Kaiserslautern Gurgellösung und Hormone im Bier

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Es musste ja so weit kommen – und es war gut so: Zum nunmehr dritten Mal kehrte Pfalztheater-Schauspieler Rainer Furch bei der „Blauen Stunde“ die üblichen Seiten um. Er las am Freitagabend im „Kasino“ der Volksbank nicht etwa, wie sonst bei den Vortragenden meist üblich, seine eigenen Lieblingstexte vor, sondern jene, die ihm aus dem Publikum gereicht wurden.

Auf diese Weise kam wieder einmal ein ziemlich abwechslungsreicher, bisweilen auch recht überraschender Kanon an vorlesenswertem Material zusammen. Lyrik, Drama, Epik, kleine Meisterwerke im Ganzen und große Werke im Auszug, Texte von bekannten Autoren und sogar zwei selbstverfasste Geschichten von anwesenden Gästen der Veranstaltung (über eine gefühlvolle Begegnung und über Kaiserslautern) wurden diesmal vorgetragen. Die Bandbreite reichte dabei vom lyrischen Klassiker (Rainer Maria Rilkes „Der Panther“) bis zu Roland Schimmelpfennigs „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“, dem aktuellen Debüt-Roman von Deutschlands zurzeit meistgespieltem Gegenwarts-Dramatiker. Dazwischen las Furch in gewohnt professioneller Art, hin und wieder zur Verdeutlichung der Inhalte die Grenzen zur Dramatik mit angedeuteter Geste und variabler Stimmfärbung durchbrechend, launige Texte. Da ging es um das geschickte Putzverhalten im Treppenhaus, um eskalierende Streitereien beim Treffen zweier Ehepaare, und (in einer extra-humorigen Lebenserinnerung des Schauspielers, Regisseurs und Schriftstellers Joachim Meyerhoff) um die Entdeckung, dass die Großeltern des Autors morgens im Bad eine ganz besondere – nämlich ziemlich hochprozentige – „Gurgellösung“ nutzten. Kleine Höhepunkte unter den ohnehin allesamt lesens- und hörenswerten Texten markierten ein nachdenklich machender Part aus dem „Buch der keltischen Weisheit“ und ein pointierter, von Rainer Furch fast in einer Bühnenfassung realisierter Dialog zwischen „Big Daddy“ und Brick Pollitt aus Tennessee Williams´ „Die Katze auf dem heißen Blechdach“. Auch Sachtexte und Kabarettistisches fehlten am Freitagabend nicht: Aus einem Abschnitt aus dem „Buch der populären Irrtümer“ erfuhr das wie immer gebannt zuhörende – aber dieses Mal nicht ganz so große – Publikum, dass eine eventuelle Gewichtszunahme durch Biergenuss kaum von den im Gerstensaft enthaltenen Kalorien, sondern vielmehr von Hormonen im „flüssigen Brot“ herrühre. Im Anfangsteil der erfolgreichen „Känguru-Chroniken“ von Marc-Uwe Kling lernte man das berühmte sprechende und sinnierende Känguru kennen. Das sorgte während des Vortrags für so manchen Lacher und danach für reichlich Applaus. Es hatte schon seinen ganz besonderen Reiz, Texte, die man gut kennt und die einem gefallen, einmal nicht nur passiv als Leser zu goutieren, sondern von einem Profi der Vortragskunst wie Rainer Furch rezitiert zu bekommen. Furch schaffte es dabei mühelos, die ihm bei Vorlage gänzlich unbekannten Texte ohne unmittelbare Vorbereitung wohl akzentuiert, stimmlich variantenreich und absolut ohne Versprecher zur Freude und Zufriedenheit der Anwesenden vorzulesen und dabei streckenweise geradezu mitzuleben. Das war Rezitationskunst auf hoher Ebene. Da muss es ja wohl (und hoffentlich) so weit kommen, dass es noch mindestens eine vierte Ausgabe dieser „Was ihr wollt“-Reihe geben wird.

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