Kaiserslautern Kanariengelbe Hitmaschine

Die Hosen sind wie gewöhnlich ein bisschen eng, die Haare kunstvoll verstrubbelt. Rod Stewart sieht mit 69 exakt noch so aus, wie Rod Stewart schon immer ausgesehen hat. Ein Typ wie ein ungemachtes Bett: lässig und doch überaus witzig, charmant und doch zuweilen schlüpfrig. Schnulzenkönig, Soulman, Rock’n’Roller – der ewige Stenz hat sie alle im Programm. Sein Auftritt in der Mannheimer SAP-Arena am vergangenen Freitag ist also eine Nummernrevue.

Ihm geht das ja so vollständig ab: das Affektiert-Angestrengte des reifen Mick Jagger, das Großväterlich-Gesetzte des späten Joe Cocker. Rod Stewart und seine Auftritte waren und sind ein ordentliches Stück schriller und schräger als die anderer Größen des Geschäfts. Was bei denen mindestens affig und aufgesetzt daherkäme, passt zu ihm weiter ganz gut: diese weiße glänzende Auslegware auf der Bühne und der glitzernde Vorhang, diese schreibunten Sakkos und Socken, diese besonders zahlreichen, hübschen und miniberockten Damen in der Band. Die Kulisse, die Klamotten, das Personal – der (Halb-)Schotte hat sich eine ehrlich selbstverliebte und doch wunderbar selbstironische Werkschau gebastelt. Es hat zuletzt auch wieder eine Platte mit neuen Songs gegeben, „Times“ heißt sie. Das Album ist nicht übel, teils schon ein wenig seicht geraten, wie so manches in den letzten vielleicht zehn, zwanzig Jahren. Rod Stewart bleibt trotz seines offen gelebten Hangs zum Schmalzigen eben vor allem der begnadete Interpret seiner großen und größten Erfolge – das Beste der Siebziger, Achtziger und, nun ja, der Neunziger. In Mannheims schickster Sporthalle macht der Sänger für ein seliges Publikum zwei Stunden lang mit Lust die launige Best-of-Hitmaschine, die Rock-Revue mit der Reibeisenstimme. Immer wieder bleibt Zeit für Zitate von gestern und vorvorgestern: der zarte Wackler mit dem Hinterteil, der etwas steife Hüftknick, das Herumwirbeln des Mikrofonständers, das einen (oder eher zwei) Knöpfe zu weit geöffnete Hemd, das prätentiöse Tänzeln. Meist wirkt es in solchen Momenten, als müsste „Rod the Mod“ kurz kräftig über sich schmunzeln. Es genügt die winzige Andeutung, die kleine Geste für großen Jubel und nostalgischen Schauder. Altersgemäße Effizienz. Wollte er nicht jenseits der 50 kein „Do Ya Think I’m Sexy“ mehr trällern, weil er fürchtete, als Karikatur seiner selbst zu enden? Er lässt dieses Zitat aus einem uralten Interview über die Videowände flimmern. Und schäkert sich mit seinen Mädels zum guten Schluss auch durch diese Nummer. Von diesen unglaublich fiesen Ohrwürmern hat er so viele. Tagelang erwischt man sich dabei, die Melodie von „Baby Jane“ zu pfeifen, eine Textzeile von „Some Guys Have All The Luck“ zu trällern. Vielleicht am besten ist Rod Stewart allerdings, wenn er Songs anderer Leute zu seinen macht. Natürlich braucht es zur Mitte des Mannheimer Konzerts eine ausgeruhte Viertelstunde in Form eines Sets begleitet von Westerngitarre, Kontrabass und einem Streicherensemble der hiesigen Musikhochschule. Dann spielt er Cat Stevens („The First Cut Is The Deepest“), Van Morrison („Have I Told You Lately“) und den großen Tom Waits („Tom Traubert’s Blues/Waltzing Matilda“) und ganz zauberhaft Crazy Horse („I Don’t Wanna Talk About It“). Ganz kurz fällt der Rockopa aus der Rolle, bricht die ironische Inszenierung mit wohliger Wärme – bis er sich mit dem Ventilator am Bühnenrand beschäftigt, der sein Mütchen kühlen soll. Er platziert sich in den Luftstrom, schüttelt die zerzauste Mähne, kehrt auf den Barhocker zurück und konstatiert: „Wir sind hier ja nicht in einer Bee-Gees-Show.“ Naja, auch deren Hosen waren eng. Das Gesamtkunstwerk Rod Stewart, sein extremer Wiedererkennungswert wären nicht denkbar ohne diese Stimme, deren Sound Ende des alten Jahrtausends eine Kehlkopfkrebserkrankung fast zerstört hätte. Dieses raue, hohe Timbre – er hat es natürlich noch, aber er geht hübsch vorsichtig damit um. Während der Brite mit Witzchen nicht spart und zum Bluesrock von „Hot Legs“ massenweise signierte Fußbälle bis in den Oberrang der Arena kickt, teilt er sich die Kraft beim Singen äußerst ökonomisch ein. Um es fußballerisch auszudrücken: Er tut nicht mehr, als er muss. Zugaben? Keine. Dieses Zugeständnis ans Alter trübt den Spaß nicht allzu sehr. Stewart hat eine exzellent eingespielte Band, in der altgediente Studiocracks wie sein musikalischer Direktor Chuck Kentis (Keyboards) oder Gitarrist Don Kirkpatrick supersolides Handwerk liefern. Er hat starke Sängerinnen, die das Glitzern und Funkeln dort hinzaubern, wo das kanariengelbe Stehaufmännchen seine Pausen braucht. Wahrscheinlich geht das auch noch mit 70 oder 80 oder

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