Landstuhl Diva in der Sickingenstadt: die Schauspielerin Tala Birell

„We had Faces ... then“: Schauspielerin Tala Birell (1907-1958) in der Pose einer klassischen Hollywood-Göttin.
»We had Faces ... then«: Schauspielerin Tala Birell (1907-1958) in der Pose einer klassischen Hollywood-Göttin.

In der Filmgeschichte kommt Landstuhl kein Stellenwert zu. Dass die Sickingenstadt dennoch in filmkundlichen Nachschlagewerken genannt wird, liegt an Hollywood-Star Tala Birell. Die Schauspielerin, die in den 1930er Jahren bevorzugt rätselhafte Verführerinnen darstellte, wird in der neuen Ausgabe des „Cinegraph“-Lexikons porträtiert.

Weil Tala Birell 1958 als amerikanische Staatsbürgerin im US-Hospital starb, ist ihr Tod im Aktenbestand des Landstuhler Standesamts nicht verzeichnet. Auch den deutschen Zeitungen war es keine Notiz wert, dass die erst 50-Jährige einem Krebsleiden erlegen war. Allzu vergänglich ist der Ruhm. Noch zwei Jahrzehnte zuvor tauchte ihr Name fast ununterbrochen in den Filmzeitschriften auf. Spurensuche nach einer Vergessenen.

Gesucht: schöne Frauen

Ein Stapel mit Postkarten, Szenenbildern, Starfotos. Kunstvoll-künstlich inszenierte Porträts auf den weitem Feld weiblicher Schönheit, mal bedrängte Unschuld und mal sirenenhafte Verführerin, hier mit jungfräulich begehrlichem Augenaufschlag, da mit den Attributen des verderblich berechnenden Vamps. Schon der Name suggeriert Exotik: Tala Birell.

Die blonde, im Bedarfsfall brünette Wienerin stand in der frühen Tonfilmzeit am Beginn einer glanzvollen Starkarriere im deutschen Film. Sie folgte dem Ruf Hollywoods, wo schöne Europäerinnen mit gediegener Sprechausbildung gerade Hochkonjunktur hatten. Greta Garbo und Marlene Dietrich bescherten den Produzenten immense Gewinne. Zu Beginn der 1930er Jahre hielten Talentsucher in Berlin, London, Paris und Rom beständig Ausschau nach Schauspielerinnen, die sich im kalifornischen Filmmekka als „neue Garbo“ vermarkten ließen.

So suchten zahlreiche Top-Stars des deutschen Kinos ihr Glück in Hollywood, noch ehe die Nazis einen erzwungenen Exodus herbeiführten: Pola Negri, Lil Dagover, Dorothea Wieck, Camilla Horn, Anna Sten und die zweisprachig aufgewachsene Lilian Harvey strebten schon vor 1933 danach, ihren in Deutschland gefestigten Star-Status auch auf Hollywood ausdehnen zu können.

Nicht anders macht es Nathalie Bierl, genannt Tala Birell. In Bukarest geboren, wächst sie als Tochter eines bayerischen Geschäftsmanns, der im Ersten Weltkrieg sein komplettes Vermögen verlor, unter wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen in Berlin auf. Sie tritt in Revuen und Operetten auf, arbeitet als Fotomodell und Soubrette. 1926 steht sie erstmals vor einer Filmkamera. Im Folgejahr spielt sie in „Ich habe im Mai von der Liebe geträumt“ unter der künstlerischen Leitung des Ludwigshafeners William Dieterle.

Der Tonfilm „Menschen im Käfig“ - ein Gefängnis-Drama des prominenten Regisseurs E. A. Dupont - bringt 1930 die erste Hauptrolle. Die Zeitschrift „Filmwelt“ schreibt: Sie „stand als einzige Frau einem Ensemble ausgezeichneter Darsteller gegenüber, aber sie wusste sich gegen Conrad Veidt, Heinrich George und Fritz Kortner durchzusetzen.“

Gefährtin des Kraxlers

In „Liebe auf Befehl“ (1930) sind Olga Tschechowa und Johannes Riemann ihre Partner, in „Meine Cousine aus Warschau“ (1931) spielt sie neben dem Star-Komiker Paul Kemp, der Stummfilm-Diva Liane Haid und dem später als liebenswerter Kellner in „Casablanca“ unsterblich gewordenen Szöke Szakall.

Die Produktionsgesellschaft Universal engagiert sie für die englischsprachige Fassung eines publikumswirksamen Luis-Trenker-Films: Dessen enorm erfolgreiches Kriegsdrama „Berge in Flammen“ wird 1932 unter dem Titel „The doomed Bataillon“ in Hollywood noch einmal gedreht. Tala Birell spielt die loyale Gefährtin eines von Trenker dargestellten Bergsteigers, der zum Freiheitskämpfer wird.

Liebe im Dschungel

Sie wird über Nacht zum internationalen Star, die Universal kündigt mit beträchtlichem Werbeaufwand mehrere, ihr angemessene Großproduktionen an. Im Melodram „Nagana“ (1933) gibt sie eine glamouröse Gräfin auf Safari, die sich in einen Urwaldarzt (Melvyn Douglas) verliebt. Der Film fällt beim Publikum durch, ebenso die Komödien „The Captain hates the Sea“ (1934) und „Leise kommt das Glück zu dir“ (1935).

Die unverwüstliche Liebeskomödie „Leoparden küsst man nicht“ (1938) ist zwar ein Kassenhit, hält für Tala Birell aber nur noch die Nebenrolle einer luxuriösen Arztgattin bereit. Immerhin wohlwollende Kritiken erhält sie für ihre Rolle in Josef von Sternbergs Dostojewski-Verfilmung „Schuld und Sühne“ (1935).

Da der Regisseur und die Produktionsgesellschaft jüdisch sind, werden die Filme in Nazi-Deutschland erst gar nicht gezeigt. 1940 erwirbt Tala Birell die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ihr Traum vom großen Ruhm ist zu dieser Zeit bereits ausgeträumt. Sie spielt kleine Rollen in großen Filmen („Das Lied von Bernadette“, 1943; „Clara Schumanns große Liebe“, 1947), vor allem aber in billigen B-Filmen wie der 13-teiligen Kurzfilm-Serie „Jungle Queen“ (1944/45): als schurkische Wissenschaftlerin, die im Urwald einen Agentenring leitet.

Ihr letzter Film in Amerika ist der abstruse Reißer „Women in the Night“ (1947). Dessen Handlung „besteht (...) darin, dass kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs schöne Frauen als Sex-Sklavinnen in einem deutschen Offiziersklub alles unternehmen müssen, um einen kosmischen Todesstrahl zu zerstören“.

So jedenfalls fasst das Nachschlagewerk „Cinegraph“ die Handlung zusammen, in dem jetzt die Lebensgeschichte der Tala Birell nachgezeichnet wird. Dieses „Lexikon des deutschsprachigen Films“ erscheint seit 1984 als Loseblattsammlung, die beständig erweitert wird. Soeben wurde die 60. Ergänzungslieferung des Handbuchs ausgeliefert - mit einem ausführlichen Beitrag über Tala Birell. Bisher erinnerten lediglich Sammelwerke wie „Österreicher in Hollywood“ und „Von Europa nach Hollywood“ an die Aktrice.

Im Dienst der Streitkräfte

Nachdem sie bereits in Los Angeles mit ihrer Schwester zusammengelebt hatte, kehrte Tala Birell 1947 zu ihrer Mutter nach München zurück. Vereinzelt stand sie noch vor (amerikanischen) Fernsehkameras. Im Auftrag der US-Streitkräfte arbeite sie als „Field Entertainment Supervisor“ vor und hinter den Kulissen von Klubs und Soldatentheatern, unter anderem in Heidelberg und Wiesbaden.

Nachdem sich eine 1955 diagnostizierte Krebserkrankung rapide verschlimmerte, musste sie sich Anfang 1958 ins Landstuhler US-Hospital begeben. Dort starb sie am 17. Februar. Beigesetzt wurde Tala Birell im Bierl’schen Familiengrab im oberbayerischen Marquartstein.

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