktur, einem Meisterwerk in der hohen Kunst, mit komplizierten Glasuren umzugehen. „Der feine Schimmer“ fällt aus dem Rahmen dessen, was die Kunsthalle sonst anbietet. Jörg Garbrecht hat die Ausstellung mit Pfiff und wissenschaftlicher Redlichkeit kuratiert und alle Beteiligten haben aus einer gut gemachten eine süffige Sache gemacht. Dazu gehören der Katalog in Magazinformat und weißen Seiten, in die man hinten in einer Tasche versteckte „Sammelbildchen“ mit Ausstellungsansichten einkleben kann. Dazu gibt es einen an der Universität Mannheim erarbeiteten App-basierten Rundgang und ein Bilderrätsel mit attraktiven Preisen. Klappern gehört zum Handwerk? Wer intelligent klappert, der darf das auch. Die Ausstellung Bis 17. Januar 2016. Täglich außer montags sowie an Feiertagen 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr.

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