Kaiserslautern Die letzte Diva

Fast 105 Jahre alt war die deutsche Schauspielerin Luise Rainer, als sie am Dienstag in ihrer Londoner Villa einer Lungenentzündung erlag. Die Oscarpreisträgerin gehörte noch jener Epoche der Filmgeschichte an, in der Hollywoods Sterne so hell erstrahlten, dass der Glanz ihrer Aureole bis heute leuchtet, obwohl ihre Karriere nur kurz währte und bereits in den 1930er Jahren zu Ende ging.

„Wie schön, dass man mich in Deutschland nicht vergessen hat“, sagte Luise Rainer, als sie 2011 einen Stern auf dem Berliner „Boulevard der Stars“ erhielt. Vorangegangen war allerdings eine beschämende Prozedur, welche die verantwortliche Jury blamierte und zudem wieder einmal untermauerte, dass der Prophet im eigenen Land wenig gilt. Denn die gebürtige Düsseldorferin ist die einzige deutsche Oscargewinnerin im Schauspielfach und gewann gar zweimal hintereinander – 1937 und 1938 – einen Hauptrollen-Oscar, was dann erst 31 Jahre später wieder Katherine Hepburn gelang. Zudem galt Rainer als ältester noch lebender Top-Star der goldenen Ära Hollywoods. Im Gegensatz zu einigen ihrer Zeitgenoss(inn)en konnte sie den Glanz vergangener Tage jedoch nicht aktiv aufrechterhalten. Sie war ganz die Diva von ehedem, Souvenir und Repräsentantin einer untergegangenen Epoche, als Stars entrückte, unerreichbare, überirdische Göttinnen im Olymp der Traumfabrik sein konnten. Diese Aura umwehte sie, obwohl sie in der Pearl-S.-Buck-Verfilmung „Die gute Erde“ (1937) eine bitterarme chinesische Bäuerin spielte, die sich durch Hungersnot, Entbehrung und Revolution für die Familie aufopfert. Als die Schauspielerin nach Hollywood kam, waren Euro-Stars mit mehr oder weniger ausgeprägtem Akzent gerade in Mode. Anna Sten, Hedy Lamarr, Pola Negri, die Pirmasenserin Betty Amann, natürlich Greta Garbo und Marlene Dietrich verkörperten eine Art von Exotik, die dem US-Publikum zwar fremdländisch, aber immer noch identifikationsfähig erschien. Luise Rainer – zart und elfenhaft, grazil bis zerbrechlich – brachte einen Jungmädchen-Charme auf die Kinoleinwand, der wirkte wie herübergeweht aus der kultivierten alten Welt. Einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie entstammend, besuchte sie in ihrer Heimatstadt Düsseldorf die Talentschmiede des Schauspiellehrer-Ehepaars Louise Dumont und Gustav Lindemann, wurde von Max Reinhardt nach Wien engagiert und drehte dort auch eine Handvoll Filme, darunter „Heute kommt′s drauf an“ (1933) mit Hans Albers. Dann kamen jene dunklen Jahre, als Glaubensbekenntnis und „Rasse“ wichtiger waren denn Präsenz und Talent. Die aus einer jüdischen Familie stammende Luise Rainer folgte dem Ruf nach Hollywood, wo ihr die alles beherrschende Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer sofort einen Mehrjahresvertrag in Aussicht stellte. Zunächst wiederholte sie im Film „Seitensprung“ (1935) eine wienerische Fin-de-siècle-Rolle, die zuvor Paula Wessely gespielt hatte. In „Der große Ziegfeld“ (1936) war sie dann die Frau des legendären Impresarios und bekam dafür ihren ersten Oscar; in der „Guten Erde“ gab sie die schicksalsgeprüfte O-Lan; in „Finale in St. Petersburg“ eine blaublütige Spionin; in „Die große Stadt“ (beide 1937) die schwangere Frau des Taxifahrers Spencer Tracy. Dann jedoch war die Karriere der als schwierig und kapriziös verschrienen Aktrice auch schon vorbei. Was bleibt, sind Posen und Mienenspiel, große Gefühle und ergreifendes Melodrama, Liebe und Entsagung, Traumfabrik und Legende. „They had faces then“ – und deshalb sind sie glamourös, ephebisch, unvergesslich immerdar.

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